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Sex

Ein Männerclub für den Mann

Eines Nachts sah ich den Dokumentarfilm Gay Sex In The 70s. Ratet mal, worum es sich darin dreht! In einer Sequenz vertieft sich der Film in die Welt der schwulen Badehäuser. Dieser alte Spot für einen Ort namens Man's Country fiel mir dabei sofort ins Auge. Was für ein freundliches Spa das wohl sein mag…

Chuck Renslow, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein schillerndes Licht der Chicagoer Schwulenszene (als Herausgeber, Kneipenbetreiber und politischer Aktivist), eröffnete im Jahr 1972 das sehr beliebte Man's Country Chicago. Mit Traumräumen wie "ein 1:1-Modell eines LKWs, in dem Besucher Sex in der Kabine bzw. im Fond haben können" wurde Man's Country legendär. In den frühen 70ern hat die Bar Bette Midler hervorgebracht. Sie wurde begleitet von Barry Manilow, während sie selbst Poppers in die Menge warf. Trotzdem sind einige Bewertungen, die im Umlauf sind, weniger wohlwollend, es herrschen Beschreibungen von einem "furchtbaren Zustand des Verfalls", dem "Gestank sehr abgestandener Popper" und einer Luft, die "so heiß und feucht war, dass das Atmen schwer fiel". Ich habe Herrn Renslow angerufen um mit ihm zu schwatzen.

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VICE: Ich habe gelesen, dass du die Reste einer illegalen Kneipe aus der Prohibitionszeit vorfandest, als du den Club 1972 renoviert hast.
CHUCK RENSLOW: Ich würde nicht sagen, dass es eine so genannte Flüsterkneipe war, wir haben Überbleibsel von Glücksspiel-Zubehör gefunden. Der Club war privat, bevor wir ihn gekauft haben, ein schwedischer Club. Aber es stimmt, wir haben Pokertische und Gehäuse von einarmigen Banditen und so weiter gefunden sowie Wände, die man heben und senken konnte.

Habt ihr von diesen versteckten Wänden Gebrauch gemacht?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben die alle abgerissen.

Und ihr habt ein Skelett unter der Bühne gefunden, oder?
Wir haben ein künstliches Skelett unter der Bühne gefunden, kein echtes. Der Raum war mal Teil einer Loge, und das Ding war Teil des Initiationsritus.

Eine Freimaurerloge?
Jepp. Es war wie ein Skelett für Anschauungszwecke.

Was habt ihr damit angestellt?
Jemand hat es gestohlen!

Natürlich. Ich habe über eure Traumräume gelesen. Habt ihr den LKW-Raum noch?
Der Truck wurde vor etwa drei Jahren rausgeschafft. Ich besaß mal eine Lederbar im gleichen Gebäude, die haben wir geschlossen. Der Truck war nur der Eingang zur Lederbar.

Was ist mit dem Fake-Verlies, gibt's das noch?
Oh ja. Wir haben einen Haufen Fetischräume. So ein Dutzend. Mit einem Haufen Geräten drin.

Sind bestimmte Räume beliebter als andere?
Nicht wirklich. Wir haben wegen meinem Ruf in der Gemeinschaft ein schweres Fetisch-Klientel. Ich veranstalte die International Mr. Leather Competition und habe die erste Lederbar in den USA eröffnet. Wir hatten seit der Eröffnung Fetischräume hier drinnen. Die waren schon immer beliebt.

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Wie hat sich der Club im Laufe der Jahre verändert?
Oh, wir haben uns über die Jahre ein gutes Stück verändert. Früher gab es viel Unterhaltungskunst, viele große Stars kamen. Jetzt ist es ausschließlich ein Badehaus. An den Wochenenden bieten wir noch Entertainment, doch jetzt sind es männliche Stripper.

Bette Midler ist in den frühen 70ern bei euch aufgetreten, noch bevor sie berühmt wurde. Wie war sie, war sie populär?
Die Leute haben sie geliebt. Wir hatten sie, wir hatten Sally Rand, den Stripper, wir hatten - wer waren diese sechs singenden Typen? Ich habe ihren Namen vergessen.

The Village People?
Ja. The Village People. Die waren hier.

Ich habe gehört, dass ihr in den späten 80ern Divine im Programm hattet.
Ja, hatten wir. Tatsache ist, dass wir der letzte Ort waren, an dem Divine je aufgetreten ist.

Wie war er?
Die Show war sagenhaft, aber ich erinnere mich, als wir vorher seinen Vertrag bekommen hatten und ich ich bezweifelte, dass ich diesen Mann mögen würde. Weil im Vertrag stand, dass er sein eigenes Zimmer bräuchte, was kein Problem war. Doch er verlangte einen Wachmann vor seinem Zimmer, und als er mit der Show fertig war, wollte er sein Zimmer betreten, den Wachmann draußen und eine Gallone Eiswasser drinnen haben. Und der Wachmann sollte sicher stellen, dass das Zimmer bis eine halbe Stunde nach Showende von niemandem sonst betreten wird. Und ich dachte "Mein Gott, der Mann geht so strikt damit um, ich glaube nicht, dass ich ihn mögen werde." Aber als er hierher kam, war er der wunderbarste, netteste Mensch, den du dir vorstellen kannst. Und er legte den Grund dar, warum er den Wachmann draußen brauchte: Er investierte so viel Energie in die Show mit Tanzen und allem, dass er nach der Show flach am Boden liegen und sein Herz beruhigen und verschnaufen musste. Und er wollte nicht, dass ihn dabei jemand belästigt. Er war eine wunderbare Person. Dann ist er gestorben, kurz nachdem er den Ort hier verlassen hat.

