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​Wieder Verletzte nach Pegida: Wie lange kann die rechte Gewalt noch toleriert werden?

Nach Pegida in Linz wurden AntifaschistInnen verletzt. Vor kurzem soll sogar der Pegida-Sprecher zugeschlagen haben.

Aufnahme von der ersten Pegida-Demo in Linz. Foto: Florian Voggeneder

Nach dem neuerlichen Aufmarsch von Pegida in Linz am vergangenen Samstag wurden vier AntifaschistInnen von Rechtsextremen verletzt. Vor zwei Wochen soll ein Sprecher von Pegida Oberösterreich in Wels einen Mann niedergeschlagen haben. Und bereits in Wien gab es rund um Pegida zumindest sieben rechte Übergriffe. Die rechte Gewalt in den letzten Wochen nimmt eindeutig massiv zu, der Zusammenhang mit Pegida ist offensichtlich.

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Höchstens einhundert Pegida-UnterstützerInnen hatten sich am vergangenen Samstag vor dem Linzer Hauptbahnhof versammelt, um gegen eine angebliche Islamisierung des Abendlandes auf der Straße zu gehen. Darunter waren, wie das Antifa-Bündnis „Linz gegen Rechts" recherchierte, zahlreiche bekannte Rechtsextreme und Neonazis.

Der Aufmarsch von Pegida selbst bestand, ähnlich wie in Wien, aus einer Mischung von (teils älteren) Rechtsextremen und Neonazis auf der einen Seite und rechten Fußball-Hooligan-Milieus als Fußtruppe.

Gegen Pegida demonstrierten laut „Linz gegen Rechts" rund 2.700 AntifaschistInnen, laut Polizei waren es 1.800. Die Pegida-Leute konnten unter dem Schutz von rund 700 PolizistInnen vom Bahnhof ein kurzes Stück Richtung Landstraße und zurück marschieren. Der Pegida-Aufmarsch fand allerdings unter völligem Ausschluss der Öffentlichkeit statt, da die Polizei die gesamte Gegend zum Schutz der Teilnehmer großräumig abgesperrt hatte.

Der Aufmarsch von Pegida selbst bestand, ähnlich wie in Wien, aus einer Mischung von (teils älteren) Rechtsextremen und Neonazis auf der einen Seite und rechten Fußball-Hooligan-Milieus als Fußtruppe. Anschlussfähig dürfte Pegida auch für rechte migrantische Milieus seien. So waren in Linz kroatische Fahnen zu sehen (und übrigens auch solche des Vatikan). Die Hauptrede hielt der Schweizer Ignaz Bearth, der vor allem in Indien äußerst beliebt ist.

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Im Anschluss an den rechten Aufmarsch kam es am Linzer Hauptbahnhof zu einem gewalttätigen Übergriff von Pegida-Teilnehmern auf AktivistInnen der Sozialistischen LinksPartei (SLP). Florian Klabacher, einer der Betroffenen, berichtet, dass es zuerst auf einem der Bahnsteige ein verbales Geplänkel zwischen den Pegida-Anhängern und den AktivistInnen der SLP gegeben habe. Als die Pegida-Leute durch rund zehn weitere Rechtsextreme verstärkt wurden, seien diese plötzlich zum Angriff übergegangen. Insgesamt vier AktivistInnen der SLP wurden bei diesem Angriff durch Faustschläge verletzt und mussten im Krankenhaus behandelt werden, unter anderem mit Schädelprellungen (der Spitalsbericht liegt VICE vor).

Klabacher beschreibt auch das Verhalten der Polizei als „skandalös"—zum Beispiel wurde der Zug, in den sich die Rechtsextremen nach ihrem Angriff flüchteten, von der Polizei nicht verfolgt oder angehalten, so Klabacher. Laut Klabacher hätte die Polizei ihre Untätigkeit damit begründet, dass noch keine Anzeige erstellt worden sei, obwohl der Zug zu diesem Zeitpunkt noch im Bahnhof stand, die Täter also greifbar gewesen wären (oder zumindest mit einem Streifenwagen am nächsten Bahnhof aus dem Zug geholt werden hätten können). Tatsächlich aber wäre die Polizei bei einem sogenannten „Offizialdelikt" wie Körperverletzung zum Einschreiten verpflichtet.

