Die Bundesrepublik Deutschland. Ein bunter Strauß aus Bundesländern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da fährt man morgens in Hannover los und ist bereits mittags in einem Teil des Landes, in dem man niemanden mehr versteht. Nein, wir sprechen nicht von Parallelgesellschaften und angeblich gescheiterter Integration. Wir sprechen von Sachsen, dem Saarland und anderen Bundesländern, in denen sonst noch eine derart reizend-kryptische Art von Deutsch gesprochen wird, dass man sich ganz unabhängig von Migrationshintergrund und Abstammung fremd im eigenen Land fühlt.
Diese Vielseitigkeit auf vergleichsweise wenig Fläche macht Deutschland schon allein im Wurstwaren-Segment zu einem überaus facettenreichen Land. Andererseits: Brauchen wir wirklich SECHZEHN Bundesländer? 16 Regionen mit jeweils eigener Landesregierung, eigenen Ministerpräsidentinnen und Befindlichkeiten, die so laut von den Alpen geschrien werden, dass man sie in Berlin noch hört? Kurt Beck, ehemaliger SPD-Vorsitzender und Ex-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, glaubt: nein. Und macht sich für die Zusammenlegung einiger Bundesländer stark. Wir haben analysiert, welche Länder wir hier in Deutschland wirklich brauchen – und welche Region sich besser als großangelegter Tierpark eignen würde. Wir fangen mit dem an, was so bleiben kann, und arbeiten uns zu den nutzlosesten Bundesländern vor. Wie so oft im Leben wartet die größte Enttäuschung am Schluss.
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16. Bayern
Bayern ist das Bundesland Deutschlands, das es am meisten verdient hat, eigenständig zu bleiben. Nicht, weil es so groß ist oder so reich, oder weil der Großteil klassischer deutscher Klischees sich daraus rekrutiert, dass sich beim Münchner Oktoberfest in Tracht und Lederhosen so richtig besoffen wird. Nein, Bayern muss ein Bundesland bleiben, weil niemand, absolut niemand, seiner Nachbarn Bock darauf hätte, sich mit den Weißwurst-Zutzlerinnen und -Zutzlern zusammenzuschließen. Kreuze in öffentlichen Gebäuden? Der FC Bayern? MARKUS SÖDER?! Nein, danke. Bleibt eigenständig, Bayern, und macht euer Ding. Wer weiß, vielleicht schafft ihr es ja wirklich irgendwann, euch vollends von Deutschland abzuspalten.
15. Baden-Württemberg
Baden-Württemberg darf auch intakt bleiben, aber aus anderen Gründen als Bayern: Diesem Bundesland kann man einfach nichts vorwerfen. Die Leute sind fleißig und sauber, ohne deshalb die ganze Zeit manisch “Mia san mia!” zu schreien und sich Kreuze um den Penis zu hängen. Das Wetter ist großartig, der Wein auch, und dabei bauen sie auch noch naice Autos hier und sind generell auf dem ersten Platz aller Regionen in Europa, wenn es um langweilige technische Innovationen geht, mit denen sich sonst niemand beschäftigen will. Und dieser Dialekt! Wenn die Leute da unten den Mund aufmachen, dann weiß man: So müssen die Hobbits geklungen haben. So knuffelig! Ach so: Wir reden gerade von Badisch. Das degenerierte Gegrunze, das den Leuten in Mannheim und Heidelberg aus dem Mund dringt, das ignorieren wir, so gut es geht.
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14. Berlin
Klar: Der Kampf um WG-Zimmer fühlt sich an wie ein dystopischer Jugendroman und der Flughafen BER ist schon so lange ein Running-Gag, dass er demnächst einen Rollator braucht. Nichts, absolut gar nichts bekommt der Stadtstaat hin. Aber: Berlin muss allein schon aus Imagegründen ein eigenständiges Bundesland bleiben. Ein betont verrücktes Kleinod der gelebten Internationalität, in dem den ganzen Tag Alkohol getrunken werden kann, ohne direkt ein Suchtproblem attestiert zu bekommen. Zumindest im Sommer. Berlin ist das letzte bisschen Offenheit und Laissez-faire, was sich Kruppstahldeutschland noch leistet. Belassen wir es dabei.
