
Um 17 Uhr geh ich ins Fitnessstudio und lasse mich von der Bodypump-Trainerin anschreien. Sie brüllt, keiner kämpfe allein und dass sie sehr stolz sei und: „Das sind meine Mädels!“ Ich kämpfe vor allem gegen Tränen der Rührung.
FREITAG
Mit Googles Hilfe diagnostiziere ich mir Hypersensibilität, weil ich ein sehr tiefgründiger Mensch bin, total empfindsam.
Heinrich ist inzwischen kurz davor, die Priesterweihe zu empfangen. Simona dämmert, dass sie ihm wenigstens sagen sollte, dass sie ihn liebt. Macht sie dann jetzt auch.
Mail von anderer Klinikleitung, wann ich den Sex-Roman liefern könne.
Dann ein Happy End. Simona und Heinrich küssen sich noch zärtlicher als am Mittwoch. Ich habe den Konflikt gelöst, ich alte Kupplerin. Ich verdrücke zwei Tränen.
17:15, 102 Seiten, ich ziehe den Kittel aus und lackiere mir die Nägel.
In Gold.
SAMSTAG
Ich gehe auf die Lesung eines jungen deutschen Postpop-Autors, der stolz erzählt, er brauche für 20 Seiten Text nur einen Monat.
Ich lach mich tot. Dann stirbt der beste Freund vom Protagonisten und ich weine wieder. Dann betrinke ich mich.
SONNTAG
Ich schlürfe Tee, höre Schlager und platziere mich Probe halber selbst auf dem OP-Tisch. Sollte ich hier jemals wirklich liegen, eine Operation inmitten meiner Patienten, an uns allen und mit Spiegeln durchführen, dann werde ich mir die Hände nicht desinfizieren. Dann wird der ganze Dreck des Lebens aufs Papier gelangen und sogar das Arschloch wird entzündet sein.
Für immer.
Das ist jetzt kein Happy End, das tut nur so.Mehr aus der Literaturausgabe:Eine Kurzgeschichte über DoktorspielchenWhite Trash: Jamie Rendas Unterschicht-Version von JunoLiebesrezepte aus dem Kamasutra