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Eine Postkarte aus Wales - Hallo Mama und Papa, ich lebe in einer Heroin-Epidemie

Die kleine Stadt Swansea im Süden von Wales ist im Griff einer Heroinepidemie.

Das hier ist Amy. Mit 14 hat ihre Mutter sie angefixt und sie an Bordelle verkauft, um Geld für die Familie zu machen

Die kleine Stadt Swansea im Süden von Wales ist im Griff einer Heroinepidemie. Woher ich das weiß? Naja, ich habe drei Monate lang mit einer Gruppe junger Heroinsüchtiger gelebt. Die Drückerstube, in der sie täglich ihre Nadeln austauschen, hat vor Kurzem gemeldet, dass es in den letzten vier Jahren eine Zunahme von 178% bei den registrierten Heroinnutzern in der Stadt gab.

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Warum ist das passiert? Wie ich es sehe, regelt das Angebot die Nachfrage. Swansea war einmal ein funktionierender Hafen mit Schwerindustrie, aber die Thatcher Jahre und die Globalisierung haben dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit hoch ist und die Chancen für Jugendliche aus der Arbeiterklasse einen Job zu finden, niedrig. Es ist aber möglich als mittelgroßer Heroindealer mehr als 1.500£ am Tag zu machen.

Die Leute die ich hier getroffen habe, haben mir erzählt, dass es einfacher ist Heroin in Swansea zu bekommen als Cannabis, was dazu führt, dass es mehr Langzeitsüchtige gibt und die damit verbundene Spirale des Verfalls.

Das Ergebnis? Sehr viele Heroin-Dealer, die billiges, gepanschtes Heroin an immer jüngere Konsumenten verkaufen. Als ob das noch nicht genug wäre, hat eine andere Studie vor Kurzem belegt, dass in den letzten 13 Jahren die Zahl der Leute, die sich mit Hepatitis C durch eine Nadel angesteckt haben um 1.612% gestiegen ist

Was ich sonst noch rausgefunden habe? Naja, viele andere Sachen, die von Statistiken nicht erfasst werden können. In einer Stunde kannst du hier mehr über jemanden erfahren, als in drei Monaten sinnlosem Pendler-Smalltalk in London. Das Leben ist anders hier.

An einem Sonntagmorgen laufe ich mit John Frith, der für das Swansea Drug Project (SANDS) arbeitet, durch die Stadt. John hat mehr gesehen als die meisten und er hat den Mut, das zu nutzen, um den Heroinsüchtigen zu helfen. Er ist sehr respektiert hier und er stellt mich schnell ein paar Leuten mit ihren Meinungen vor, die meine nächsten vier Tage prägen werden.

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Das ist Becky in ihrer Wohnung. Wochen später wurde sie aus der Wohnung rausgeworfen, weil ein anderer Bewohner sie beschuldigte, dass sie Drogen verkaufen würde.

Ich kann mich schnell in die Leben anderer eingewöhnen. Da ist zum Beispiel Becky, die laut mit sich selbst redet und keine Kontrolle über die Stimmen hat, die sie im ihrem Kopf hört; ihre Finger sind von Diabetes verkrümmt. Und Max—seine Beine werden von tiefer Beinvenenthrombose zerfressen und er leidet unter Hepatitis C, er ist 42 und hat eine trostlose Zukunft vor sich. Die beiden wohnen in einem Haus vom Sozialamt am Rand der Stadt.

Während ich am Wasser entlang laufe, treffe ich Simon, der angelt und seinen Hund Charlie mit Brocken aus dem benachbarten Pub füttert. Er kratzt seinen dichten Bart und erinnert sich an Boottrips nach Irland in seiner Jugend, die er nur mit „Augen auf der Rückseite seines Kopfes" überlebt hat.  Es fahren keine Boote mehr nach York.

Als ich die Wind Street hochlaufe halte ich bei Joanne an, die ziemlich nervös ist. Der Typ, der sie angegriffen hat ist aus dem Knast entlassen worden und ist wahrscheinlich bald zurück in der Stadt. Ihre Geschichte hat traurige Ähnlichkeit mit denen von vielen anderen, die ichgetroffen habe. Die Geschichte geht normalerweise so: „Ich habe mit dem Trinken angefangen nachdem mein Vater [Selbstmord begangen hat], aber als meine Mutter abgehauen ist [als ich 15 war], wurde es richtig schlimm."

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Becky und Neil sind erst kurze Zeit zusammen. Sie liegen auf dem Bett und unterhalten sich darüber Aquarien zu stehlen um sie zu verkaufen und so an Drogengeld zu kommen. Becky ist noch nicht lange wieder aus dem Knast raus, nachdem sie gesessen hat, weil sie einem Zivilbullen Drogen verkaufen wollte. Als sie Spritzen vorbereiten sieht man ihre Routine, alles läuft flüssig—das Spritzbesteck ist sauber, sie haben es von SANDS—und schnell driften sie weg. Die meisten Heroinsüchtigen fangen früh an und ziemlich oft hat ein Verwandter mit den falschen Ideen was damit zu tun.

Ich habe ein paar Leute nur einmal getroffen und danach waren sie weg, oft ohne irgendein Ziel, aber trotzdem in Eile. Lee und Leanne brauchen zum Beispiel Geld für eine Mietkaution. Sie brauchen £200 für einen sechsmonatigen Vertrag. Sie müssen auf der Couch von Freunden schlafen—Teil der versteckten Obdachlosen, über die es keine Statistiken gibt.

