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Frage des Tages - Wann hattest du das letzte Mal Todesangst?

Es ist Freitag der 13. Ein unheilvoller Tag, an dem überall der Tod lauert. Wir sind auf die Straße gegangen und haben Leute interviewt, die noch einmal davon gekommen sind

Es ist Freitag der 13. Ein unheilvoller Tag, an dem wir noch mehr als sonst daran denken sollten, dass die Welt eine üble ist und voller Gefahren steckt: Verkehrsunfälle, Dioxin-Eier, apokalyptische Gewitter … überall lauert der Tod. Wir sind auf die Straße gegangen und haben die Leute interviewt, die noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen sind oder das zumindest glauben. Offenbar sind die Grenzen, wann sich der eine und der andere in die Hosen macht, weit gestreut. Wie weit? Von Hosenscheißer bis lebensmüde ist alles vertreten, aber lest selbst!

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Lilly und Ellis

VICE: Wann hattet ihr das letzte Mal Todesangst?
Lilly: Hm, keine Ahnung. Aber das erste Mal war mit 8 Jahren. Ich bin über eine Ampel gegangen, die ausgefallen war, weil ich einem Jungen auf der anderen Straßenseite nachgeschaut habe. Und dann hat mich ein Auto mitgenommen.

Also ist wirklich etwas passiert?
Ja, ja! Ich bin hingeknallt und wäre fast überfahren worden.

Und aktuell fällt dir nichts ein?
Nicht bei mir selber. Aber um meine Freundin hatte ich Todesangst … (schaut auf Ellis)

Was ist da passiert, erzähl schon!
Wir waren im Club und sie hat ein bisschen zu viele Drogen genommen.

Was hatte sie genommen?
Ketamin.

Aber ihr geht’s jetzt wieder gut?
Ja.
Ellis: Ja, da hatte ich auf jeden Fall auch Todesangst. Aber ein anderes Mal war mit 15. Da war ich auf einem Skrillex-Konzert und habe die Love Parade nachgefühlt, als ich unter fünf Leuten begraben, einen Arsch im Gesicht, um Hilfe gerufen habe und es war allen egal. Alle sind nur weiter auf mich drauf gesprungen. Ich hab herumgeschrien: „Bitte hilf mir doch jemand!“ Letztendlich hat mir dann auch jemand geholfen, aber ich lag bestimmt zwei Minuten unter diesen Leuten begraben und habe um mich geschlagen und geschrien. Das war eine Erfahrung, wo ich gemerkt hab, mein Körper macht sich selbstständig.

Findest du, die Panik war gerechtfertigt?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich daran wirklich gestorben wäre.

Ich finde, sie war gerechtfertigt. Du hättest auf jeden Fall zertrampelt werden können. Ist alles schon passiert!
Ja, hm … wegen der Love Parade kennt man ja die ganzen Storys. Ich habe ja nicht geglaubt, dass es möglich ist, dass Leute wirklich zertrampelt werden. Aber als mir das in dem Moment klar geworden ist, hat mir das die meiste Angst gemacht. Ich dachte, dass ich hier in diesem Moment jetzt sterben und nicht mehr aufwachen werde, und wenn alles vorbei ist, dann liegt meine Leiche da auf dem Boden.

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Jilmaz

Todesangst? Gestern!

Was war denn gestern?
Mir war schwindelig, ich hatte Herzrasen … schwarz vor Augen und ich musste mich irgendwo hinsetzen für zehn Minuten.

Hatten Sie das schon öfter?
Vor Jahren mal und dann wieder jetzt.

Was glauben Sie, was das ist?
Weiß ich nicht, was das ist. Ich bin vor einer Woche 50 geworden. Da hab ich mir gesagt: „Die Hälfte ist geschafft, jetzt ist es vorbei. Mit 50 macht die Pumpe auch mal schlapp.“

Machen Sie etwas gegen?
Nä! Was denn?

Gesünder essen. Sport treiben … keine Ahnung.
Nä.

Und was machen Sie, wenn sie merken, das kommt wieder?
Beten.

Lydia und Leon

Lydia: Beim letzten Gewitter? Nee …
Leon: Also ich auf jeden Fall im letzten K-Hole. Aber da wusste ich einfach nicht mehr … hm.

Was hast du dir da ausgemalt? Was dachtest du denn konkret, was passiert?
Leon: Na ja, das war ja das Problem. Da passiert gar nichts mehr, weil man dann in einer Schleife steckt und nicht mehr vor und nicht mehr zurück kommt.
Lydia: Manchmal hat man auch einfach Angst vor der Angst. Aber das ist dann ja keine Todesangst. Man hat Angst vor was ganz Unbestimmten … Ich hab sowieso eher Todessehnsucht.
Leon: Wann hatte ich das letzte Mal Todesangst?

Du hast doch schon geantwortet. Aber wie ist das bei dir, du hast also Todessehnsucht?
Lydia: Ich bin einfach kein ängstlicher Mensch und ich hab auch wirklich nicht so große Angst vor dem Tod.

