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Die längste Wahl der Welt

So geht es Van-der-Bellen-Wählern in Hofer-Hochburgen

Wir haben mit Van der Bellen-Wähler über Anfeindungen, ermüdende Diskussionen und Vorurteile aus dem Freundeskreis gesprochen.

Screenshot aus dem Facebook-Video von Van der Bellen

Die längste Wahl der Welt bringt uns an die Grenzen des Erträglichen. Aber bald ist es vorbei. Hoffentlich. Eines ist jetzt schon relativ sicher: Die Hälfte aller Österreicherinnen und Österreicher wird mit dem Wahlergebnis unzufrieden sein—und sich in ihrer jeweiligen Filterblase aus Van der Bellen- oder Hofer-Wählern darüber auslassen.

Aber wie geht es denen, die nicht die Mehrheitsmeinung ihres Umfeldes vertreten, für ihre Einstellung immer wieder Anfeindungen erleben und nach der Wahl mit Sätzen wie: "Alles nur wegen Leuten wie dir" oder "Wir haben's dir ja gesagt" konfrontiert sein werden? Die Wahlentscheidung ist spätestens dann klar, wenn man die ersten Sätze einer Diskussion mitverfolgt.

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Den Zahlen zufolge gibt es außerhalb von Österreichs Städten vergleichsweise wenige, die sich am Sonntag für Van der Bellen entscheiden werden. Wir haben sie gefragt, wie sie die letzten Monate erlebt haben—hier erzählen sie in ihren eigenen Worten.

Caro*, 22, Niederösterreich

In meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es sehr viele Hofer-Wähler. Als ein Bekannter von seinem Bundesheer-Dienst an der Grenze erzählt hat und über Flüchtlinge hergezogen ist, habe ich ein paar Gegenargumente gebracht. Dann hieß es gleich: "Das war klar—die Studentin aus Wien, der Stadtmensch", obwohl ich gar nicht in Wien lebe, sondern nur in Wien studiere.

Mir wird auch öfter gesagt, dass ich keine Ahnung von der Realität habe und Hofer der Einzige sei, der gewisse Dinge in den Griff bekommen könne. Meistens geht es um die Flüchtlingsthematik, mit der argumentiert wird und ich betone dann, wie menschenunwürdig die FPÖ agiert. Das wird dann meistens belächelt.

Zum Beispiel habe ich mich darüber aufgeregt, dass im Freibad meiner Gemeinde eine Zeit lang der Eintritt für Flüchtlinge verboten war. Als ich mich dazu auf Facebook geäußert habe, ist mir durch die Kommentare klar geworden, welche Meinung meine Freunde und Bekannte vertreten. Ich war fast die Einzige, die immer wieder dagegen argumentierte. Ich war sehr verwundert, dass Leute so rechts denken—das hätte ich manchen nie zugetraut.

Mit meiner Meinung bin ich im Fußballverein wohl alleine

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Ich habe mittlerweile Freunde auf Facebook entfernt, die jeden Tag etwas von der FPÖ geteilt haben. Als mich dann eine Bekannte aus dem Fußballverein markieren wollte und das nicht mehr ging, ist die ganze Diskussion bei den Fußball-Mädels ausgebrochen. Aber ganz ehrlich, so etwas möchte ich nicht lesen. Mit meiner Meinung bin ich im Fußballverein wohl alleine. Wenn ich mal wieder genervt dreinschaue, höre ich dann Aussagen wie: "Wir wissen eh, dass du da ein bisschen liberaler bist". Danach reden wir meistens gar nicht weiter, weil es sonst eskalieren würde.

Sogar meine beste Freundin wählt Hofer—die hat aber Migrationshintergrund. Da frage ich mich schon, ob ihr noch zu helfen ist. Wir handhaben das mittlerweile so, dass wir gar nicht darüber reden. Mich kotzt es an, dass ich immer wieder argumentieren muss und es tut mir auch weh, dass meine engsten Freunde so eine Ansicht haben.

Daniel, 33 Steiermark

Meine engsten Freunde wählen Van der Bellen oder behaupten es zumindest. Man kann es ja nie wissen. Mir würden sie es auch nicht sagen, weil sie wissen, wie ich dazu stehe und dass ich teilweise ziemlich emotional reagiere. Wenn ich Hofer-Befürworter bei Gesprächen höre, lasse ich schon ab und zu einen Kommentar fallen. Aber das ist meine garstige Seite, das muss auch nicht unbedingt sein.

Ich führe gerne politische Diskussionen. Aber manche breche ich einfach ab, wenn ich das Gefühl habe, dass meine Argumente nicht ankommen und die Gegenseite nur mit Headlines aus dem sozialen Netzwerk kontert. Es bringt nichts, mit solchen Leuten zu diskutieren. Viele Hofer-Wähler kommen beispielsweise mit dem Argument, dass Van der Bellen bei den Freimaurern war, obwohl das ja eigentlich nichts Schlimmes ist.

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Hofer-Wähler halten Witze über Hofer gar nicht aus

Mittlerweile führe ich auch politische Diskussionen mit Kindern. Ich arbeite beruflich mit ihnen und merke, dass sie sehr stark von ihren Eltern geprägt sind und die wiederum von Facebook und der Kronenzeitung. 90 Prozent der Kinder sind für Hofer als Bundespräsidenten.

Ich finde auch, dass Hofer-Wähler sehr emotional reagieren, wenn Witze über ihn gemacht werden. Das halten sie gar nicht aus. Ich muss bei manchen Witzen über Van der Bellen schon grinsen, wenn sie gut gemacht sind. Das nehme ich ja nicht persönlich.

