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Die längste Wahl der Welt

Kommt mit Norbert Hofer wirklich der Öxit aus der EU?

In der Vergangenheit war Norbert Hofer klar für den EU-Austritt, jetzt ist er eher dagegen. Was stimmt?

Die Bundespräsidentschaftswahl ist zwar in die Adventszeit verschoben, aber der Wahlkampf geht trotzdem weiter—mit Verschwörungstheorien, Fernsehinterviews, Volksfestauftritten und einer Debatte darüber, wie EU-feindlich die FPÖ jetzt eigentlich wirklich ist.

Letztere wurde vor allem durch eine populistische Kampagne des Industriellen und Ex-Nationalratsabgeordneten Hans Peter Haselsteiner ausgelöst, der eine Wahl Norbert Hofers zum neuen Bundespräsidenten verhindern will.

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Ausschlaggebend für dieses Engagement Haselsteiners gegen Hofer—und damit konsequenterweise für Alexander Van der Bellen—ist die in der Vergangenheit alles andere als positive Haltung der FPÖ gegenüber der Europäischen Union.

Haselsteiner und sein Team sind sich sicher, dass mit Hofer der Öxit kommt (weniger von der FPÖ geprägte Synonyme wären zum Beispiel Outstria, AUsTritt, AUT-Ritt, oder Östritt). Das macht die Kampagne auch gleich im ersten Video, das noch aus Zeiten vor der Wahlverschiebung stammt, unmissverständlich klar:

Das erste Video der Kampagne Nein zum Öxit!

Für die FPÖ stellt die Kampagne Nein zum Öxit! eine potentielle Bedrohung dar, da sie bis zu einer Million Wählerinnen und Wähler erreichen soll. Entsprechend aggressiv reagierte der FP-Generalsekretär Herbert Kickl auch auf sie: "Hinter diesen wahrheitswidrigen Inseraten steckt die gesamte linke Van-der-Bellen-Unterstützergruppe", schreibt Kickl in einer Aussendung. Haselsteiner selbst bezeichnet er als "eitlen Milliardär", der mit seiner Kampagne "nicht gegen den Öxit, sondern gegen die Selbstbestimmung Österreichs" mobil mache.

Dass ein sozial engagierter Industrieller und der Generalsekretär einer nationalistischen Partei nicht unbedingt die besten Freunde sind, liegt ebenso auf der Hand, wie dass Haselsteiner mit seiner Kampagne einen wunden Punkt der FPÖ und eine mögliche Schwachstelle in Norbert Hofers Wahlkampf getroffen hat.

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Spätestens seit dem Referendum über einen Austritt Großbritanniens aus der EU und seine wirtschaftlichen Folgen ist der antieuropäische Kurs der FPÖ deutlich milder geworden als in den Monaten zuvor. Während Harald Vilimsky, FP-Abgeordneter im EU-Parlament, noch im Februar einen "saftigen Rot-weiß-rot-Rabatt sowie auch andere Besserstellungen" für Österreich forderte und andernfalls mit dem "Austritt Österreich aus der EU, quasi dem Öxit" drohte, will Norbert Hofer davon heute nichts mehr wissen. Anfang Juli sagte der Präsidentschaftskandidat gegenüber der Presse: "Für Österreich wäre es zweifellos ein Schaden, nun aus der EU auszutreten."

"Um unsere Freiheit zurückzugewinnen, müssen wir die Ketten der WTO abschütteln. Um aus der WTO austreten zu können, müssen wir zuvor aus der EU austreten."

Dabei klang Norbert Hofer aber schon einmal ganz anders. Zum Beispiel am 3. November 2007, als er in seiner damaligen Funktion als FPÖ-Umweltsprecher in einer Presseaussendung ganz klar von einem Austritt Österreichs aus der Europäischen Union sprach und eine "Bevormundung und Entrechtung" des österreichischen Volkes durch "demokratisch nicht legitimierte Institutionen" ortete.

Wörtlich schrieb Norbert Hofer damals: "Um unsere Selbstbestimmungsfähigkeit und Freiheit zurückzugewinnen, müssen wir die Ketten der WTO abschütteln. Um aus der WTO austreten zu können, müssen wir zuvor—das ist festgelegt—aus der EU austreten. Genau das müssen wir folglich, soll Österreich wieder als souveräner Staat bezeichnet werden können."

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Freilich könnte man Hofer nun seine neue Argumentation abkaufen, der zufolge ein Öxit für ihn nur dann in Frage käme, wenn zum Beispiel die Türkei der EU beitreten würde oder das EU-Parlament zu einem zentralistisch bindenden Organ für die Mitgliedsstaaten werden würde. Immerhin betonte er erst vor kurzemim Interview mit Armin Wolf, dass er in den letzten Monaten "natürlich reifer geworden" sei und "ja soviel dazugelernt" habe.