Also bist du lebensmüde?
Leon: Ja!
Lydia: Früher hat man das leichtsinnig genannt. Letztens habe ich mich auf die U-Bahn-Schienen gelegt. Da hatte ich auch keine Todesangst.

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Warum zur Hölle?
Leon: Um Todesangst zu bekommen, aber sie kam nicht, vielleicht?
Lydia: Ich glaub, um einen inneren Zustand, den man fühlt, nach außen zu tragen. Oder das Chaos, das man innen hat, auch außen zu haben, oder … nee.
Leon: Ich glaube, die Antwort wäre jetzt gewesen, einfach wie so beim Zahnarzt, oder?

Hä? Wieso jetzt Zahnarzt?
Leon: Keine Ahnung. Was sagen den die Anderen?

Alice

Oh, das war, als ich mich letztens jenseits von Gut und Böse absolut besoffen hatte und in meinem Suffkopp dachte, ich würde an einer Überdosis Alkohol sterben.

Hast du wirklich so viel getrunken, dass man davon sterben kann?
Nein, es war lächerlich.

Dachtest du, du erstickst an deiner eigenen Kotze?
Ja, das, oder dass ich mir irgendwie bescheuert alle Knochen breche.

Ist was passiert?
Nein, ich bin am nächsten Morgen lebendig wieder aufgewacht und außer einem abartigen Kater war ich unversehrt.

Juan

Es gab da mal einen Moment im Auto, ich weiß nicht genau, wann das war. Das Auto ist abgehoben hat sich in der Luft gedreht. Und das war auch noch auf einer Brücke und ich hab mir schon ausgemalt, wie wir von der Brücke fliegen, aber wir sind nur ins Geländer geknallt.

Warum habt ihr die Kontrolle über euer Auto verloren?
Weil der Fahrer scheiße besoffen war.

Bist du mit dem noch befreundet?
Nein. Aber nicht deswegen.

Ich hätte ihm die Freundschaft gekündigt, wenn der Penner mich fast umgebracht hätte.
Nein, gar nicht. Der hat sich sehr um mich gekümmert. Ich war selber voll besoffen und der hat mich ins Auto gezerrt.

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Ach so. Na dann …

Steven und Lukas

Lukas: Das ist schon eine Weile her. Ich hatte Angst um meine Ma, weil sie Epilepsie hat. Und sie hatte Verdacht auf einen Anfall.

Was machst du, wenn sie einen Anfall hat?
Ich kümmere mich erst um meine Geschwister oder ich mach den Haushalt.

Du lenkst dich ab?
Ja. Ich weiß ja, ich kann da nicht viel machen. Ich versuch einfach, meine Geschwister und meinen Dad zu schützen.

Und wie sieht's bei dir aus?
Steve: Bei mir war das vorletzte Woche. Da war ich bei einem Kumpel und irgendwann sind alle abgehauen, weil die noch irgendwas erledigen wollten und die haben überlange gebraucht. Echt ein paar Stunden. Und ich kam nicht aus der Wohnung raus, weil die abgeschlossen hatten.

Hä? Warum sind die einfach gegangen?
Weil ich denen gesagt hab, ich will noch da bleiben und zocken.

Aber dann wusstest du doch, dass die gehen.
Ja, aber dann wollte ich nicht mehr zocken, sondern zu denen gehen und hab gemerkt, dass die Tür abgeschlossen ist, weil das eine Gegend mit vielen Einbrechern ist. Da hatte ich voll Angst, weil ich so alleine in der Wohnung war.

Aber das ist doch jetzt nicht so schlimm. Es war doch klar, dass die irgendwann zurückkommen.
Doch! Ich dachte, die kommen locker nicht wieder. Ist ja schon viel zu spät. Die schlafen bestimmt irgendwo anders.

Hattest du Angst, dass du verhungerst, oder was?
Nein, ich hatte Essen und alles da. Ich hatte nur Angst, dass die nicht wiederkommen.
Lukas: Die Angst vorm Alleinsein.
Steven: Genau.

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Björn

Na ja, ich bin Chirurg, das ist eine schwierige Frage. Todesangst um jemand Anderen: täglich. Ich bin unter Anderem auch noch Notarzt, aber hm …

Heißt das, du blendest das komplett aus, weil dich der Gedanke sonst ausknocken würde bei der Arbeit?
Ja. Kurz und knapp. Meistens schon.

Als Notarzt kriegst du doch sicher auch viel mit, wenn Leute Angst um ihr Leben haben.
Ja klar, wenn ich da Leute, die zum Beispiel einen akuten Herzinfarkt haben, habe, die wissen schon, jetzt wird’s gerade kritisch.

Machst du was gegen die Angst?
Ich gebe ihnen unter anderem Morphium. Zum „Abschirmen“, nennen wir das als Ärzte, wenn die ein so starkes Schmerz- und Beruhigungsmittel kriegen, dass die sich überhaupt nicht mehr aufregen können.