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Wovor hat Deutschland diese Woche Angst?

Die Islamisierung des Abendlandes, Euro-Verschwörungen und das Aussterben der Handschrift—wir klären euch über die aktuellen Bedrohungen für unser Vaterland auf.
Kameras (Jonathan McIntosh | Flickr | CC BY-SA 2.0), Demo (Markus Winkler | Flickr | CC BY-SA 2.0), Kind (marin | Flickr | CC BY 2.0), Angela Merkel (Vice Media), Sparschwein (Images Money | Flickr | CC BY 2.0)

Credits Header-Foto: Kameras (Jonathan McIntosh | Flickr | CC BY-SA 2.0), Demo (Markus Winkler | Flickr | CC BY-SA 2.0), Kind (marin | Flickr | CC BY 2.0), Angela Merkel (Vice Media), Sparschwein (Images Money | Flickr | CC BY 2.0)

Wenn wir uns nicht gerade mit den ganz großen Problemen unserer Generation beschäftigen, auf Demonstrationen für Einigkeit und Recht und Freiheit abhängen oder die Heulsuse der Woche küren, denken wir über unser Land nach. Was ist Deutschland? Was braucht Deutschland? Wovor fürchtet es sich—neben Chemtrails und als Regierungsvertreter getarnten Reptilienmenschen—wirklich? Bringen wir uns zu den Bedrohungen für das deutsche Vaterland doch einmal auf den neuesten Stand.

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Der Islamisierung des Abendlandes

Wie jeden Montag in der jüngeren Zeitrechnung fanden sich auch diese Woche bundesweit Tausende Pegida-Anhänger zusammen, um gemeinsam gegen die Islamisierung des Abendlandes, vor allem aber Ausländer in Deutschland und irgendwie auch gegen die „Lügenpresse" (nicht ganz zu Unrecht Unwort des Jahres) zu demonstrieren. Wie die Wochen zuvor steht „das Volk" zwar immer noch nicht für die Mehrheit der Bundesrepublik Deutschland, tatsächlich scheint der Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo die allgemeine Besorgnis aber ordentlich angekurbelt zu haben.

Sowohl Günther Jauch als auch Sandra Maischberger diskutieren das Thema Terror, Islamismus und was das alles mit dem Islam im Allgemeinen zu tun hat und kamen dabei nicht so wirklich zu einem Ergebnis. Dass sich al-Qaida mittlerweile zum Anschlag auf die Pariser Redaktion bekannt hat, dürfte die Diskussionen auch in den kommenden Wochen noch weiter anheizen. Wie Muslime in Deutschland mit den aktuellen Geschehnissen umgehen, könnt ihr übrigens hier nachlesen.

In Pforzheim kam es diese Woche zur Durchsuchung von mehreren Wohnungen mutmaßlicher Islamisten und auch in Wolfsburg wird aktuell wegen der „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" gegen Dschihadisten ermittelt. Heute morgen wurden in Berlin im Rahmen einer Razzia zwei Männer verhaftet. Während in verschiedenen Teilen der Republik nach möglichen Terroristen gefahndet wird, ist der Journalist Jürgen Todenhöfer direkt in eins der Zentren des Islamischen Staats gereist und hat in Mossul einen der Menschen getroffen, die Deutschland verlassen haben, um für die Wiedereinführung des Kalifats zu kämpfen. Das Video zeigt zwar einen jungen Mann, der mehr nach RTL-Nachmittagsprogramm als nach Terrorist aussieht, was er voller Überzeugung in die Kamera sagt, ist dafür aber umso gruseliger.

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Dem Ende des Euros

Bereits in der letzten Woche sorgten die Überlegungen Griechenlands, aus der Eurozone auszutreten, für ziemliche Aufregung. Während dieses spekulative Szenario für Deutschland vor allem eine hohe finanzielle Belastung bedeuten würde, mag es ganz real und aktuell den Kursfall des Euros an sich mit beeinflusst haben. Grundlegend sind diese Schlagzeilen aber vor allem eines: Das Spiegelbild der stetig vor sich hinschwelenden Unzufriedenheit mit unserer Währung, die der AfD als Partei überhaupt erst zu ihrer jetzigen Größe verholfen haben dürfte.

Zu allem Unglück scheinen Verschwörungstheoretiker auch noch einer ganz brandheißen Sache auf die Spur gekommen zu sein: einer heimlichen Währungsreform, die bereits seit Längerem von Wirtschaft, Politik und Medien vorbereitet wird. Die einzige Alternative, um demnächst nicht komplett enteignet zu werden: vom Euro zu Gold wechseln.