13. Nordrhein-Westfalen
Enn! Er! Weh! Das größte, das aufregendste, das abgefuckteste und gleichzeitig das allerdeutscheste Bundesland, das wir haben. Natürlich wird NRW mit niemandem zusammengelegt, NRW ist auch so schon fast ein Kosmos für sich. Klar, die meisten Städte hier sehen aus, als hätte jemand eine Kohlegrube mit Betonmüll und Karstadt-Filialen wieder aufgefüllt und dann “Duisburg” oder “Castorp-Rauxel” genannt, aber hey: Hier pulsiert das Leben! Der Kölner Dom, Rocker-Gangs, ThyssenKrupp, Brunnen aus Schokolade, die Mafia, der Teutoburger Wald, Kik-Straßenschlachten zwischen Neonazis und Salafisten – was will man mehr? NRW bündelt alles in sich, was Deutschland ausmacht. Und dann noch ein paar dutzend Dinge, die nur NRW ausmachen. (Karneval zum Beispiel. Der funktioniert, wenn überhaupt, nur da.)
12. Hessen
Hessen wird gerne unterschätzt oder sogar vergessen, aber das ist ein großer Fehler. Hessen hat es richtig in sich. Welches andere Bundesland kriegt es hin, gleichzeitig prollig, protzig und elegant und großartig im Fußball zu sein? “Hessen!”, ruft ihr jetzt, “Hessen? Meint der das ernst?” Aber das zeigt nur, dass ihr keine Ahnung habt, ihr Babbsäcke. Dinge, die ihr über Hessen nicht wusstet: Frankfurt am Main ist die einzige Stadt Deutschlands, in der es eine offene Crack-Szene gibt. Keine halbe Autostunde entfernt davon liegen mit dem Main-Taunus- und dem Hochtaunuskreis zwei Landkreise, die es regelmäßig in die Top Ten der reichsten Gegenden Deutschlands schaffen. Tja, da kuckter blöd, was? Hessen ist das Land der Kontraste, in dem du zuerst von ein paar Hells Angels verprügelt und dann noch von einer Hockey-Mutti im Porsche Cayenne angefahren werden kannst, ohne dass irgendjemand mit der Wimper zuckt. Wir haben Erbarmen, niemand muss sich mit den Hessen ein Bundesland teilen.
11. Sachsen
Sachsen, das kann man schonmal so sagen, hat aktuell nicht den besten Ruf. Pegida, AfD, diese komischen, viel zu glatten Holzfiguren und dann noch diese Sprache – könnte man dieses Bundesland nicht einfach auslöschen? Würde das vielleicht sogar alle Probleme lösen, wenn man das ganze Ding zum Beispiel im “Sachsen”-Teil von Sachsen-Anhalt verschwinden ließe? Außerhalb würde es keiner merken, und für die Einheimischen wäre es auch keine wirklich große Umstellung. Aber trotzdem: Sachsen muss bleiben. Klar, das Land macht psychisch gesehen gerade eine rebellische Phase durch und hängt mit den falschen Leuten (Ungarn, Polen) rum. Aber das wird vorübergehen, und dann wird Sachsen immer noch wunderschöne Städte in einer wunderschönen Landschaft, das schnellste Wirtschaftswachstum in Deutschland und den legendären Eastclub in Bischofswerda haben. Wennse halt mal offhören, de ganze Zeit so rumzuningeln.
10. Rheinland-Pfalz
Klein, aber fein, anders kann man dieses entzückende Bundesland nicht beschreiben. Bekannt ist das schöne Rheinland-Pfalz gleichermaßen für den Export von exzellenten Weinen und V2-Raketen (die aber nur im Zweiten Weltkrieg). Außerdem stehen hier mehr romantische Burgen herum, als du dir merken kannst, und den Buchdruck haben sie hier auch erfunden. Zugegeben, aktuell geht hier nicht wirklich viel ab, das man von außen mitbekommen würde, aber hey: Hier liegen Worms, Speyer, Koblenz, Mainz und Trier – praktisch die gesamte moderne deutsche Zivilisation wurde hier geprägt. Allein deshalb müssen wir das schuckelige kleine Ländchen so lassen, wie es ist.
