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Ich hatte ein schönes Leben als Koks-Dealer in der Karibik

Internationaler Kokain-Dealer sein, ist kein Zuckerschlecken. Du machst zwar schnell das große Geld, aber gleichzeitig musst du dich mit Verrätern, Auftragskillern und Bestechungsgeldern herumschlagen.

Mit Kokain hat sich Michael Weigelt jahrelang ein schönes Leben in der Karibik finanziert. Zuletzt residierte er auf einem 12.000-Quadratmeter-Grundstück und hatte nie weniger als 10.000 Dollar in der Tasche.

Aber die deutsche Polizei war ihm auf den Fersen—weswegen er die jamaikanischen Cops bestechen musste, um nicht ausgeliefert zu werden. Ewig ging das nicht gut: Nach mehreren Jahren in der JVA ist er nun wieder draußen. Über seine Zeit als Drogenschmuggler hat er ein Buch geschrieben: Jamaika-Mike–Ganja, Koks und Karibikträume.

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Ich habe mich vor seiner Lesung mit ihm getroffen. Er erzählt von Reisetaschen voll Koks, die der Zoll teilweise irrtümlich wieder ausgehändigt hat, und wie das Verhältnis zum Big Boss immer beschissener wurde—bis zum versuchten Auftragsmord.

Vice: Mike, du hast eine ganze Menge kolumbianisches Kokain von Jamaika nach Deutschland gebracht. Über was für eine Menge sprechen wir?
Michael Weigelt: Das waren so etwa 30 Kilo, die sie mir jetzt nachgewiesen haben, für die ich letztendlich hier verurteilt worden bin.

Aber dafür bist du eigentlich nicht nach Jamaika gegangen. Was wolltest du da machen?
Ich hatte ein Wirtschaftsberatungsunternehmen—das lief anfangs ganz gut, doch Ende der 90er sind wir pleite gegangen. Und ich hatte immer gesagt: Eines Tages wanderst Du aus. Mich hat Deutschland nur angekotzt. Dann bin ich 1999 mit 3000 US-Dollar und meiner Freundin rübergeflogen. Das Problem war: Den Job, um den ich mich gekümmert hatte, gab es schon gar nicht mehr. Dann hab' ich Touren für Urlauber gemacht. Aber das mit dem Geld haute alles nicht hin.

Wie kamst du in Kontakt mit den Jungs, die Drogenkuriere suchten?
Das Geld war aus. Wir haben unsere Sachen auf der Straße verkauft. Tony war so ein kleiner Jamaikaner, Dreadlocks. Und hatte immer so vier, fünf Leutchen um sich herum. Die haben die Touristen mit Drogen, Frauen und so weiter versorgt. Kleinkriminelle. Jeden zweiten Tag laberte der mich auf irgendeinen Drogendeal an. Die wollten immer, dass wir investieren. Einmal aber nicht – „ganz sicher, ganz sicher“, hieß es. Wir sollten nur für seinen Boss was von A nach B bringen.

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Dann hast du deine zukünftigen Chefs kennengelernt, Paul und Michael. Was wollten die von dir?
Ein Kilogramm Kokain von Jamaika über Deutschland nach London, 10.000 Pfund Kurierlohn. Das war der Deal. Das wollten wir nach langen Diskussionen machen. Das Zeug kam aus Kolumbien, vom Cali-Kartell. Paul ist Anfang der 90er dahingeflogen und hatte was vereinbart. Der war schon seit Jahren im Geschäft. Jamaika ist der Umschlagplatz Nummer Eins in der Karibik, mindestens 70 bis 100 Tonnen jährlich. Das ist alles für den europäischen Raum gedacht. Das wurde mit Speedbooten von Kolumbien nach Jamaika geliefert und dann durch kubanische Gewässer wegen der US Coast Guard transportiert (die in solche Gewässer nicht rein dürfen, und demnach auch nicht kontrollieren können).

Wie habt ihr das Kokain nach Europa geschafft?
Das wurde in die Labore gebracht, sobald es aus Kuba kam. Dort wurde es zu Paste verarbeitet und in Spezialfolie eingewickelt. So war das nicht durch Röntgen-Strahlen als Koks zu identifizieren. Und Hunde konnten das so auch nicht erschnüffeln. Dann trennst Du den Boden einer Reisetasche auf, nimmst die Schaumstoffeinlage raus und tust die in der Folie eingewickelte Paste da rein. Da konntest Du draufdrücken, das fühlte sich an wie die Schaumstoffeinlage.

Das System war perfekt. Wenn was passiert ist, dann weil Kuriere sich blöd angestellt haben oder nervös waren. Als das einmal geklappt hatte, sagte Paul: Ich mach euch schweinereich. Ich habe ab da nur nur noch Kuriere angeworben und wurde am Gewinn beteiligt. Die haben mir quasi die Türe eingerannt. Alles Leute ohne Job und mit Schulden. Ich musste Hotelzimmer für die buchen, Löhne auszahlen. Pärchen haben pro Fahrt 25.000 DM bekommen, plus Taschengeld. In England war Paul dann wieder selbst zuständig.

