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Drei wichtige Erkenntnisse aus der Maischberger-Sendung zur „Tabupartei AfD“

In der ARD diskutierten rechtspopulistische gegen „salonlinke" Publizisten, Ex-AfDler gegen polemische SPD-Vertreter. Und in der Mitte saß Frauke Petry und freute sich.

Sollte man mit der Alternative für Deutschland, aktuellen Umfragen zufolge immerhin die drittstärkste Partei der Bundesrepublik, diskutieren? Oder gibt man ihnen dadurch nur noch mehr Raum für ihre rechtspopulistischen Thesen? Diese Frage wurde in den vergangenen Wochen intensiv diskutiert, nachdem Vertreter der Grünen und der SPD sich weigerten, an einer Diskussionsrunde teilzunehmen, wenn die AfD ebenfalls eingeladen sei.

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Ob man nun mit ihnen reden möchte oder nicht: Der Erfolg der Partei, deren Anhängerschaft trotz weiblicher Führungspersonen primär aus Männern besteht, lässt sich nicht leugnen. Unter dem Titel „Tabupartei AfD—Deutschland auf dem Weg nach rechts?" widmete die ARD den Aufsteigern nun eine komplette Maischberger-Folge. Geladen waren neben der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry auch der Journalist Jakob Augstein, Politiker und Weltwoche-Herausgeber Roger Köppel, SPD-Vize Ralf Stegner und der ehemalige AfD-Mann Hans-Olaf Henkel.

Die Talkrunde war laut, unkontrolliert und allem voran ziemlich ergebnisarm. Ein paar ziemlich wichtige Schlüsse ließen sich aus den 75 Minuten Konfrontation dann allerdings doch ziehen.

Wir brauchen eine klarere Definition davon, was „rechts" eigentlich bedeutet

Dass die Begriffe rechts und links zur politischen Einordnung zwar weiterhin existieren, die Grenzen dazwischen aber zunehmend verschwimmen, zeigte die Talkrunde ziemlich deutlich. Gerade an der Stelle, an der mehrere Statements von Sigmar Gabriel eingespielt wurden, die sich inhaltlich nicht unbedingt von den Forderungen der neuen Rechten unterscheiden. Ließe sich demzufolge also auch die SPD als rechtspopulistische Partei bezeichnen? Eine Frage, die ziemlich wichtig ist in einer erhitzten Debatte, in der sich viele zu Unrecht als Neonazis diffamiert fühlen, sich durch diese Abstemplung aber wiederum bewusst weiter von der gesellschaftlichen Mitte entfernen könnten.

„Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es nicht das Gleiche", versuchte Jakob Augstein den Unterschied deutlich zu machen. Schließlich sei es wichtig, solche Aussagen dazu in Bezug zu setzen, was die jeweilige Person vorher gemacht und geäußert hätte. Der grundlegende Unterschied zwischen SPD und AfD liege für ihn darin, dass die Sozialdemokraten trotzdem noch eine Partei seien, die die Menschenwürde schütze. Der AfD wiederum sei diese „egal". Das mag eine schlüssige Aussage sein, suggeriert allerdings auch: Die Deutung in rechts und links obliegt der individuellen Interpretation und kann dementsprechend so ausgelegt werden, wie es einem gerade passt. Hilfreich ist das nicht.

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Alle Fotos: WDR | Max Kohr

Zumindest einen schien es in der Runde zu geben, der die Aufregung um politische Labels nicht so richtig zu verstehen schien: Hans-Olaf Henkel. „Was ist eigentlich falsch an rechts?", fragte der AfD-Aussteiger beinahe naiv in die aufgeheizte Runde und könnte dabei nicht weiter von seiner ehemaligen Parteigenossin entfernt liegen. Wirklich interessant war nämlich, wie verzweifelt sich Frauke Petry dagegen wehrte, in die rechte Ecke gedrängt zu werden. Betont sprach sie von einer „konservativ-liberalen" Partei und warf ihren Kritikern vor, „zwischen Hetze und Kritik" nicht unterscheiden zu können. Gleichzeitig rechtfertigte sie fragwürdige „Steckbrief"-Kampagnen der AfD-Jugend mit dem Verweis auf ähnliche Aktionen aus der linksextremen Szene und schien ihre Partei somit doch—und sei es nur unterbewusst—jenseits der politischen Mitte einzuordnen.

„So lange Leute Nazikeule sagen, wollen sie keine Nazis sein", schrieb Sascha Lobo vergangenes Jahr in seiner Spiegel-Kolumne. Wenn es wirklich so ist, dass betonte Abgrenzung anzeigt, dass da ideologisch doch noch irgendetwas zu retten ist, fiel Roger Köppel mit Pauken und Trompeten durch den „Richtig rechts oder doch nur konservativ?"-Test. Der Schweizer zeigte sich irritierend geschmeichelt davon, dass man seinem Blatt so viel Platz einräumte und damit „Werbung" für ihn mache. Vergleiche mit dem Stürmer als kostenlose Promo zu interpretieren, muss man auch erst einmal schaffen.