9. Schleswig-Holstein
Marzipan und Wendy: Das sind die Dinge, die Deutschen in den Kopf kommen, wenn sie an Schleswig-Holstein denken. (Wehrt euch nicht. Wir befinden uns in Zeiten des gläsernen Nutzers, deswegen wissen wir ganz genau, was unsere Leserschaft denkt, fühlt und welche Pferdeheftchen sie in ihrer Jugend gelesen hat.) Das nördlichste Bundesland ist beliebtes Urlaubsziel, landschaftlich schön und ein sehr wichtiger Standort für die deutsche Sportpferdezucht. Klingt gähnend langweilig und ist es auch, hat aber im durchindustrialisierten Deutschland seine absolute Berechtigung. Lasst Schleswig-Holstein, wie es ist. Und errichtet Wendy Thorsteeg ein Denkmal.
8. Thüringen
Tja, Thüringen… Thüüüü-ringen. Thü ring_en. Thü-rin- _gennnnn. Ha, ist das nicht komisch, wie einem ein Wort immer fremder wird, je öfter man es ausspricht? OK, aber zu dem Bundesland, als o… mmmmh. Thüür–Moment! Ich weiß es! Dieser Typ kommt da her, der Klöße so mag! Har har, hier ist er:
Ob Thüringen jetzt eine Daseinsberechtigung hat oder nicht? Mir egal, soll es machen, was es will. Echt mal.
7. Niedersachsen
Denk dir irgendein deutsches Bundesland, zieh alles davon ab, was es irgendwie einzigartig macht, und dann zieh es auseinander, bis es viermal so groß ist: ta-daa, Niedersachsen. Niedersachsen, das Leitungswasser unter den Partydrinks. Deutschlands Antwort auf die Teile der Niederlande, wo nie einer hinfährt und deren Namen wir deshalb auch nicht kennen. Niedersachsen ist nicht schön oder hässlich, nicht entvölkert, aber auch nicht zu voll, nicht fanatisch oder besonders liebevoll. Niedersachsen ist genau wie seine Hauptstadt Hannover: absolut durchschnittlich, absolut unauffällig, absolut vergessbar. Wenn wir das VW-Werk noch schnell da raus holen und – zum Beispiel, warum nicht? – nach Hessen stecken – würde überhaupt irgendjemand merken, wenn das Land verschwindet? Und ich meine nicht irgendwo eingegliedert wird, sondern einfach leise weggluckert? Eben.
6. Hamburg
Die Reeperbahn, Fischbrötchen, die Knochensäge-Stimme von Eizi Eiz aka Eißfeldt aka Jan Delay – Hamburg hat viele Alleinstellungsmerkmale. Nur: Reichen sie, um den Status als Stadtstaat zu rechtfertigen? Oder macht es nicht deutlich mehr Sinn, das Bundesland in Schleswig-Holstein einzugliedern und dem nördlichsten Punkt Deutschland somit ein kleines bisschen Verruchtheit und Sexyness zuzuschachern? Außerdem: Wenn die Hamburger so an ihrem Stadtstaat hängen, warum sagt Jan Delay dann immer “Hamburg Ciddddyyy”? Na also.
5. Sachsen-Anhalt
Was viele nicht wissen: In Halle an der Saale gibt es das älteste erhaltene Naturalienkabinett Deutschlands, Tokio Hotel kommen aus Magdeburg und Eminem wäre fast mal in Dessau aufgetreten! Sachsen-Anhalt könnte also theoretisch eines der kulturellen Zentren der Bundesrepublik sein, das auch international ein so hohes Ansehen genießt, dass die größten Stars unserer Zeit sich die Klinke in die Hand geben. Nun ja. Könnte. Leider wurde die AfD bei der Landtagswahl 2016 zweitstärkste Kraft, was dem Image der Region etwas … abträglich war. Warum also nicht noch mal ganz von vorne anfangen, sich mit dem Nachbarbundesland Sachsen zusammentun und daran arbeiten, die Rechtspopulisten aus dem Osten Deutschlands zu vertreiben? Dann kommen bestimmt auch irgendwann die Kaulitz-Zwillinge zurück.