Der totalen Überwachung

Nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo war plötzlich wieder ein Thema in aller Munde, das man medial schon beinahe zu den Akten gelegt hatte und als Gesetzesentwurf bereits 2010 vor dem Europäischen Gerichtshof scheiterte: die Vorratsdatenspeicherung. Hinter diesem Begriff verbirgt sich das offizielle Go für Internet- und Telefonanbieter, die Daten des jeweiligen Users für einen längeren Zeitraum systematisch zu speichern, damit—im Falle eines konkreten Tatverdachts—die Polizei beispielsweise Telefongespräche, E-Mails und Kontakte auswerten kann. Von „wir wollen die Welt ja nur sicherer machen" zu „wir überwachen alle Bürger" ist der Gedankensprung allerdings nicht weit, deshalb steigt innerhalb der Bevölkerung die Angst vor einem ähnlichen Totalüberwachungshorrorszenario, wie es George Orwell bereits in seinem Buch 1984 beschrieb.

Während der deutsche Ableger des russischen Staatssenders Russia Today wenig überraschend an vorderster Front gegen die „Verschärfung der Sicherheits-Agenda" von „rechtspopulistischen Kräften" wie der CSU wettert, bezeichnete die Süddeutsche den Vorschlag als „Gift für die Pressefreiheit". Auf politischer Ebene ist man sich gewohnt uneins, zuletzt positionierte sich auch SPD-Fraktionschef Oppermann klar gegen die Vorratsdatenspeicherung und sprach sich gegen „hektischen Aktionismus" nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo aus.

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Unzureichender Überwachung

Und dann gibt es da noch die andere Fraktion. Die, die in den Anschlägen auf die französische Pressefreiheit den perfekten Anlass dazu sieht, erneut effektivere Terror-Frühwarnsysteme zu fordern. So fordert Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer jeden Überwachungsgegner dazu auf, „sein eigenes Leben in die Waagschale für die Freiheit" zu werfen, und beschwört den Leser, mehr Vertrauen in den Staat, die Polizei und die Obrigkeit im Allgemeinen zu haben. Schließlich ginge es nur um das „Aufbewahren von ein paar Datensätzen". Derweil will man bei der Bild den wahren Verantwortlichen für die 12 Charlie-Hebdo-Toten bereits gefunden haben: Edward Snowdon. Schließlich hat der mit seinen NSA-Enthüllungen überhaupt erst offengelegt, wie Überwachung zu „Sicherheitszwecken" eigentlich so funktioniert, und den terroristischen Vereinigungen dieser Welt damit direkt in die Hände gespielt.

Besonders interessant ist allerdings die diesbezügliche Diskussion auf politischer Ebene. Die Kanzlerin höchstselbst, an deren Telefongesprächen die NSA ebenfalls großes Interesse hat, setzt sich klar für eine längere Aufbewahrung von Kommunikationsdaten der deutschen Bürger ein und scheint dabei nicht nur die CDU/CSU, sondern auch Teile der SPD im Rücken zu haben. Die offizielle Begründung auch hier: Eine ausgeweitete Überwachung des deutschen Bürgers sorgt für ein sichereres Deutschland. Schließlich gäbe es „Radikalisierungsprozesse in Deutschland, bei denen sich Personen äußerlich und innerlich bis hin zu ihren Essgewohnheiten verändern", so Innenminister de Maizière.

Dem Aussterben der Handschrift

In dieser Woche befeuerte der Tweet einer 17-jährigen Schülerin bereits eine „Bildungsdebatte" über den Sinn und Unsinn des hiesigen Lehrplans. Zusätzlich sorgte allerdings auch noch eine Meldung aus dem nicht ganz so fernen Ausland für Angstschweiß auf der Stirn deutscher Pädagogen. Ausgerechnet in Finnland, dem strahlenden Mehrfach-Sieger der PISA-Studie, soll ab 2016 das handschriftliche Schreiben aus dem Unterricht verbannt und durch das frühstmögliche Arbeiten mit einer Tastatur ersetzt werden. Von einem Verbot des handschritlichen Schreibens kann zwar nicht gesprochen werden, die Schreibschrift als solche ist für finnische Pädagogen im Rahmen der Schreib- und Leseausbildung aber nur noch optionales Lernziel.

Eine derart radikale Reform des hiesigen Schulsystems ist bisher zwar noch nicht einmal im Gespräch, Experten halten diese Entwicklung aber trotzdem für fatal. Schließlich zeigen sich schon jetzt deutliche Mängel im Schriftbild deutscher Schüler, bei denen „die Handschriften unleserlich sind, das Schriftbild nicht genügend ausgeformt ist und vor allem beim schnelleren Schreiben auseinanderfällt."

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