Trotzdem ist uns eine Aussage des "alten" Hofers aus dem Wahlkampf immer noch in Erinnerung. "Ich bin ein freiheitlicher Kandidat und vertrete freiheitliche Positionen. Davon werde ich auch nach der Wahl keinen Millimeter abgehen", erklärte er damals gegenüber dem Kurier.

Für das, was freiheitliche Positionen in Bezug auf die EU-Mitgliedschaft Österreichs sind, gibt es viele Beispiele. Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache warb zum Beispiel noch im Mai 2015 damit, ein Volksbegehren für den Austritt aus der EU zu unterstützen. Und auch auf der offiziellen Website der FPÖ heißt es: "Für die FPÖ ist ein Austritt aus einer Europäischen Union, die sich zu einem Zentralstaat entwickelt und die Grundsätze der Subsidiarität und der Demokratie mit Füssen tritt, kein Tabu".

Zwar wird von Norbert Hofer und anderen FPÖ-Funktionären gerne betont, dass eine Austritt aus der EU nur ein "Ultima Ratio" sei und mit gewissen Entwicklungsrichtungen der EU, zum Beispiel dem Ausbau des Zentralismus oder neuen Regulierungsverträgen, zusammenhängen würde. Doch davon ist in einem Parlamentsantrag von FPÖ-Abgeordneten vom 27. Jänner 2016 nichts zu lesen. Darin heißt es, es sei "unerlässlich, dass als erster Schritt in Richtung Volksabstimmung eine Volksbefragung über den Austritt Österreichs aus der EU abgehalten" würde.

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Screenshot vom Parlamentsantrag. Den gesamten Antrag findest du hier.

Woher kommt also dieser plötzliche Sinneswandel der FPÖ-Spitze? Fakt ist, dass die FPÖ in aktuellen Umfragen zur nächsten Nationalratswahl klar auf Platz 1 liegt. Eine Umfrage des Gallup Instituts vom 9. September sieht die FPÖ etwa bei 34 Prozent, während die SPÖ als zweitstärkste Kraft gerade einmal auf 26 Prozent kommt.

Nun wissen wir natürlich spätestens seit dem Prognosedebakel bei der letzten Wien-Wahl, dass man den Umfragen der diversen Institute nicht allzu viel Glauben schenken sollte. Trotzdem geht eines aus den aktuellen Statistiken ganz klar hervor: Die FPÖ liegt Bundesweit bei weit unter 50 Prozent.

Um Bundespräsident zu werden, muss Norbert Hofer jedoch auf zumindest 50 Prozent plus eine Stimme kommen. Wenn man sich die aktuelle Statistik der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik zur Frage, ob Österreich Mitglied der Europäischen Union bleiben soll, ansieht, wird deutlich, dass gerade einmal 31 Prozent der Wählerinnen und Wähler einen Austritt aus der EU befürworten.

Quelle: Österreichische Gesellschaft für Europapolitik

Die Tatsache, dass Norbert Hofer also beim Thema EU wesentlich schlechter dasteht als sein Gegenkandidat Alexander Van der Bellen, könnte der wirklich ausschlaggebende Grund für die plötzlich versöhnenden Töne des eigentlich nationalistischen und vormals EU-feindlichen Präsidentschaftskandidaten sein.

Die FPÖ vollzieht wieder einmal einen geschickten Spagat und sagt etwas anderes als sie eigentlich meint. Denn während sich Strache, Hofer und Co. bei Presseterminen als EU-reformistisch geben und vom Öxit nur als letztem Ausweg sprechen, wird an der Basis weiterhin die Werbetrommel für Volksabstimmungen—etwa über zentrale EU-Verträge wie Schengen und ESM—geschlagen und auf Stimmenfang im EU-skeptischen Lager gegangen.

Im Falle einer Wahl Norbert Hofers zum Bundespräsidenten wird einem möglichen Öxit jedenfalls der Weg bereitet. Soweit hat Haselsteiner recht. Ob das weiterhin im Schafspelz oder wieder ganz offen wie damals im Jahr 2007 geschieht, wird sich wohl erst nach der Wahl am 4. Dezember herausstellen. Vorausgesetzt die Wahl findet dann auch wirklich statt—und vorausgesetzt, Norbert Hofer muss sich nicht wieder seinem Kontrahenten Alexander Van der Bellen geschlagen geben.

Paul auf Twitter: @gewitterland