Dennoch dürften die Täter nicht davonkommen. Denn Klabacher sagt, dass die betroffenen AktivistInnen einige der mutmaßlichen Täter erkannt haben. Unter anderem sollen die Welser Peter Z. und Franz B. beteiligt gewesen sein. Der Angriff selbst wurde bei der Polizei am Samstag angezeigt, in den nächsten Tagen sollen noch weitere Recherche-Unterlagen übergeben werden. Der oberösterreichische Polizeisprecher Furtner bestätigt die Anzeigen unter anderem gegen Peter Z. und Franz B. Ein mögliches Fehlverhalten der Polizei werde nach meiner Anfrage ebenfalls untersucht.

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Von einem weiteren Angriff, an dem sogar die Sprecher von Pegida Oberösterreich beteiligt gewesen sein sollen, berichtet die linke Welser Organisation B.freiung Wös. Am 13. Februar sollen laut B.freiung Wös die beiden Pegida-Sprecher Björn Schlager und Markus Hametner unter einem Vorwand zu einem Treffen von B.freiung Wös gekommen sein. Die beiden hätten sich zuerst als Antifaschisten ausgegeben. Als sie als Rechte geoutet wurden, hätte Hametner einen Mann mit dem Kopf gegen ein Schaufenster gestoßen. (Es gilt die Unschuldsvermutung.) Auch dieser Mann musste ins Krankenhaus, die Welser AktivistInnen stellten den Krankenhaus-Bericht online. Polizeisprecher Furtner bestätigt das Vorliegen von Anzeigen gegen die beiden Pegida-Männer.

Eine Sprecherin von B.freiung Wös erzählt mir, dass in den letzten Monaten die rechte Hetze in Oberösterreich insgesamt zunimmt.

Hametner soll bereits in der Vergangenheit mit Gewalt-Drohungen aufgefallen sein. So stellte das Bündnis Linz gegen Rechts einen Screenshot online, wo Hametner in einem Facebook-Kommentar zum Akademiker-Ball der rechtsextremen Burschenschaften meinte, „der Antifamob hätte gesprengt werden müssen".

Eine Sprecherin von B.freiung Wös erzählt mir, dass in den letzten Monaten die rechte Hetze in Oberösterreich insgesamt zunimmt. So hätte es in Wels und Freistadt rechtsextreme Aktionen gegen Flüchtlinge gegeben. B.freiung Wös sieht einen eindeutigen Zusammenhang zu Pegida und auch zur rechtsextremen Gruppe „Identitäre".

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Florian Klabacher von der SLP erzählt von einem weiteren Angriff in Zusammenhang mit dem Linzer Ableger von Pegida. Am 14. Februar sei eine 17-jährige SLP-Aktivistin in der Linzer Innenstadt verfolgt und verbal attackiert worden, bis sie sich in den Geschäft flüchten konnte. Sie hätte die Angreifer als Teilnehmer des ersten Pegida-Aufmarsches in Linz wieder erkannt, diese hätten sie offenbar ebenfalls erkannt und sie deshalb verfolgt.

Von einem weiteren Übergriff berichtet SLP-Aktivist Dominik Unter. Als er sich am 07. Dezember 2014 in einem Linzer Altstadt-Lokal über rassistische und homophobe Aussagen an einem Nebentisch beschwerte, wurde er laut seiner Erzählung zuerst rassistisch beschimpft und danach zusammengeschlagen. Unter musste im Krankenhaus behandelt werden (der Spitalsbericht liegt VICE vor) und den Vorfall auch zur Anzeige gebracht, wie er berichtet. Einen der Beteiligten am Angriff hat Unter beim Pegida-Aufmarsch wiedererkannt.