4. Saarland
Das Saarland ist nicht nur das kleinste Bundesland, das nicht nur aus einer Stadt besteht – es dürfte auch der Teil Deutschlands sein, der von den meisten nur dann durchfahren wird, wenn sie auf dem Weg nach Frankreich sind. Oder fällt euch irgendetwas ein, wofür das Saarland bekannt ist, außer Heiko Maas, Inzest-Witze und den ganz offiziell absurdesten deutschen Dialekt? Na eben. Wenn sich die Saarländer 1955 in einer Volksabstimmung anders entschieden hätten, würden wir die Diskussion darüber, ob die Region ein eigenständiges Bundesland sein sollte oder nicht, nicht einmal führen! Dann wäre das Saarland nämlich überhaupt nicht Teil der Bundesrepublik. Gehen wir bei der Eingliederung also noch ein Stückchen weiter und legen das Land der Lyoner-Ringwurst mit der Weinregion Rheinland-Pfalz zusammen. Zu einem Schlemmerparadies, in dem Milch, Honig und Sießschmier (Marmelade) fließen – und niemand Hochdeutsch spricht.
3. Brandenburg
Wenn wir ehrlich sind, gibt es keinen logischen Grund für Brandenburg. Trotz aller Leere, Weite und dem Charme eines potenziellen Schauplatzes für ein deutsches Breaking Bad ist das Bundesland nicht viel mehr als erweitertes Berliner Umland. Wenn jemand nach Brandenburg zieht, dann oft, weil die Familie nicht mehr in eine der überteuerten Hauptstadtwohnungen passt oder sich das jobbedingte Burnout besser auskurieren lässt, wenn man in seiner Freizeit auf braungrüne Wälder statt Bierflaschen starrt. Brandenburg ließe sich ohne Weiteres in eine Metropolregion Berlin integrieren, und es würde in Gesamtdeutschland wahrscheinlich nicht einmal auffallen. Wichtig ist nur, dass die Preise sich nicht angleichen. Und die Start-up-Gründerinnen in Berlin-Mitte und die Party-Touristen im Matrix bleiben.
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2. Bremen
Wisst ihr, an sich haben wir nichts gegen Bremen. Ist bestimmt ganz nett da irgendwie, so mit dem Hafen, den ganzen Fischen und der ehrwürdigen Geschichte als Hansestadt. Nur… gibt es das nicht schonmal? Also genau so, nur … besser, größer, schöner? Hamburg halt? Und ja, wir haben oben auch schon den Bundesland-Status Hamburgs infrage gestellt, aber hey, wenigstens ist das das Original. Bei Bremen ist die Frage gar nicht so sehr, ob es ein eigenes Bundesland verdient hat (nein), sondern ob das überhaupt sein muss. Aber gut, wir wollen fair sein! Wir brauchen zwar nur eine Hansestadt, aber welche, ist uns eigentlich fast egal. Wie wäre es, Hamburg und Bremen machen das mit einer rostigen Planke und einem Kieverhaken (oder irgendeinem anderen ausgedachten nautischen Instrument) unter sich aus? Der Gewinner muss dann zu Schleswig-Holstein ziehen.
1. Mecklenburg-Vorpommern
Deutschland ist ein ziemlich dichtbesiedeltes Land. Hier werden Arbeitsethos und Pünktlichkeit großgeschrieben und entspannt wird sich nur im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Urlaubs- und Feiertage. Grund genug, um einen Teil des Landes in eine Oase des Nichts zu verwandeln. Einen Ort, an dem der moderne Mensch, der Wölfe und andere Wildtiere nur noch von dramatisch bearbeiteten Tumblr-Posts kennt, mit seiner wilden Seite in Kontakt treten kann. Ein Ort wie Mecklenburg-Vorpommern. Was hält uns davon ab, das Bundesland komplett zu räumen und in einen weitläufigen Wildpark zu verwandeln? Nichts, absolut gar nichts. Und wer weiß: Vielleicht, ganz vielleicht, ist die Wissenschaft irgendwann weit genug, um Dinosaurier-DNA zu klonen und da, wo früher mal Rostock war, ziehen majestätische Urzeitkreaturen durchs Land. Danke, Kurt Beck. Dank Ihnen wagen wir wieder zu träumen.