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Popkultur

Erkan und Stefan ist jetzt Florian Simbeck: der Sozialdemokrat mit Dauergrinsen

Florian Simbeck will nicht mehr Münchener Proll-Comedy-Gangster sein, sondern Sozialdemokrat. Die SPD braucht auch dringend frischen Wind im Wahlkampf. Stefan ist ein Showtalent, das gut bei den Leuten ankommt. Eigentlich ist er der geborene Politiker.

Nach seiner Karriere als Stefan von Erkan und Stefan musste Florian Simbeck Privatinsolvenz anmelden. Jetzt ist er zurück und auf dem Weg in die Politik. Bei der Bundestagswahl 2013 kandidiert er für ein Direktmandat der SPD.

„Hältst du auch eine Rede?“, frage ich nach unserem Händeschütteln auf dem roten Teppich. „Bist du wahnsinnig, ne!“, antwortet Florian Simbeck, den die meisten nur als den Blödel-Stefan vom Comedy-Duo Erkan und Stefan kennen.

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Die Sonne knallt uns ins Gesicht, Flo lächelt und wenn er lächelt, kannst du die Figur des Blödel-Gangsters Stefan wieder leibhaftig vor dir sehen. Stefan wirkte immer leicht dümmlich mit den breiten, hochgezogenen Grübchen, jetzt in Anzug und Krawatte aber einfach nur freundlich, vielleicht mit einem Hauch von Nervosität. Wir sind auf dem kleinen SPD-Parteitag in München. Gleich sprechen hier Peer Steinbrück und Christian Ude, während der öffentlich-rechtliche Rundfunk sie mit vier Kamerateams umschwärmt.

Wir gehen nach drinnen. Neben den Journalisten die schon seit einer halben Stunde warten, treffen jetzt auch die ersten, weniger bedeutenden Politiker im Zelt ein.

Florian wird von einem Kamerateam abgepasst: „Es ist schwierig aus den Medien in die Politik zu gehen, man spricht solchen Leuten die Ernsthaftigkeit ab“, sagt er routiniert, als man ihn auf seine Vergangenheit anspricht. „Ich werde immer ein Exot bleiben.“

Von seiner Rolle als Stefan konnte Florian sich nie richtig lösen, obwohl er einfach nur so in sie hineingestolpert war. Als die beiden Studenten damals 1994 auf Sendung gingen, bekamen sie in den ersten zwei Jahren nicht einmal Geld dafür. Radiomoderator Max Witzigmann, den sie zufällig auf einer Party trafen, suchte noch Material für seine neue Sendung. Die beiden schlugen ihm vor, er solle doch einfach was über Münchner Pseudogangstern machen—ein Thema über das sie gerne im Privaten Scherze machten.

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Wegen dieses Treffens, gilt Witzigmann heute, wie es Wikipedia  nennt, als „Entdecker“  von Erkan und Stefan. Als er die beiden daraufhin zu Radio Energy einlud, führte er sie direkt ins Studio. „Es fiel uns wie Schuppen von den Augen: Er wollte, dass wir das für seine Sendung einsprechen“, erzählt Florian. Florian war zwar nicht begeistert, aber beide lassen sich darauf ein–mit Comedy oder Schauspielerei hatten die beiden bis dato nichts zu tun. Eine Woche später hieß es dann bereits: „Wir brauchen weitere Folgen.“ Das Phänomen Erkan und Stefan war geboren.

Das Florian aus einem ganz anderen Milieu als der Pseudogangster Stefan stammt und gut seine Rollen spielt, wird dir klar, wenn du ihn reden hörst. Er wechselt fließend von bayerisch zu gestochenem Hochdeutsch, je nachdem, ob er mit den bayerischen Landei-Lokal-SPDlern oder mit den Journalisten spricht. Er passt sich an.

Als wir nach den Reden in der knallenden Sonne Schlange stehen und darauf warten, Peer Steinbrück persönlich zu treffen, knüpft er Kontakte zu anderen SPD-Mitgliedern.

