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The Fashion Issue 2013

VICE Reviews

A$AP ist die Chloë Sevigny des Hypebeast-Raps und Střed Světa brachten den Papst zum Rücktritt. Die neuen Reviews sind da.

DADUB
You Are Eternity
label?
9
Ein Blick auf die Tracklist dieser Granitwand von einem Album setzt uns umgehend ins richtige Bild: „Truth“, „Life“, „Death“, „Path“, „Existence“ (usw.) - durchatmen, es müsste schon mit dem Teufel, also Tiësto, zugehen, wenn man hier von funny Techhouse belästigt wird. Überhaupt: Wenn wir von jemandem die Abwesenheit des Banalen in gleichermaßen übermächtige wie auch mikroskopisch Soundforschende Dub-Techno-Massive übersetzt wissen wollen, dann doch von diesen zwangsläufig in Berlin gelandeten Exil-Römern. Nur so nebenbei: Als mich Musik das letzte Mal zum Heulen brachte, wurde ich von Amenras auf sämtliche Daseinsgründe gehenden Live-Show weich geprügelt. Dieses Album laut unter Kopfhörern hat den gleichen Effekt, jedoch mit einer unbezwingbaren Dauerlatte als nicht unwillkommener Nebenwirkung.
PFIZER MINELLI

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DOLDRUMS
Lesser Evil
Souterrain Transmissions
2
Es werden in nächster Zeit viele Leute versuchen, dir einzureden, dass das hier der neue Scheiß ist. Du solltest ihnen in erster Linie nicht glauben, und zweitens interessehalber nachfragen, warum sie das eigentlich denken, um sich danach wenigstens über ihre Antwort lustig machen zu können. Denn Doldrums ist einfach nur ein Haufen zusammengequirlter Elektropop- Scheiße mit Tumblr-Ästhetik und erheblichen Mängeln im Technikverständnis, denen man mal ordentlich die Leviten lesen und gründlich erklären sollte, dass ein bisschen schrottiges Macbook-Geklimper noch lange keine Band macht.
MIEZE KOTZE

STŘED SVĚTA
Střed Světa
Baba Vanga
8
Unlängst sah ich, wie der Himmel seine Wolken öffnete und Gottes Glorie in Form von goldenen Lichtstrahlen die ganze Welt erleuchtete. Ein Engel stieg herab, ein wundervolles, androgynes Wesen ohne Makel, gehüllt in weiße Gewänder mit feuerrotem Haar, und in seiner Hand hielt es Kopfhörer. Vollkommen wehrlos ließ ich mir diesen aufsetzen und binnen Sekunden hörte ich dieses 42-minütige Werk, Tränen liefen meine Wangen herab und der Engel verblasste, der Himmel schloss sich und die Welt war wieder in hoffnungslose, dunkelgraue Stille gehüllt. Aber zu meinen Füßen lag eine Kassette. Deshalb trat ich am 28. Februar von all meinen Ämtern zurück. BENEDIKT XVI.

VONDELPARK
Seabed
R&S Records
6
Normalerweise kriege ich immer die ganz miesen Alben zum Reviewen. Was sich sehr gut trifft, weil ich viel besser Sachen scheiße als gut finden kann. Außerdem kommt dazu, dass ich musikalisch alles außer Kanye West doof finde. Als ich das Cover zu Seabed gesehen habe und es eigentlich gar nicht nach Scheißmusik aussah, hatte ich ein bisschen Angst, dass ich nichts dazu sagen könnte. Dann habe ich es mir angehört und es lässt sich (leider) wirklich nicht besonders gut über dieses Album herziehen. Es ist zwar ein bisschen fad und in einem Lied verwenden sie das Apple-lauter/leiser-Taste-Geräusch, was mich fast in den Wahnsinn getrieben hätte, aber im großen Ganzen ist Seabed voll o.k. Vor allem, wenn man ein dauerwacher Surfer ist.
DAUERWACHER SURFER

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AERA
Offseason Traveller
Aleph Music
4
Bei den Aborigines gibt es das Virgin Birth Syndrom, bei dem Frauen jungfräulich schwanger werden. Die Menstruation der Frau und Sex tun dabei nichts zur Sache. Wenn ich jemals ein Kind bekomme, werde ich meinem Vater diese Geschichte erzählen. Daran musste ich denken, als ich den Track „By The Red Lake“ hörte. Und daran, dass ich jetzt aufhören muss, Musik zu hören, die meinen Seelenfrieden durcheinanderbringt, damit ich meine Prüfung über die Anthropologie Australiens schaffe.
DIE EIN BISSCHEN BEFLECKTE EMPFÄNGNIS

IGORRR
Hallelujah
Ad Noiseam
7
Der Sack dieses Irren hier ist so groß, da passen all die Gothmetal-Heulsusen und Brostep-Luschen rein, die in ihrem Oeuvre die „Liebe zur klassischen Musik verarbeiten“. Sein neues Album wiederum ist das geeignete Werkzeug, um nicht nur die eigenen Klöten fröhlich durchzubläuen. In seinen gemäßigten Momenten klingt Hallelujah so, als würde Skrillex in einem SAW-Sequel mit einer Schienenschleifmaschine gefoltert, während ein Zufallsgenerator die Frequenz an einem übersteuerten Transistorradio ändert. Die restliche Zeit erinnert dann einfach nur noch an den cut-up-bombardierten Mentalamok eines dissoziativ gestörten Metalheads. Die auf diesem Album skizzierte Welt, in der Opern- und Schlachthäuser in dieselben Trümmerhaufen fallen, betritt man besser nur, wenn man schon mal vorher ein Igorrr-Schlachtfest überlebt hat.
SUSI SEIFENBLASE

