Warum das generische Femininum auch keine Lösung ist

Screenshot via klagenfurt.gruene.at

Wie am Mittwoch berichtet wurde, bezeichnen die Grünen in Klagenfurt ihre Ämter ab jetzt nur mehr in der weiblichen Form—und haben somit (auf dem Papier) aus ihrem Parteiobmann Reinhard Schinner die Parteiobfrau Reinhard Schinner gemacht. Verändert wurden dazu auch die Statuten. Die Presseaussendung erfolgte am Sonntag; als die Nachricht dann in der laufenden Woche von mehren Medien aufgegriffen wurde, löste das im Netz auch wieder generelle Diskussionen über Geschlechterbezeichnungen und Gendern in der Sprache aus. Die Zeitung Heute fragte sich sogar, ob diese Änderung ein Faschingsscherz der Grünen sein sollte.

„Es handelt sich wirklich um keinen Faschingsscherz”, betont Reinhard Schinner gegenüber VICE. „Wir haben schon immer genderkorrekte Sprache benutzt. Das Problem war aber, dass es keiner mehr vorlesen konnte, weil es so kompliziert und umständlich wurde. Darum haben wir uns dazu entschlossen, die weibliche Bezeichnung als neue neutrale Form zu verwenden.”

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Natürlich sei die Bezeichnung von ihm als „Obfrau” mit einem gewissen Augenzwinkern zu sehen, da danach ja sein männlicher Name angeführt werde und es somit ohnehin klar wäre, dass er eigentlich Obmann sei, erklärt Schinner. Es gehe eben um die Symbolwirkung. Er betont auch, dass sie damit nicht die ersten in Österreich seien: „Das gesamte Tiroler Kinder- und Jugendhilfegesetz ist bereits 2013 in weiblicher Form abgefasst worden.” Auch die Uni Leipzig änderte 2013 ihre Bezeichnung auf „Professorinnen” und erklärte, dass in diesem Begriff die Männer mit inbegriffen seien.

Die damit verbundene Grundsatzdiskussion über gendergerechte Sprache flammt in Österreich immer wieder auf. Von Befürwortern wird dabei oft das Argument angeführt, dass es nach Jahrhunderten des generischen Maskulinums nun an der Zeit wäre, dieses gegen die weibliche Form zu tauschen.

Für den Sprachwissenschaftler Oswald Panagl, emeritierter Professor der Universität Salzburg, ist das keine Lösung: „Die Richtigkeit der Sprache muss gewährleistet bleiben. Die Bezeichnung der ,Parteiobfrau’ schließt Männer klar aus dem Beruf aus. Das wirkt so, als dürften nur noch Frauen das Amt ausüben. Das ist aus linguistischer Sicht kompletter Unsinn und auch irreführend.”

Für die Geschlechterforscherin Evangeline Adler-Klausner, die an der Universität Graz arbeitet, ist die aktuelle Debatte über die Statutenänderung der Grünen der beste Beweis dafür, dass das „Mitmeinen” eben nicht funktioniere. Jahrzehnte lang wurde Frauen erklärt, dass sie im generisches Maskulinum mit gemeint wären—dreht man das Ganze jetzt um, fühlen sich die Männer ausgeschlossen, so die Geschlechterforscherin.

Dass dieses Mitmeinen schon bei Kindern nicht funktioniert, sieht man auch in einer Studie von Ulrike Rummler.” In diesem Experiment mussten sich Grundschüler einen Bauern oder einen Polizisten vorstellen. „Die Kinder dachten dabei nur an männliche Personen, was natürlich nicht der Realität dieser Berufsgruppen entspricht”, so Adler-Klausner.

Es ist nicht das erste und vermutlich auch nicht das letzte Mal, dass in Österreich über gendergerechte Sprache diskutiert wird. Zuletzt lieferte Andreas Gabalier mit seiner nicht gegenderten Hymne einen Auslöser und auch die Diskussion rund um die Korrektheit des Begriffs „Fräulein” in Frankreich und Italien hat ähnliche Wurzeln. Dahinter steht immer die Frage, wie moderne und emanzipierte Sprache funktionieren kann—und das Problem, dass bisher noch keine optimale Lösung gefunden wurde.

In den letzten Jahrzehnten wurde einiges versucht, um das zu ändern. Vor etwa 30 Jahren begann man in Österreich und Deutschland über Sprachgerechtigkeit zu diskutieren. Zirka 10 Jahre später führte man dann die Doppelform ein („Kolleginnen und Kollegen”), woraus sich wegen der Länge und Umständlichkeit dann das Binnen-I enwickelte. Für den Sprachwissenschaftler Panagl ist der Gebrauch des Binnen-I aber auch keine Lösung, da es in der gesprochenen Sprache nicht funktioniere und ebenfalls Männer ausschließen würde.

Adler-Klausner sieht das anders, man könne das Binnen-I sehr wohl mündlich verwenden, man müsse es nur richtig betonen und davor eine kurze Pause machen. „In der Sprache soll sich idealerweise aber niemand ausgeschlossen fühlen—weder die Männer noch die Frauen. Sprache soll die Wirklichkeit abbilden, darum brauchen wir eine Sprache, die das schafft.”

Wie kann man diesen Gedanken also in der Realität umsetzen? Bei dem Wort „Obfrau” sei es (zumindest im Singular) schwierig, eine allgemeine Form zu finden, von der sich niemand ausgeschlossen fühle, meint Geschlechterforscherin Adler-Klausner. Darum müsse man hier einfach kreativ werden: „Das Schöne an der Sprache ist, dass sie dynamisch ist. Man könnte zum Beispiel einfach ,der oder die Leitende der Grünen’ sagen—das wäre eine mögliche Alternative.”

In der Diskussion rund um Reinhard Schinner und die Klagenfurter Grünen geht es also, wie so oft, um weit mehr als die Veränderung der Parteistatuten. Es geht um die Frage, wie wir gendergerecht kommunizieren können—mündlich und schriftlich—und zwar so, dass es die Sprache nicht zerstört und sich trotzdem niemand ausgeschlossen fühlt. Dabei solle man vor allem eines nicht vergessen, meint Adler-Klausner: „Die Sprache hat sich schon immer verändert und wird das auch immer weiter tun. Auch wenn der Mensch grundsätzlich Angst vor Veränderungen hat, verändert er sich selbst trotzdem ständig. Darum muss es die Sprache auch tun.”

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