Mal ehrlich: Putzen ist so schon scheiße genug. Aber wenn du statt den Wollmäusen unter deinem Palettenbett blutige Hautfetzen von OP-Böden wischst – dann weißt du, dass du deine Jobwahl nochmal überdenken solltest.
Während der Schulzeit habe ich fast jedes Jahr in den Sommerferien im Krankenhaus geputzt. Den Job hatte mir damals die Mutter einer Freundin vermittelt, die selbst im Krankenhaus arbeitete. Eigentlich musste ich nur auf den normalen Stationen Betten und Nachttische abwischen, nachdem Patienten entlassen wurden. Aber als ich mich nach dem Abi wieder für den Job beworben habe, meinte mein Chef, dass ich doch auch im OP putzen könnte.
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Wir saßen in seinem kleinen, verrauchten Kellerbüro als er mir erklärte, dass das zwar anspruchsvoller wäre, ich dafür aber zwei Euro mehr in der Stunde bekomme, also insgesamt elf Euro die Stunde. Dass “anspruchsvoller” ein Synonym für ekliger war, war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst.
Erstmal freute ich mich, dass mir mein Chef eine verantwortungsvollere Arbeit zutraute. Vielleicht dachte er, mein Abi würde mich jetzt dazu qualifizieren, blutbespritzte OP-Säle zu reinigen. Ich schlüpfte in die blaue OP-Kleidung, setzte mir eine Haube auf und das Grauen nahm seinen Lauf.
Nach Unfallchirurgie-OPs war es besonders blutig
Was ich ziemlich schnell merkte: Ärzte und Ärztinnen scheinen die Reinigungsarbeit nicht besonders zu schätzen. Wenn wir putzten, fragten sie häufig genervt: “Wird das noch lange dauern?” Wenn man sie morgens auf dem Gang mit einem freundlichen “Guten Morgen” grüßte, würdigten sie mich und die anderen Reinigungskräfte nicht mal eines Blickes. Was ich aber noch schneller verinnerlichte: Wer den OP-Saal nach einer Unfallchirurgie-Operation putzen muss, hat die Arschkarte gezogen.
Ich musste mich dabei sehr konzentrieren, um nicht zu kotzen. Ich glaube, ich konnte es nur zurückhalten, weil ich wusste, dass ich sonst noch mehr hätte putzen müssen.
Als ich meinen ersten OP-Saal betrat, war dort gerade eine üble Beinverletzung behandelt worden: ein offener Bruch nach einem Motorradunfall. Auf dem Boden waren hellrote Blutpfützen und sogar an der OP-Lampe, den Fenstern und der Decke entdeckte ich Blutspritzer. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was für ein Gemetzel dort kurz vorher stattgefunden hatte. Überfordert versuchte ich, die Sauerei mit meinem kleinen Lappen zu beseitigen, aber ich verteilte das Blut nur noch mehr, bis der komplette Boden blutverschmiert war.
Mir eilte eine andere Putzkraft zur Hilfe und so schrubbten wir, bis unsere Lappen nicht mehr grün, sondern rot waren. Wir hatten Zeitdruck: Die nächste Operation sollte gleich stattfinden. Meine Kollegin meinte “also gut, das reicht”, obwohl ich noch überall Blutspritzer sah. Soviel zum Thema Hygiene in Krankenhäusern. Aber ehrlich gesagt war Blut noch okay. In anderen OPs fand ich ganz andere Hinterlassenschaften.
Die Fetzen rochen widerlich
Nachdem einem sehr kräftigen Mann ein Tumor aus dem Bauchraum entfernt wurde, lagen überall gelbe Fetzen herum. Sie rochen wie saure Milch. Ich konnte nicht identifizieren, ob es Haut- oder Fett-Überreste waren. Mit Wasser und einem Schuss Allzweckreiniger (nein, nicht mit Desinfektionsmittel) wischte ich den Schleim auf. Dabei musste ich mich sehr konzentrieren, um nicht zu kotzen. Ich glaube, ich konnte es nur zurückhalten, weil ich wusste, dass ich sonst noch mehr hätte putzen müssen.
Als ich fertig war, schmiss ich die Lappen in den Müll. Eigentlich werden sie gewaschen und wieder benutzt, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie jemals wieder sauber werden würden. Beim Raustragen der Mülltüte achtete ich penibel darauf, dass ich sie nur oben am Zipfel anfasste. Ich wusste ja nie, was andere vor mir sonst noch in die Mülleimer geworfen haben.
Irgendein Volltrottel hatte während der OP mal eine Spritze in die Mülltüte geworfen, anstatt sie in dem dafür vorgesehenen Behälter zu entsorgen. Als ich die Tüte zusammendrückte, damit mehr reinpasst, schlitzte die Spritze meinen Handschuh auf. Ich hatte Glück, dass ich sie mir nicht in meine Hand gebohrt hatte.
Irgendein Volltrottel hatte während der OP mal eine Spritze in die Mülltüte geworfen. Als ich die zusammendrückte, damit mehr reinpasst, schlitzte die Spritze meinen Handschuh auf.
Nach einer Zeit gewöhnte ich mir an, nur noch mit Mundschutz zu putzen. So konnte ich den Gestank besser ertragen. Meistens roch es nach verbranntem Fleisch, weil blutende Gefäße in einer OP mit Hilfe von Hitze verschlossen werden. Der Geruch ist so aufdringlich und stechend, dass sich mir noch heute der Magen umdreht, wenn ich daran denke. Im Urologie-Raum vermischte sich der Geruch noch mit Pissegestank.
Als ich nach zwei Wochen dachte, ich wäre endlich abgehärtet, weil ich nicht mehr bei jeder Reinigung würgen musste, bekam ich eine spezielle Aufgabe. Zusammen mit einer Kollegin wurden wir in einen OP gerufen. Ich wunderte mich, warum so viele Koffer im Gang vor der OP-Türe standen.
Meine Kollegin brach in Tränen aus
Im OP angekommen, sah ich etwa fünf Ärzte und Ärztinnen und mindestens genauso viele OP-Assistenten und -Assistentinnen, die in der Mitte des Raums um den Operationstisch herum standen. Und ich sah sehr viel Blut: Es klebte an ihren Händen, ihren Kitteln und am Boden. Naja, muss wohl ein größerer Eingriff sein, dachte ich mir. Bis ich den Patienten sah: ein Mann Mitte Dreißig mit grau verfärbter Haut, der komplett aufgeschlitzt war. Und ich verstand: Scheiße, dem Mann werden Organe entnommen – dafür also auch die Koffer. Ich hatte noch nie zuvor einen toten Menschen gesehen. Als auch meine Kollegin realisierte, was hier abging, brach sie in Tränen aus und rannte weg. Mit gesenkten Blick wischte ich die Blutlachen vom Boden.
Ab diesem Zeitpunkt wusste ich die “normale” Reinigung nach gewöhnlichen Operationen zu schätzen. Nach sechs Wochen war meine Arbeit im OP zu Ende und ich begann mein Tiermedizin-Studium. Ich glaube, ich war die einzige, die beim Häuten eines Hundebeins im Präparierkurs nicht angewidert die Nase rümpfte.
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