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Europawahl 2014

Wohlfühlpartei FPÖ

Meinem Selbstverständnis nach bin ich Wiener. Das sehen aber nicht alle so. Das macht ein Leben hier nicht immer ganz einfach.

Foto von Me Maya

Ich mag Wien. Eigentlich liebe ich Wien. „Wären da nicht diese Wiener“, hört man manchmal, aber gerade die machen Wien ja aus. Wien ohne Wiener wäre Prag—nur mit einem höheren Altersdurchschnitt, viel teurer und in Prag finde ich die Architektur eigentlich auch schöner. Also ich liebe Wien schon wegen den Wienerinnen und Wienern. Bin ja selber einer, zumindest meinem Selbstverständnis nach. Ursprünglich aus dem Iran, 1989 mit meinen Eltern nach Wien emigriert, lebe ich seither hier, bin Wiener geworden. Wien ist Großstadt und ländliche Idylle in einem. Du bekommst um fünf in der Früh noch „a Eitrige“, aber ab 22 Uhr herrscht absolutes Ruhe-Gebot. Und seit ein paar Jahren ist Wien nicht mehr tot, sondern hip (oder Totsein ist jetzt hip, wie auch immer).

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Aber wäre Wien überhaupt hip geworden ohne den deutschen Zuzug? Schaut euch um in den hippen Lokalen in Wien, sogar da setzt der hippe Gastronom gerne auf hippes deutsches Personal und allem oberflächlichen Hate zum Trotz funktioniert das Konzept perfekt! Das ärgert die einheimischen Jungen vielleicht auch ein bisschen deshalb, weil Deutsche gerne dort rekrutiert werden, wo man Leute sucht, die sich mehr trauen und offener sind, als sie selbst. Ich habe ein wenig das Gefühl, österreichische Jugendliche trauen sich eben oft nicht. Es gibt vielleicht einfach zu viel zu verlieren, wenn man rebelliert. Die 100-Euro-für-100-Quadratmeter-Wohnung vom Großvater, den Job beim Freund vom Papa, und die Extrazuwendungen von der Mama. Nur net aufmuckn. Kommt daher vielleicht auch der Frust, der an Zuwanderern ausgelassen wird?

Muss man sich scharf abgrenzen, eine Bewertungskategorie schaffen, in der man besser ist? Ein durch Geburt erworbenes Vorrecht, das einem keiner wegnehmen kann? Ich weiß, nicht jeder, der Zuwanderer diskriminiert, hat eine 100-Quadratmeter-Wohnung. Es gibt auch die, die meinen, sie hätten eine 100-Quadratmeter-Wohnung verdient und würden die auch bekommen, wären da nicht diese Türken—von manchen Ignoranten liebevoll die „Tichln“ genannt—, womit gemeinhin kopftuchtragende Frauen gemeint sind, die ihnen den Job, die Wohnung und die Luft wegnehmen, die eigentlich ihnen zustünde.

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Foto via Damn.com

Da frag ich mich immer, wie das denn zusammenpasst. Diese bösen Zuwanderer, die nichts können, nicht mal gschait Daitsch reden, eh so faul sind, wie schaffen die das dir den Job wegzunehmen? Was sagt das eigentlich über dich aus? Wahrscheinlich werden Ausländer generell bei der Jobvergabe bevorzugt.

Genau in diese Kerbe schlägt die FPÖ immer und immer wieder. Sie produziert Balsam für das verletzte Selbstwertgefühl, indem sie dir sagt: „Du bist besser, wertvoller und mächtiger als Zuwanderer, Schwarze, Asylwerber und wer sonst noch gerade ein Thema ist“. Ein bisschen funktioniert ihre Linie wie Koks.

Der Schaden, der für unser Land dabei entsteht, ist unwichtig, genauso wie es unwichtig ist, ob das Gesagte irgendetwas mit der Realität zu tun hat oder nicht. Was zählt, ist die kurze wohltuende Wirkung. Wie eine gepunchte Droge vergiftet sie die Konsumenten, die sie sich an Beisltischen, in der U-Bahn oder am Heisl reinziehen. Auch wir Zuwanderer konsumieren diese Droge.

Foto von Michael Bauer

Nicht umsonst trägt zum Beispiel Strache gerne sein blaues Bandl, um der serbischen Community zu sagen, dass er eh nicht sie meint, wenn er gegen Ausländer wettert. Hat sehr gut funktioniert; die neue Abgrenzung ist ja auch nicht mehr Ausländer oder nicht, sondern Moslem oder nicht. Immerhin ist dieser Markt der serbischen Community nicht zu verachten, wurde doch da schon die letzten Jahre genug Minderwertigkeitsgefühl geschürt, das man jetzt mit der Gegendroge versorgen kann. Bin gespannt, wann die FPÖ die türkische Community in Österreich als reif erachtet, um sie als neuen Markt zu erschließen. Andere gemeinsame Feindbilder gibt es ja zur Genüge und politische Schwenks sind bei der FPÖ auch kein Problem.

Einer meiner Freunde hat bei sich selbst den Türkenkomplex diagnostiziert. Er ist hier geboren, seine Eltern sind Iraner und er ist etwas dunkler als der gemeine Mitteleuropäer. Bei seiner Sportausbildung im gelobten Land der Rechtsextremen, nein, ich meine nicht die Kärntner, sondern die nicht ganz so Lustigen in Oberösterreich, heißt er bei seinen Mitschülern „Türke“. Man muss dazu sagen, er drückt sich besser aus als jeder Einzelne dieser Jungs UND beherrscht dem Unterschied zwischen Dativ und Akkusativ. Vom den her könnte man wieder meinen, da braucht es eine neue Bewertungskategorie mit Geburtsvorrecht, um sich abzuheben, „den Türken“ klein machen. Aber auch wenn er Mädels kennenlernt, sich bei Jobs vorstellt oder fußballspielen geht, ist immer gleich die Frage da: „Bist du Türke?“ Die Frage kommt nie in Erwartung eines freudigen „Jas“.

Aber diese Vorurteile begegnen mir in WIen ganz genauso: Letztens sehe ich mir mit meiner Freundin eine Immobilie im Wiener Speckgürtel an. Eine sehr freundliche, etwas schrullige Dame, die uns die Immobilie zeigt, fragt mich, woher ich stamme, ich antworte ich sei Iraner. „Ahh, jetzt aber noch nicht zurück, ist noch zu gefährlich!“, sagt sie und klopft mir dabei auf die Schulter.

Ich denke, dass jeder, der nicht in einer gespaltenen Gesellschaft leben will, gefordert ist, hier gegen zu wirken. Integration hat viele Facetten und wir alle sind gefordert, dem Rassismus und der Ausgrenzung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Indem wir ausgegrenzte Gesellschaftschichten egal ob In- oder Ausländer wieder zurück in unsere Mitte führen. Ihnen Lob und Anerkennung für gesellschaftlich relevante Leistungen zuteilwerden lassen. Damit die Verführungen der FPÖ keinen Reiz mehr haben.