Bereits rund um den Aufmarsch von Pegida in Wien war es am 02. Februar zu regelrechten Hetzjagden auf AntifaschistInnen gekommen. Tatsächlich sollte das nicht weiter überraschen, denn insbesondere das Fußball-Hooligan-Milieu, aus dem sich Pegida in Wien zu einem relevanten Teil aufgebaut hat, gilt als äußerst gewalttätig. Auch der Rechtsextremismus-Experte Wolfgang Purtscheller sprach damals von einer Mischung aus bekannten Rechtsextremen und Neonazis sowie rechten Fußball-Hooligans.

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Das ganze Ausmaß der rechten Angriffe rund um Pegida wird allerdings erst nach und nach bekannt. So haben mittlerweile weitere Betroffene von Attacken mit mir Kontakt aufgenommen, die im ersten Artikel zu diesem Thema noch keine Erwähnung fanden. Eine Attacke soll kurz nach 20:00 Uhr an der Ecke Teinfaltstraße/Herrengasse stattgefunden haben. Rund 15 Rechtsextreme hatten dort eine Gruppe von vier Personen angegriffen, so Florian A.*, einer der Betroffenen. Die AntifaschistInnen konnten allerdings rechtzeitig entkommen, wie A. berichtet. Etwas später, um 21:00 Uhr sollen rund zehn Rechtsextreme am Schwedenplatz eine kleine Gruppe von GewerkschafterInnen angegriffen haben, die von der Demonstration gegen Pegida kamen und durch eine rote Fahne eindeutig erkennbar waren. Deniz Çelik*, eine der Gewerkschafterinnen erzählt, dass die Situation bereits sehr bedrohlich war, als die Rechtsextremen davon liefen, weil zufällig ein Polizeiauto vorbeikam.

Die zeitlichen Abläufe zeigen, dass hier offenbar parallel mehrere Gruppen von rechtsextremen Schlägern in der Innenstadt unterwegs waren. Insbesondere der Angriff auf eine Bezugsgruppe des Bündnisses „Offensive gegen Rechts" in der Wipplinger Straße, über den ich bereits berichtet habe, und der Angriff auf die Gruppe von Florian A. in der Herrengasse fanden ziemlich zeitgleich statt, es ist also von zumindest zwei Tätergruppen auszugehen. Eventuell könnten es allerdings sogar mindestens drei Tätergruppen gewesen sein, denn sowohl die Betroffenen des Angriffs auf die Bezugsgruppe der OGR wie auch Florian A. und Deniz Çelik berichten von deutschsprachigen Tätern, während ein weiterer Übergriff beim Judenplatz laut ZeugInnen von Tätern durchgeführt wurde, die eine slawische Sprache sprachen. Mittlerweile hat sich auch eine Recherchegruppe gebildet, die Betroffene und ZeugInnen dazu aufruft, sich zu melden, um das gesamte Ausmaß der rechten Übergriffe an diesem Tag zu dokumentieren.

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In den vergangenen Wochen gab es noch weitere rechte Angriffe. Am Abend des Akademikerballs griffen laut Offensive gegen Rechts die rechtsextremen Fußball-Hooligans von Unsterblich antifaschistische DemonstrantInnen an.

2158 15 Unsterblich-Hools bei Schwarzenbergplatz, greifen Linke an, Polizei schaut zu — offensivegegenrechts (@offensive_nowkr)30. Januar 2015

Am späteren Abend kam es auf der Kärntner Straße auch zu einer antisemitischen Attacke.

Nach der Demonstration gegen die homophobe Geschäfts-Politik im Café Prückel wurde ein Teilnehmer an der Kundgebung „Küssen im Prückel" laut Medienberichten von vier Männern zusammengeschlagen.

Das Outfit der Täter, deren Fahndungsfoto der Tageszeitung Österreich veröffentlicht hat, lässt ebenfalls auf jugendliche Fußball-Milieu schließen, die ja auch bei Pegida eine wesentliche Rolle spielen.