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Gab es keine Probleme mit den Polizisten?
Indirekt. Wir hatten mal wieder zwei Kuriere. Und auf einmal waren die Taschen weg. Kamen nicht vom Laufband am Düsseldorfer Flughafen. Die Vollhonks hatten im Urlaub Muscheln gesammelt. Die standen aber unter Artenschutz. Der Zoll hat die Muscheln gesehen und die Taschen konfisziert -  und dann zwei Taschen mit jeweils zwei Kilo Kokain wieder ausgehändigt, nachdem die Jungs eine Strafe wegen den Muscheln gezahlt hatten.

Wir waren aber insgesamt sehr vorsichtig, auch mit Telefonaten. Meistens von Call-Centern, selten von Handys. Als ich verhaftet wurde, hab ich dann in den Akten der deutschen Polizei gesehen: Die haben alle unsere Telefone abgehört. Einige Kuriere waren erwischt worden und hatten gegen mich ausgesagt.

Und in Jamaika selbst? Was ging da mit der Polizei?
Es gab ein Amtshilfeersuchen der deutschen Polizei. Meine Aufenthaltserlaubnis war abgelaufen - das wussten die Deutschen, die mich wegen Drogenschmuggels gesucht haben, und haben die Jamaikaner drauf angesetzt. Die kamen und wollten mich mitnehmen. Ich saß schon in Handschellen bei denen im Auto. Dann hab ich die gefragt: Was kriegt Ihr denn von den Deutschen? Könnt Ihr Euch nicht vorstellen, das Ersuchen zu vergessen? Dann sind wir zurück auf mein Grundstück gefahren, wo ich ihnen 1500 Dollar gezahlt habe – von dem Geld, das sie bei der Durchsuchung nicht gefunden haben. „Tough motherfucker Mikey“, haben sie da gesagt. Das war wohl ein Kompliment. Die haben den Deutschen dann nur geschrieben: „Michael Weigelt gibt’s hier nicht.“

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Du hattest aber nicht nur Probleme mit der Polizei—sondern schließlich auch mit der Crew vor Ort …
Der Big Boss, Paul, hat mit meiner deutschen Connection hinter meinem Rücken Geschäfte gemacht. Eigentlich wollte ich von Jamaika aus nur noch investieren – und meinen deutschen Verbindungsmann beauftragen, Kuriere zu organisieren. Ich hatte ihn allerdings Paul vorgestellt. Die organisierten auf einmal die Kuriere, ohne dass ich es wusste. Als ich das herausgefunden habe und mit meinem Kumpel reden wollte, stand für die fest: Ich lehne mich auf.

Paul hat mir dann einen Killer auf den Hals gehetzt. Als der Typ vor mir stand und sagte, er soll mich und meine Freundin zu Paul bringen, kam mir das schon spanisch vor. Das Verhältnis zu Paul war da eigentlich schon sehr getrübt. Er war mit der Zeit immer aggressiver geworden. Und nun sollte uns dieser Typ angeblich in die Labore nach Montego Bay bringen – die sollten wir früher nie zu Gesicht kriegen.

Wie lief das dann ab?
Während der Fahrt hab' ich ihn ein bisschen mit Fragen getestet und irgendwann war klar: Der kennt Paul kaum. Außerdem wollte er noch einen Abstecher ins Landesinnere machen. Die Pistole hab ich erst später gesehen. Die Frage war: Wie kriege ich den aus der Karre?

Wir sind dann durch heftige Schlaglöcher gefahren und ich hab eine Reifenpanne vorgetäuscht. Als er ausstieg und gesehen hat, dass der Reifen gar nicht im Arsch ist, griff er schon in seine Innentasche. Ich hab' ihm dann mit dem Wagenkreuz eins übergezogen. Der ist wie in Zeitlupe weggesackt. Dann sind wir bei einem guten Freund untergetaucht und ich hab Dokumente bei meinem Anwalt hinterlegt. Die sollten im Falle meines Ablebens an Scotland Yard und BKA gehen. Paul und ich haben auf diese Weise quasi ein Abkommen geschlossen.

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Irgendwann war's dann aber vorbei mit Jamaika …
Am 28. November 2003 haben Sie mich ins jamaikanische Gefängnis gesteckt. Die deutsche Polizei hatte ein Amtshilfeersuchen an eine neue Einheit gestellt – die lokalen Behörden haben davon gar nichts mitbekommen. Das BKA war extra nach Kingston gekommen. Dann ging's per Flugzeug nach Frankfurt. Die dachten, sie hätten einen Riesen-Drogenbaron. Einen ganz großen Fisch.

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