Florian lacht viel dabei, achtet nicht auf jedes Wort und fährt auch keine Sätze auf, die wie einstudiert klingen. Er sagt zu mir: „Denen, die sagen, die Politiker da oben, dass sind alles Wichser, die arbeiten in ihre eigene Tasche und denen kann ich nicht vertrauen. Diesen Leuten will ich einfach die Gelegenheit geben, mich kennen zu lernen.“ Dazu fährt er ganz locker ein Show-Biz-Lächeln auf.

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Das er für das Bürgergespräch das nötige Talent hat, bestätigt auch Thomas Herker, SPD-Bürgermeister und einer seiner größten Befürworter, die ihn mit an Board geholt haben: „Wir wollen jemanden, der sich nicht durch X Gremien hochgeschlafen hat. Er ist ein Showtalent, dass gut bei den Leuten ankommt.“ Was ihn wohl auch für die SPD qualifiziert hat, ist sein Studienabschluss: Florian ist Jurist und hat erfolgreich das erste Staatsexamen absolviert.

Die Sonne knallt erbarmungslos auf uns runter. Wir warten auf unsere Audienz beim heiligen Peer. Jeder halbwegs unwichtige Land- oder Kreistagskandidat wartet hier auf ein Foto mit Grumpy Cat. „Jetzt nur keine Peer-Pressure kriegen“, witzelt Florian, als die Schlange sich in Bewegung setzt.

 „Peer, ich will, dass du mein Kanzler wirst“

Er erzählt mir, wie begeistert er von Peer Steinbrück ist, dass sei endlich mal ein Kanzlerkandidat nach seinem Geschmack. Es klingt ein wenig stolz, als er die Pointen von Peer Steinbrück rezitiert: „Merkel, die Mutti, die sich in die Furche legt. Das ist der Hammer!“, er lacht. Sowas lässt sein Komikerherz höher schlagen. Jetzt geht alles ziemlich schnell, wir haben vielleicht 20 Sekunden mit Peer, der fürs Foto sein bestes Lächeln aufsetzt. Als Florian ihm die Hand schütteln darf, raunt er ihm zu: „Peer, ich will, dass du mein Kanzler wirst“. Man merkt wie die Anspannung von ihm abfällt, als der Fototermin vorbei ist. Das Highlight des kleinen SPD-Parteitags ist vorbei. Wir steigen in sein Auto und brausen davon. Die „allerhärteste Pampa“ wartet auf uns, scherzt Florian.

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2007 zog Florian aufs Land nach Pfaffenhofen an der Ilm, für mehr Lebensqualität und um seine Kosten zu senken. Das hatte er auch bitter nötig, denn das Ende von Erkan und Stefan kam mit Schrecken. In der besten Zeit verkauften sie ihre Sketche auf CD und füllten Säälen wie den [Schlachthof](http:// http://www.im-schlachthof.de) in München—etwas, für das sich andere Comedians die Finger lecken würden.

Sie stellten eine Art von Münchner Gangster-Subkultur da, die es nie gegeben hat, sie erschufen zwei Kultpersonen, die durch ihre Filme zur Realität wurde. Der erste Film 1999 wurde 1,2 Millionen Mal in deutschen Kinos angeschaut und entwickelte in München ein kulturelles Phänomen: „Dönertier“ und „brontal“ gingen in den deutschen Sprachgebrauch ein.

Auch in meinem Freundeskreis feierten wir Erkan und Stefan, äfften sie nach. Doch ab dann ging es langsam bergab. Der zweite Film Erkan und Stefan – Gegen die Mächte der Finsternis verbuchte zwar noch 750.000 Zuschauer, aber ihr dritter Film Der Tod kommt krass brachte mit 420.000 nicht mehr die erwarteten Zahlen. Mit ihm hatten sich auch Florian und John verkalkuliert.

„Wir sind halt keine Geschäftsmänner gewesen“, sag Florian während unserer Autofahrt ins bayerische Hinterland zu mir. Den dritten Film hatten die beiden in Eigenproduktion gemacht. Ihre Schauspielgagen mussten sie dafür als Sicherheit bei der Bank hinterlegen. Nach dem Flop des dritten Films und als ProSieben ihnen zu ihrem neuen Serien Konzept über zwei Detektive eine Absage erteilte, war alles vorbei. Florian war pleite. Von ihren Filmen haben die beiden am Ende keinen einzigen Cent gesehen.