Es ist offensichtlich, dass seit einigen Wochen die Gewalt durch die rechte Szene massiv zunimmt—und dass es einen Zusammenhang dieser rechten Gewalt mit den Aufmärschen von Pegida gibt. Rechtsextremismus-Experte Purtscheller sagt dazu: „Seit dem Auftreten von Pegida hat sich die rechtsextreme Gewalt in Deutschland vor allem gegen MigrantInnen und Asylwerberheime mehr als verdoppelt. Und auch in Österreich ist eine eindeutig zunehmende Gewaltbereitschaft der rechtsextremen Szene zu beobachten, die in Zusammenhang mit Pegida gestellt werden kann." Für Käthe Lichtner vom Bündnis „Offensive gegen Rechts" zeigen all diese Übergriffe die Notwendigkeit antifaschistischer Aktivitität: „Es ist schockierend, dass Rechtsextreme sich trauen, in dieser Art öffentlich aufzutreten. Doch wir werden uns davon sicher nicht einschüchtern lassen." Lichtner kündigt auch Gegenwehr an: „Wir werden weiterhin mit breiter antifaschistischer Bündnisarbeit auf der Straße präsent sein und die Rechtsextremen konfrontieren."

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„Das Problem ist, dass Polizei und vor allem der Verfassungsschutz diese Vorfälle systematisch leugnen beziehungsweise verharmlosen."

Wolfgang Purtscheller kritisiert auch die Behörden scharf: „Das Problem ist, dass Polizei und vor allem der Verfassungsschutz diese Vorfälle systematisch leugnen beziehungsweise verharmlosen." Tatsächlich scheint die Polizei rechte Übergriffe nicht immer mit letzter Energie zu verfolgen. Bereits beim Angriff auf die Bezugsgruppe der „Offensive gegen Rechts" rund um den Wiener Pegida-Aufmarsch sollen PolizistInnen, die zu Hilfe geholt worden sind, stattdessen einfach davon gefahren sein, wie Sarah*, eine der Betroffenen berichtete. Und nun erhebt Florian Klabacher von der SLP einen sehr ähnlichen Vorwurf in Bezug auf das Verhalten der Linzer Exekutive beim Vorfall im Hauptbahnhof.

Die antifaschistischen AktivistInnen Martin E.* und Petra M.*, beide aus linken Fußball-Fan-Strukturen in Wien, meinen, dass das Problem im Polizei-Apparat strukturell sei: „Wir haben doch oft genug erlebt, wie blind die Polizei am rechten Auge ist. Das hat System. Es beginnt damit, wer sich für einen Job bei der Polizei interessiert und setzt sich in einer Ausbildung fort, die auf Kadavergehorsam gründet." Martin E.* und Petra M.* sprechen stattdessen von der Notwendigkeit „antifaschistischer Selbsthilfe", wie sie es nennen: „Mittlerweile haben wir lange genug zugesehen, wie Leute zusammengeschlagen worden sind. Für uns bedeutet die Parole von der internationalen Solidarität, dass wir auch praktisch solidarisch mit Betroffenen sind." Falls Pegida nochmals auf die Straße gehen sollte, kündigen sie an: „Es wird eindeutig Zeit für ein Revanchefoul."

Es bleibt allerdings abzuwarten, ob weitere Aufmärsche von Pegida überhaupt genehmigt werden. In Wien könnten laut Polizei nach den Hitler-Grüßen beim ersten Auftreten von Pegida weitere Kundgebungen verboten werden.

Allerdings gibt es in Wien ohnehin wenig Anzeichen, dass nach der völligen Blockade des ersten Pegida-Aufmarsches und auch den eher peinlich geratenen Medienauftritten von Ex-Sprecher Nagel (etwa auf Puls4) ein weiterer Aufmarsch geplant ist. In anderen Bundesländern sieht die Sache anders aus. In Bregenz wurde ein erster Aufmarsch von Pegida für den 22. März angekündigt, die marxistische Funke-Strömung ruft bereits zu antifaschistischen Gegendemonstrationen auf.

Und auch Fiona Kaiser vom Bündnis „Linz gegen Rechts" sagt, dass „die Stahlstadt bunt bleibt" und kündigt an, bei künftigen Aufmärschen von Pegida wieder zu mobilisieren.

*Alle Namen sind der Redaktion bekannt und können im Artikel geändert sein.

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