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Wie war seine Show, hat sie deinen Bauch zum kribbeln gebracht?
Nicht besonders. Ich weiß nicht mehr. Sie war gut, er hatte ein paar schmutzige Witze drauf, was will man mehr.

In Sachen Entertainment habt ihr momentan nur noch männliche Stripper. Warum ist das so? Meinst du, es würde nicht so gut laufen, wenn du heutzutage Cabaret und Sänger hättest?
Nein, du darfst nicht vergessen, dass wir damals das Schwulen-Cabaret waren und die Leute kamen hierher, weil sie woanders nicht willkommen waren. Heutzutage sind Schwule überall willkommen - wieso sollte man hierher kommen, wenn man auch einfach so in einer Bar etwas trinken gehen kann? Die Zeiten haben sich geändert. Auf einmal hat sich die Einstellung gegenüber schwulem Leben und besonders gegenüber den Ledermännern und allem anderen gegenüber verändert. Also fingen alle unsere Leute an normale Bars zu besuchen. Zwei oder drei Blöcke weiter gibt es eine Cabaret-Bar, die ein paar der einschlägisten Künstler im Programm haben, und es ist gemischt, dort sind Lesben, Schwule, Heteros… Sie sind nicht mehr darauf angewisen hierher zu kommen. Wir waren einmal der einzige Ort, den Schwule besuchen konnten.

Sowohl zum einfach rumhängen als auch nur für den Sex?
Richtig. Ein verbreitetes Missverständnis ist es, dass die Leute hier nur wegen dem Sex herkommen, das ist nicht wahr. Viele Leute kommen hierher, um mit der Art von Leuten zusammen zu sein, die sie mögen. Gleich und Gleich gesellt sich gern. Liebhaber kommen hierher, weil sie die Stimmung einfach mögen, sie haben Spaß an den Strippern, sie wollen nicht unbedingt Sex. Wenn sie ihn wollen, dann ist er verfügbar, ja sie holen ihn sich einfach, aber sie wollen wirklich mit Leuten ihrer Art zusammen sein.

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Gibt es heute allgemein nicht die Nachfrage nach Badehäusern?
Oh ja absolut. Viel weniger Nachfrage. Menschen können sich jetzt im Internet treffen. Ein Haufen Schwulenbars verfallen, es gab mal dutzende Lederbars in Chicago, jetzt gibt es nur noch zwei. Die eine Sache, die die Badehäuser ein wenig rettet, ist, dass man sich hier treffen kann, wenn man sich im Internet kennenlernt und sich nicht bei sich Zuhause besuchen will. Es ist ein neutrales Gebiet. Doch die Dinge haben sich verändert, ja. Die Leute bewegen sich nun mehr im Internet als irgendwo anders.

Hat sich das Klientel verändert?
Nun ja, der einzige Wandel, den ich wirklich, wirklich bemerkt habe, der mich auf eine Art verwundert hat, ist die Menge der Bisexuellen, die uns besuchen. Es sind wirklich mehr geworden. Und es ist komisch, ich habe Frauen gesehen, die ihre Gatten hier abgesetzt haben.

Wirklich?
Ja. Es hat sich immer weiter geöffnet.

Wie läuft das Geschäft gerade?
Es geht mal rauf, mal runter. Gerade befindet es sich in einem Abschwung, als die Wirtschaft zusammenbrach, bekamen wir eins auf den Deckel, doch wir ziehen langsam wieder an.

Ich bin im Internet auf ein paar Bewertungen gestoßen und einige Leute reden negativ darüber, dass sich der Club seit den 70ern nicht verändert habe, besonders in Sachen Ausstattung und Umgebung. Ein paar von ihnen reden von Gestank. Sie sagen, dass es nicht wirklich sauber ist.
Nun gut, das höre ich auch, aber genau das ist das Problem - Das Gesundheitsamt hat uns unter die Lupe genommen und wir sind sauber, ich habe zwei Putzleute, der Ort ist fleckenfrei - das Problem ist das Alter. Und ein Haufen Leute setzen es mit diesen neuen Badehäusern gleich, und ja: Im Vergleich dazu sehen wir schäbig aus. Doch wir sind sauber. Wir haben gerade überall neuen Teppich verlegt. Unsere Konkurrenten hingegen haben nicht einmal Teppiche, sie haben schön gekachelte Böden. Wir sind 35 Jahre alt. Doch es ist nicht die Frage, ob wir schmutzig sind oder sowas. Was den Geruch angeht: In jedem verdammten Badehaus gibt es Geruch. Einige Leute stinken, da können wir nicht helfen.

So ist es. Ich habe mich gefragt, ob der Geruch manche Leute sogar anzieht.
Oh ja, ein paar Leute mögen das. Keine Frage.