Mario, 29, Steiermark

Mein Vater wählt Hofer und ich Van der Bellen, aber das ist bei uns zu Hause bereits gegessene Sache. Wir haben ein paar Mal darüber diskutiert und ich habe echt triftige Argumente gebracht, aber ich konnte ihn natürlich nicht von meinen Ansichten überzeugen. Mittlerweile reden wir nur noch über alltäglichere Dinge.

Die meisten meiner Freunde wählen Van der Bellen. Außer einer, der ziemlich intelligent und überzeugter Hofer- und FPÖ-Wähler ist. Das gibt mir schon zu Denken. Wir diskutieren eigentlich nur über Politisches, wenn wir etwas getrunken haben, aber da lassen wir es dann nach einiger Zeit.

Mir macht es nichts aus, wenn ich mit Leuten diskutiere, die einfach nur dumme Argumente bringen. Aber wenn Leute, die ich schätze, politisch rechts stehen, das macht mir schon Sorgen. Mit Leuten die ich nicht gut kenne, diskutiere ich ja auch meistens nicht. Ich kann mich nur an eine Situation im Dorf-Café erinnern. Wir sind an der Schank gestanden und ich habe mit dem Wirt über die Flüchtlingsthematik gesprochen. Da wurde dann von einem Tisch rüber gestänkert. Aber solche Leute, die irgendwelchen Blödsinn durchs Lokal schreien, stempel ich auch als Idioten ab und beende dann die Diskussion.

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Anja, 28, Steiermark

Ich habe eine Zeit lang als Kellnerin in einem Café bei uns im Dorf gearbeitet. Dort habe ich eigentlich selten mitbekommen, dass es Probleme mit politischen Diskussionen gab und wenn, habe ich immer versucht mich rauszuhalten. Die Leute, die auf einem Tisch gesessen sind hatten ja meistens die gleiche Meinung. Einmal wollte ein offensichtlicher Hofer-Fan dem Anderen seine Meinung aufdrücken. Der andere Bursche kam mit Gegenargumenten, aber er wurde irgendwie immer leiser und der Hofer-Wähler wurde verbal aggressiver. Da war auch schon Alkohol im Spiel. Dann habe ich mich so lange dazwischen gestellt, bis sich alle wieder beruhigt haben.

Mit Leuten, die einfach keine Argumente bringen können, würde ich sowieso nicht diskutieren. Da behalte ich meine Meinung lieber für mich. Aber das Thema steht mir jetzt schon zum Hals raus. Van der Bellen ist auch nicht mein Wunschkandidat, aber ich wähle ihn um einen blauen Bundespräsidenten zu verhindern.

Philipp, 27, Burgenland

Ich bin im Fußballverein und in der Freiwilligen Feuerwehr tätig und die meisten Leute wissen wie ich zu politischen Themen stehe. Sie wissen, dass sie bei mir an der falschen Adresse sind, wenn sie gegen Flüchtlinge hetzen möchten. Ein Freund aus dem Fußballverein hat mir einmal ein Meme gegen Van der Bellen gezeigt. Ich habe dann zu ihm gesagt: "Du weißt schon, dass du das dem Falschen zeigst". Er meinte dann: "Ach so, so einer bist du. Du bist also nicht für die Veränderung." Da habe ich ihm dann erklärt, er soll jemand anderen mit dem Meme belästigen und ging dann einfach weg.

Ansonsten reden wir im Verein eher über den Sport. Bei der Feuerwehr kommen schneller politische Themen auf und ich muss sagen, dass ich mich mittlerweile nicht mehr wohl fühle. In der WhatsApp-Gruppe der Feuerwehr werden oft irgendwelche rassistischen Sachen reingestellt und das ärgert mich sehr—es sollte doch schließlich um organisatorische Dinge gehen.

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Ich wohne in einem Nachbarort von Hofers Heimatgemeinde und ich denke, dass ihn fast alle wählen, weil sie ihn indirekt kennen

Auch meine Nachbarn, die ich gerne auf ein Bier in der Garage besucht habe, haben schon öfter rassistische Aussagen gemacht. Sie haben mir einmal von einem jungen Bauern erzählt, der gestorben ist und sagten Dinge wie: "Der hat sein ganzes Leben lang fleißig gearbeitet und die Flüchtlinge bekommen alles in den Hintern gesteckt." Ich war so schockiert darüber und sagte: "Habt ihr ernsthaft den Tod von diesem Mann mit der Flüchtlingsthematik verglichen?" Ich hab dann mein Bier stehen gelassen und bin nach Hause gegangen. Seitdem war ich nicht mehr dort, weil ich ihnen nicht mehr ins Gesicht schauen kann.

Das sind Leute, die ich seit meiner Kindheit kenne und ich bin echt schockiert über ihre Ansichten. Es tut mir auch irgendwie weh. Ich finde schon, dass die politische Diskussion der letzten Monate etwas in meinem Freundeskreis bewegt hat und hab das Gefühl, dass ich viele Freunde verloren habe.

Ich wohne in einem Nachbarort von Hofers Heimatgemeinde und ich denke, dass ihn fast alle wählen, weil sie ihn indirekt kennen. Da höre ich Sätze wie: "Der Hofer ist so ein lieber Kerl. Der kann keiner Fliege was zu Leide tun". Dieses Gerede gehört schon fast zu den Stammtischgesprächen in meiner Gemeinde. Sogar der Ortsvorsteher (ÖVP) hat am Tag der Stichwahl auf seiner Facebook-Seite geschrieben, dass die Hofer-Wähler am Sonntag und die Van der Bellen-Wähler besser am Montag wählen gehen sollen.

* Namen von der Redaktion geändert

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