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Polemik bringt uns nirgendwohin

Es scheint eine Art Reflex der politischen Mitte zu sein, auf die Thesen und Theorien von Rechtspopulisten erst einmal mit herablassendem Unglauben zu reagieren. Das zeigte sich besonders deutlich, als AfD-Vorzeigepopulist Björn Höcke bei Günther Jauch eingeladen war und neben jeder Menge völkischer Verschwörungstheorien auch eine kleine Deutschlandflagge für die Stuhllehne im Gepäck hatte. Aber auch die aktuelle Maischberger-Sendung eskalierte innerhalb kürzester Zeit in eine Art „Wer spricht lauter"-Wettbewerb, der darin gipfelte, dass die Moderatorin irgendwann resigniert fragte, ob sie auch mal zu Wort kommen dürfe. In ihrer eigenen Sendung wohlgemerkt, wie Roger Köppel süffisant lächelnd anmerkte.

Zuschreiben kann man das sicherlich auch dem ausgeprägten Geltungsbedürfnis des durchschnittlichen Talkshow-Diskutanten, gleichzeitig saß mit Frauke Petry auch eine Frau in der Runde, die das beeindruckende Talent besitzt, ihre Gesprächspartner innerhalb kürzester Zeit auf die Palme zu treiben. Die Wütenden, die die Fassung verlieren bei all den Halbwahrheiten, geschickt umschifften Fragen und Faktenverdrehungen: Das sind die Anderen. Und das ist eigentlich ziemlich klug. Wer auf offensichtliche Falschaussagen emotional und fassungslos reagiert, wirkt in dem Moment als der Schwächere, dem die Argumente fehlen und der deswegen laut werden muss. Wenn man mit dem Finger auf jemanden zeigt und ihm mehr oder minder vermittelt „Du bist dumm. Alles, woran du glaubst, ist dumm und deswegen mache ich mir nicht mal die Mühe zu erklären, warum ich dich so dumm finde", dann macht man damit nichts besser. Man stellt potentiell gefährliche Fehlinformationen nicht richtig oder enttarnt seinen Gegenüber, man stilisiert sich selbst als einen substanzlosen Gegensprecher ohne Argumente—und treibt die noch unentschlossenen Zuschauer so unter Umständen erst recht in die falsche Richtung.

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„Kreischende und fauchende Furien wie Augstein und Stegner sollten sich honorieren lassen. Als Wahlhelfer. Für die AfD", hieß es somit wenig überraschend nach Ende der Sendung auf der rechten Nachrichtenseite PI-News und so ungern man ihnen das auch zugestehen möchte: Damit könnten sie durchaus Recht haben.

Wir sollten das Konzept der politischen Talkshow überdenken

Super Beispiel für die Sinnlosigkeit der AfD ein Podium zu bieten. — Korallenherz (@Korallenherz)27. Januar 2016

Vielleicht liegt das Problem bei derartigen Gesprächsrunden aber auch gar nicht an der Themen- und Gästeauswahl oder nicht souverän genug agierenden Moderatoren. Vielleicht ist das Format in seiner aktuellen Form einfach nicht dazu gemacht, um sich mit Positionen am rechten Rand argumentativ auseinanderzusetzen. 75 Minuten sind knapp bemessen, um sich wirklich eingehend mit inhaltlich sehr komplexen Themen (wie in diesem Fall der Erfolg einer rechtspopulistischen Partei) auseinanderzusetzen—gerade dann, wenn jeder der geladenen Gäste sich in seiner Meinung und Position erst einmal selbst vermarkten möchte.

Wie geht man mit Rechtspopulisten um? Diskutiert man ihre Aussagen und versucht, sie zu widerlegen, macht man sie zum Mittelpunkt der Konversation und gibt ihnen mehr Raum, als man es vielleicht möchte. Geht man nicht auf sie ein und konzentriert sich auf seine eigenen Argumente, bleiben potentiell radikalisierende Falschaussagen unkommentiert stehen. Das ist ein grundlegendes Problem, dem man auch von redaktioneller Seite begegnen muss, um ein Umfeld zu schaffen, in dem Diskussionen möglich sind, die eine Debatte tatsächlich weiterbringen.

So blieb der einzige, wirkliche Erkenntnisgewinn: Niemand scheint konkrete Antworten auf den Erfolg der AfD zu haben. Die aktuellen Regierungsparteien wirken überfordert bis ratlos und scheinen den politischen Durchstartern von rechts und ihrer wachsenden Anhängerschaft nichts entgegensetzen zu können—nicht einmal in Situationen, in denen man argumentatorisch alle Trümpfe in der Hand hält. Vielleicht sitzt Frauke Petry deswegen stellenweise wie eine entspannte, allwissende Sphinx mit selbstzufriedenem Lächeln zwischen den sich gegenseitig niederpöbelnden Männern und der zunehmend frustrierter wirkenden Sandra Maischberger. Sie weiß, dass sie als Siegerin aus dieser Sendung hervorgehen wird. Zumindest in den Augen der Besorgten und Unentschlossenen.

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