Wir haben uns bereits mit Österreichs Würstelstandverkäufern, Putzfrauen und Kosmetikerinnen über die schrägsten Erlebnisse aus ihrer professionellen Laufbahn unterhalten und wagen uns nun weiter vor, in eine der gefühlt unangenehmsten Berufssparten.
Zahnärzte machen den Job, der oft ein bisschen belächelt wird, aber ohne den wir alle oral wie The Walking Dead aussehen würden und öffentliche Plätze um einiges stärker abgedunkelt werden müssten. Aber vor allem machen die Karieskämpfer in Weiß einiges mit. Ich habe mich mit einer Zahnärztin unterhalten, die schon am Land und in der Stadt praktiziert hat. Für sie stellt Mundgeruch nur die kleinste Irritation des Arbeitstages dar, wenn man sich diese Geschichten anhört.
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Oralsex mit der Zahnprothese?
Einmal ist eine Frau, um die 65, in die Ordination gekommen und klagte über Schmerzen im Mund. Sie hat schon beim Anmelden der Assistentin ihre halbe Lebensgeschichte erzählt—so wie es wirklich recht viele Patienten tun. Sie erzählte, dass sie geschieden sei und alleine mit ihrem Hund wohne. Sie sah auch wirklich bieder aus, wie eine aus dem ersten Bezirk. Auf ihrem Röntgenbild war zu sehen, dass einige der Zähne in ihrem Oberkiefer gezogen werden mussten, und man diese danach nur mit einer Prothese ersetzen könne. So ein Ding, das die Leute früher über Nacht im Glas neben dem Bett stehen haben.
Es ist immer schwierig den Leuten zu erklären, wenn sie plötzlich solche Zahnprothesen brauchen. Die meisten sind dann echt fertig und wollen hauptsächlich wissen, ob es auffällt, wenn man sowas trägt, oder ob man damit normal sprechen, lachen und essen kann.
Die erste Frage dieser Dame war aber sehr direkt, nämlich ob die Prothese beim Oralverkehr störe, ob man sie „spüre” und wie sie die Prothese nach dem Oralsex wieder sauber bekommt. Meine Assistentin und ich wusste nicht so recht weiter, obwohl wir Patienten bei den meisten Dingen immer gut beraten können. Obwohl ich außerhalb meines Erfahrungsschatzes sprechen musste, versicherte ich der Frau, dass mit der richtigen Technik, Bürstchen und Seife das Problem sicherlich zu bewältigen sei. Daraufhin war sie beruhigt und war ohne eine einzige weitere Frage mit der Behandlung einverstanden. Der ungestörte Oralsex schien die einzige Sorge zu sein. Wir haben leider nie gehört, wie es ihr letztlich ergangen ist, aber hoffen, dass sie auf keine Probleme gestoßen ist.
Das ausgeborgte Gebiss
Ich kann mich erinnern, dass eine sehr, sehr alte Frau wegen eines Abszesses am Zahnfleisch zu uns in die Ambulanz kam—das ist schon einige Jahre her. Sie erklärte mir, dass sie aus einem kleinen Ort in der Nähe von Wien stamme und nun aufgrund ihres zahnhygienischen Problems in die Hauptstadt gekommen sei.
Die Behandlung des Abszesses stellte kein Problem dar. Ein kleiner Schnitt reichte und eine Drainage um den Eiter abfließen zu lassen. Die alte Frau hatte ansonsten keinen einzigen Zahn mehr im Mund. Natürlich erkundigten wir uns, ob sie denn keine Dritten hätte oder ob sie diese zu Hause vergessen hätte. Sie meinte, sie besitze so etwas nicht. Auf die Frage, ob sie ein künstliches Gebiss haben wolle, zuckte die uralte Frau mit den Schultern: Unter der Woche käme sie sehr gut ohne Zähne aus und am Sonntag für die Kirche borgt sie sich einfach die Prothese von ihrem Ehemann aus. Der gehe nämlich sowieso nicht zur Messe.
Der Stricherjunge
Beim Ausfüllen des Anamnesezettels wird ein Patient neben anderen Dingen nach der beruflichen Tätigkeit gefragt. Ein recht junger Kerl hat bei seiner Aufnahme dieses Feld überraschend ehrlich ausgefüllt und seine Profession als „Prostituierter” angegeben. Es verwunderte uns einerseits, dass er überhaupt keinen Hehl aus seinem Beruf zu machen schien, aber noch verwunderter waren wir, als er seine sehr unkonventionellen Wünsche für seine Behandlung äußerte.
Er hatte keine eigenen Zähne mehr und wollte aber nur für die obere Zahnreihe eine Prothese. Wir dachten erst, er habe vielleicht zu wenig Geld um sich für beide Zahnreihen eine Prothese leisten zu können—obwohl er eigentlich einen recht seriösen und keinen verarmten Eindruck machte. Auf unser weiteres Nachfragen und das Angebot einer finanziellen Unterstützung der Krankenkasse, betonte er, dass er einfach im Unterkiefer keinen Zahnersatz brauchen könne. Die Zähne unten würden ihn lediglich bei der Arbeit stören. Auch diese Ansage meinte er vollkommen ernst. Das nenne ich Dienst am Kunden.
Auf meine Fragen an die Zahnärztin, warum Drogensüchtige immer so beschissene Zähne haben, bekam ich die Fotovorlage für unser schönes Header-Bild des Artikels und die Erklärung: Drogenkonsum erkennt man oft an bräunlichen Defekten auf den Außen- und Innenflächen der Zähne.
Welche Drogen jemand genau nimmt, ist aber nicht so leicht an dem Schaden zu erkennen—Meth oder Speed. Bei Letzterem knirschen die Leute manchmal solange mit den Zähnen bis sie zerbröseln. Aber klar ist, je härter die Drogen, desto kaputter machen sie die Zähne. Und die Lokalanästhesiespritzen wirken bei Drogensüchtigen auch immer schlecht—da reicht schon ein regelmäßiger Kokainkonsum. Aber letztlich ist jeglicher Drogenkonsum schlecht für die Zähne, sogar Kiffen.
Es gibt Geschichten—auch am Land—, die schon ziemlich hart zu verkraften und echt traurig sind. Als eine Frau um die 30 zur Kontrolle in die Ordination kam, fiel mir auf, dass ihr im Oberkiefer fünf Zähne fehlen. Etwas verwirrt erkundigte ich mich, ob sie denn irgendeinen Unfall gehabt hätte. Ohne einen Moment zu zögern, schüttelte sie den Kopf und sagte: „Nein, die hat mir mein Mann ausgeschlagen.” Sonst kann ich dazu nicht viel erzählen. Was soll man da sagen?
Wer sich einfach nur grausliche Links anschauen will, findet auf Youtube mit Schlagwörtern wie „Zähne”, „Zahnstein” und „Maden im Zahnfleisch” sicher auch ein paar nette Horrorgeschichten.
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