John hatte mir von einem jungen Paar erzählt, das vermutlich zu chaotisch wäre, als dass ich ihnen folgen oder mich mit ihnen beschäftigen könnte. Weder Amy noch Cornelius hatten ein Telefon, deshalb war es ein Zufall, dass wir uns bei der Frühstücksausgabe für Obdachlose trafen und einander vorgestellt wurden. Amy war grade aus dem Krankenhaus draußen, nachdem sie sich auf einem Zaun aufgespießt hatte; Cornelius half ihr klarzukommen. Sie sind seit fast vier Jahren zusammen. In den nächsten paar Tagen habe ich viel Zeit mit ihnen verbracht, meistens nachts, wenn sie große Flaschen Big Storm Cider tranken. Sie beschreiben den Entzug von Heroin „wie die Grippe, nur 1000 mal schlimmer." Das Leben auf der Straße ist für sie wie eine abgefuckte Version der Reise nach Jerusalem. In der Lücke hinter der Wand des Anwaltsbüros zu schlafen geht zum Beispiel nicht mehr, weil sie von dort grade verjagt wurden.  Cornelius hat eine alte Matratze gefunden und der Plan ist jetzt, eine leerstehende Garage zu besetzen, die sie vorher entdeckt hatten. Sie reden offen darüber, dass sie gerne das Leben hätten, das wir kennen. Amy würde gerne Psychologie studieren. „Du siehst wie Leute arbeiten und was mit ihrem Leben anfangen, und das schaffe ich nicht—das deprimiert mich am meisten," sagt sie.

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Die beiden haben keine Familie die ihnen hilft. Die Mutter von Amy hat sie angefixt und sie zur Prostitution gebracht. In der Nacht in der ich sie zum letzten Mal gesehen habe, hatten sie einen Riesenstreit. Sie hatten drei Liter White Storm in weniger als 40 Minuten runter gekippt. Amy, die erst 18 ist, hatte letztes Jahr eine Fehlgeburt. Sie und Cornelius sind beide auf Methadon und die beiden trinken täglich jeweils drei große Flaschen Cider.  Ohne das Getränk zittern sie morgens, haben Schweißausbrüche, eine verdrehte Logik und der Tag ist ein schmerzhafter Kampf.

Adam Patterson ist der Koproduzent von „Swansea Love Story", einem Film von Andy Capper and Leo Leigh, der bald auf VBS.TV gezeigt wird. Schau dir den Trailer hier an.

Das hier ist Amy, wie sie ein sauberes Spritzbesteck vorbereitet.

Becky und Neil bereiten Heroin vor.

Ein Brief von Cornelius an die Vice Leser.

Spritzen, die beim Swansea Drug Project (SANDS) verteilt werden sollen.

In Parks und Gassen werden oft dreckige Nadeln gefunden. Viele der Süchtigen finden das schlecht, vor allem weil das Swansea Drug Project saubere Nadeln verteilt. Wegen der begrenzten Mittel ist die Einrichtung an den Abenden und den Wochenenden geschlossen.

Das ist einer der Orte an dem Obdachlose spritzen und an dem eine primitive Form von Privatsphäre und Schutz geboten wird.

Weggeworfene Fahrräder und Kinderwägen.

Becky starrt aus ihrem Wohnzimmerfenster.

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Max und Becky in ihrem Wohnzimmer.

Rosen und Special Brew auf einer Fensterbank.

Becky repariert ihr Telefon währen ihr Freund Max am Computer arbeitet. Obwohl Becky erst 29 ist, sind die beiden schon seit 14 zusammen. Die ersten acht davon auf der Straße, jetzt leben sie in einer Sozialwohnung und genießen den Platz und die Sicherheit.

Becky und ein gerahmtes Foto von The Clash.

Amy und Cornelius streiten, nachdem sie entdeckt haben, dass die Garage in der sie eigentlich schlafen wollten abgesperrt ist. Ohne eine andere Option für die Nacht, und nachdem ihr Cider verbraucht ist, brauchen sie einen neuen Plan.

Nach Jahren starken Drogenmissbrauchs hat Becky starke Kopfschmerzen und Paranoia.

Max organisiert die Lieferung neuer „Medizin."

Becky vor ihrer Tür.

Becky zeigt ihre Tattoos kurz nachdem sie gespritzt hat.

Lee und sein Hund vor dem SANDS.

Becky und Neil ruhen sich auf dem Bett aus.

Amy und Cornelius mit ihrer Flasche White Storm Cider.

Amy mit gespendetem Essen, das im SANDS beim wöchentlichen Frauen-Morgen verteilt wird, der ins Leben gerufen wurde, um die Frauen dazu zu bringen, mehr auf ihre Gesundheit zu achten.

Becky und Neil nachdem sie Heroin genommen haben. Becky wurde vor Kurzem in einem Projekt für Heroinsüchtige untergebracht. Mit 21 hat sie seit sieben Jahren immer wieder auf der Straße gelebt.

Dieser Obdachlose wacht jeden Morgen mit der Sonne auf. Er schläft lieber am Strand als in der Stadt, weil er dort allein sein kann. Hier trocknet er grade seine Tau durchtränkte Matratze.

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Clint und ein Freund suchen Venen, um rein zu spritzen.

Cornelius kommt aus dem Laden zurück, er hat eine Matratze in einem Container entdeckt.

Amy und Cornelius streiten sich wegen ihrem Cider.

Amy und Cornelius tragen ihre Matratze zu einer alten Garage von der sie denken, dass sie leer steht, und die einen guten Unterschlupf für die Nacht bieten würde.

Cornelius und Amy auf den Stufen des Swansea Drug Projekts. Das Projekt hilft den Süchtigen in der Stadt mit einem Nadeltauschprogramm, Bluttests und einer angenehmen Atmosphäre.

Amy schläft auf der Straße, während Cornelius versucht Geld für mehr Cider aufzutreiben.

Lee küsst seine Freundin, während seine Freunde ihren Besitz organisieren.