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ICEAGE
You’re Nothing
Matador
9
Dieses Album zu veröffentlichen, ist das Beste, was Iceage machen konnten. Es kommt noch rechtzeitig, bevor die aus der Rock-’n’-Roll-Geschichte hinlänglich bekannten Störfaktoren (Majordeal, Alter, musikalischer Anspruch, plötzliches Ableben) größeren Schaden anrichten können. Es ist trotz all der geübten Posen die glaubwürdigste Verwirklichung von konsensfähiger Teen-Angst, die seit Jahren zu hören war. Es ist das, was das Debüt auch schon war, nur mit richtigen Liedern. Gut, dass man ohne das billige Skandal-Einmaleins mit Runensymbolik, NSBM-Fashion und sonstigem Provokations-Klimbim der Unantastbarkeit noch einen Schritt nähergekommen wäre, werden sie erkennen, wenn sie groß sind. Letztendlich gehört es hier zum hitzköpfigen Drücken der roten Knöpfe, wie so vieles, was dieses Album zum Besten macht, das Iceage zu diesem Zeitpunkt abliefern konnten.
PAPA SCHLUMPF

ESBEN AND THE WITCH
Wash the Sins Not Only the Face
Matador
1
Esben, Witch, es tut mir echt leid. Aber ihr könnt euer Album leider nicht Wash the Sins Not Only the Face nennen. Zum einen, weil es verdammt noch einmal einfach keinen Sinn ergibt. Zum anderen, weil ihr damit euer Image, verzweifelt ernsthaftes Zeug für verzweifelt ernsthafte Musikjournalisten zu veröffentlichen, nie wieder loswerdet. Und ich kann euch versichern, das ist kein gutes Image. Auch was die Musik angeht, solltet ihr noch einmal drüber nachdenken. Großer Fehler. Ganz ehrlich, Scheiß auf den Albumtitel, bei den Songs ist es echt nicht zu überhören, dass diese Band-Sache nichts für euch ist. Ihr werdet nie so etwas wie Spannung oder Interesse erzeugen und ihr werdet jede Kritik mit eurer halb-gruftigen Apathie einfach weglangweilen.
MILLIE PRABHAKAR

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MIRE KAY
A Rising Tide Lifts All Boats
Tendervision/Alive
7
Endlich Frühling! Da kommt diese Platte gerade zum falschen Zeitpunkt. Traurig und sich in den eigenen vier Wänden einbunkernd, so stellt man sich die Entste- hungsgeschichte von Mire Kays Balladen vor. Die beiden sympathischen Schwedinnen Emelie Molin und Victoria Skoglund sind gut in dem, was sie machen, erinnern an eine Mischung aus Cat Power und allen anderen stillen Wassern, alles zaghaft und melancholisch. Also eh schön, aber nicht der Soundtrack fürs Frisbeespielen im Augarten. Auf- und ein wenig aus dem Rahmen fallend ist jedoch die Instrumentierung: Cello und klassische Gitarre, weshalb auch die sagenhaften Rachels in Erinnerung gerufen werden. Mire Kay nennen sich im Pressetext auch „Kammer Pop“, ein Ausdruck mit einer ähnlichen Sinnschere wie Luftballonrasierer. Pop ist es keiner, so viel ist klar, aber wer gerne nachdenklich an die Wand oder in die Flamme der Kerze am Tisch nebst einer Flasche Rotwein starrt, ist bei Mire Kay bestens aufgehoben und sollte A Rising Tide Lifts All Boats auf jeden Fall eine Chance geben. Es ist durchaus ein aufbauendes Erlebnis, was der passende Albumtitel auch suggeriert. Man will sich zum Glück nach Ende der 11 Nummern nicht in selbigem Rotwein ertränken. Mire Kay erfinden das Rad zwar nicht komplett neu, können aber gut mit diesem alten, liebgewonnenen Puchfahrrad umgehen.
DOTCOM AS YOU ARE

A$AP ROCKY
LONG. LIVE. A$AP
RCA Records
7
Schwer zu erklären, was diesen Typen und seine Musik so faszinierend macht. Er hat viel zu oft nichts zu erzählen; wie er nichts erzählt, ist ebenfalls selten aufregend—er ist so was wie die Chloë Sevigny des Hypebeast-Raps. Zeremonienmeister der Oberflächlichkeit, behände den Nerv der Zeit wankend und ununterbrochen mit irgendwelchen Coping-Strategien beschäftigt, die der ganzen Sache eine kaum zu greifende Deepness verleihen. Man ist da erst mal von den Socken, aber lass uns noch mal in fünf Jahren darüber sprechen, was wir damals an diesem Homie mit dem Dollarzeichen im Namen fanden. Mitunter dürfte sich der Hype sogar noch viel schneller selber fressen. Heruntergepitchtes Fill-in-Gestöhne wirkt bereits jetzt bei Veröffentlichung so was von 2011.
GUCCI GOBLIN

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