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Florian spielte kleine Rollen, machte Stand-Up-Comedy, alles was er so bekommen konnte. „Jeder hat Angst, dass die überaus dominante Figur Stefan vor jeder neuen Rollen stehen könnte und besetzt dich mal lieber nicht.“ Diese Zeit war hart. Über seine Rolle beim PayTV-Sender AXN ist er heute noch dankbar. Dort spielt er in den Beiträgen eine Rolle irgendwo zwischen Normal und einem actionbegeisterten Stefan.

2010 zwang das Finanzamt ihn trotz dem dazu Privatinsolvenz anzumelden, die Verluste aus dem dritten Teil waren einfach zu groß. „Wir waren solidarisch zum Sender. Wir haben gesagt: Wir bleiben bei euch, ihr habt uns groß gemacht. Und die lassen dich einfach fallen“, erzählt Florian über seine damalige Naivität.

Ob die SPD mit ihren Wahlverlierern auch so umgeht bleibt abzuwarten. Sein Geld verdient Florian mittlerweile als festes Mitglied der Comedy-Serie Die Komiker im Bayerischen Rundfunk.

Wir sind unterwegs zum Burger-Dialog, einer Wahlveranstaltung im tiefsten bayerischen Hinterland. Aus Stefan, der früher immer in der Öffentlichkeit als Münchner Proll auftrat, ist Florian der Familienvater geworden. Seit fast zehn Jahren ist er bereits mit seiner Frau verheiratet, hat einen Sohn und eine Tochter.

Seine Erkan und Stefan Zeit würde er gerne hinter sich lassen, aber ein Neuanfang braucht seine Zeit. Zur SPD kam er über Twitter. Durch seine Kinder nahm er erstmals an vielen gesellschaftlichen Veranstaltungen teil und begann sich für Politik zu interessieren: „Über meine kontinuierliche Meinungsäußerung über Twitter, ist die SPD auf mich aufmerksam geworden.“ So hat er auch den Kreisverbandsvorsitzenden Markus Käser kennen gelernt. Der Rest ist Geschichte.

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Lena und Tobias, die beiden Gastgeber des Burger-Dialog, erzählen mir, dass sie ihn eigentlich nur eingeladen haben, weil sie unbedingt mal den Stefan kennen lernen wollten. Und kostenlose Burger seien auch nicht zu verachten.

Seine Rolle verfolgt Florian auch hier beim Burger-Dialog und das hat er akzeptiert. Er muss für Fotos posieren und lächelt einfach weiter, als einer seiner Fans „jetzt aber ganz schön krass“ sagt, bevor er den Auslöser drückt.

So ein Burger-Dialog wäre aber trotzdem besser als jede normale Wahlveranstaltung, sagt Käser, der die Burger auf dem Grill wendet: „Da kommen dann immer zehn bis 20 Leute und 15 davon sind die eigene Leute.“ Die Einzigen, die dort mit dir ins Gespräch kämen, wären die Nörgler. Das bringe einfach nichts.

Florian will auch lieber junge Menschen anstatt Nörgel-Rentner erreichen: „Wenn etwas anderes los ist, dann gehen sie einfach nicht zur Wahl,“ sagt er über das Wahlverhalten der jungen Generation.

Er scheint zu glaube, dass er das ändern kann, sonst würde er wohl nicht beim Burger-Grillen Wählerstimmen sammeln. Noch während wir auf dem Parteitag waren, hat er mir einen Bierdeckel zugeschoben.

Darauf steht: „Jetzt Mitglied werden in der BayernSPD.“ Das ist der Hands-on Wahlkampf von dem er redet, an den er glaubt. Er hält es für möglich, selbst mich davon zu überzeugen, die SPD zu wählen. Dabei hat er natürlich immer sein markantes Lächeln aufgesetzt, dass ihm immerwährend ins Gesicht geschrieben ist–Peer Steinbrück sollte sich mal einen Workshop geben lassen.

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