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Popkultur

Dinge, die wir vom Tatort über Berlin gelernt haben

‚Das Muli' hatte alles—riesige Mengen Kokain, soziopathische Ermittler und ausgeweidete Blondinen. Was aber wirklich wichtig war, erfahrt ihr hier.
© rbb/Frédéric Batier

Berlin, Koks, ermordete Mädchen—wenn es eine Tatort-Formel gibt, die eigentlich zwingend bei der jungen Twitter-Generation ankommen muss, dann hatte Das Muli sie. Ein junges Mädchen wird ermordet, als die Kokain-Kondome in ihrem Magen platzen und ihre Bosse den Stoff retten wollen. Ein anderes Mädchen wird Zeuge der brutalen Ausweidung und befindet sich seither auf der Flucht vor dem Drogenboss und seinen Handlangern. Mit neuem Ermittler-Team, gewalttätigem Geschlechtsverkehr in den ersten Minuten und jeder Menge Blut begann der erste Berlin-Tatort seit Längerem, geriet nach vielversprechendem Einstand dann aber doch etwas—man traut es sich bei diesem Thema kaum zu sagen—langweilig. Trotzdem gab es die ein oder andere Erkenntnis über die deutsche Hauptstadt und ihre Bewohner, die wir aus dem ARD-Krimi mitnehmen konnten:

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Berliner Ermittler sind heftiger als Sherlock

Alle Fotos: rbb/Frédéric Batier

Es scheint in letzter Zeit zunehmend wichtiger zu werden, dass jeder Tatort-Kommissar irgendetwas Absonderliches an sich hat—schließlich ist Mecklenburg-Vorpommern nicht Albuquerque und irgendwie muss man die gute alte Leichenfund-Sache ja auch spannend halten. Zum Beispiel mit Alkoholismus, ungeklärten Problemen mit der leiblichen Tochter, der Flucht vor emotionalen Problemen in bedeutungslosem Sex oder eben einer Inselbegabung am Rand zur Soziopathie.

Letzteres ist die prägendste Eigenschaft von Robert Karow, der nicht nur bemerkenswert unsympathisch, sondern offenkundig auch die Berliner Entsprechung von Sherlock Holmes ist. Egal, ob beim Blick in eine Badewanne voller Blut („Eine Frau, vielleicht auch zwei. Sie waren irgendwo, wo die Sonne schien.") oder durch schiefe Seitenblicke auf seine Kollegin („Sie sollten bei Ihren Kindern sein, jetzt, wo Ihr Mann Sie verlassen hat.")—Karow weiß alles und ist gleichzeitig absolut nicht dazu in der Lage, menschliche Emotionen zu entschlüsseln. Na, kommt uns das bekannt vor? Watch out, Benedict Cumberbatch!

Leute, die Wohnungen in Berlin vermieten, sind ziemliche Arschlöcher

Wenn wir ganz ehrlich sind, dann haben wir jetzt nicht mehr so richtig auf dem Schirm, wie der Vermieter hieß, in dessen Wohnung das eine Drogenschmuggler-Mädchen ausgenommen wurde. In Erinnerung geblieben ist er vor allem durch die überraschende Kaltschnäuzigkeit, die er in Anbetracht der Tatsache an den Tag legt, dass jemand in seinen vier Wänden ermordet wurde. Und natürlich, weil er ein ziemliches Arschloch war.

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Als würde offensichtlich wohlsituierten Menschen Ende 30, die ihre mäßig aufwendig restaurierte Berliner Altbauwohnung über Airbnb an reiche Hamburger vermieten, nicht sowieso schon etwas überaus Unsympathisches anhaften, beschäftigt er auch noch eine illegale Putzfrau, weigert sich, der Polizei bei der Identifizierung des Mörders behilflich zu sein und ist zu guter Letzt auch noch ein Rassist. (Seine Meinung zu Türken: „Die sehen doch alle gleich aus.") Abgesehen davon macht der Tatort allerdings Hoffnung für den Berliner Wohnungsmarkt. Anscheinend gibt es da draußen noch großzügig geschnittene Altbauwohnungen für junge Familien (Vater, Söhne, Morddezernats-Mutter), man muss sie nur finden.

Praktika in Berlin sind das Letzte

Wer Berlin bisher als Vorzeigestadt für Medienpraktika direkt aus der Hölle gesehen hat—vergesst alles. Wirklich schlimm wird es erst, wenn ihr euch als Hospitantin bei der Kripo befindet. Ihr seid jung, intelligent, engagiert? Freut euch schon mal auf einen superintelligenten Arschloch-Chef („Sie sind die Hospitantin? Gut, holen Sie mir einen Kaffee!"), der euch alle Aufgaben überträgt, auf die ihr keine Lust habt und eurer direkten Vorgesetzten dann erzählt, dass ihr euch krank gemeldet hättet, um anschließend die Lorbeeren einzustreichen. Andererseits: Wenn es eine ideale Vorbereitung auf einen Beamtenjob mit Bürokleinkriegen gibt, dann wahrscheinlich das.

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Berliner Drogenpaten sind ziemlich dumm

Es gibt eine Frage, die man sich zum Leben und Schaffen des Hauptantagonisten Mehmet Erdem stellen muss. Wieso spricht er immer dann, wenn er mit seinem Handlanger telefoniert, wie ein türkischer Aushilfsganove, sonst aber in normalem Deutsch? Wieso fährt er fast dasselbe Auto wie die Dealer aus dem Crystal-Meth-Tatort? Und warum eigentlich diese Frisur? Insbesondere die Sache mit dem Drogenschmuggel geht aber von vorne bis hinten nicht so richtig auf. Stellen wir uns also vor: Ich riskiere Kopf und Kragen damit, dass ich Mädels von der Straße auflese, sie jeweils ein Kilo Koks schlucken lasse, dann zurück nach Berlin bringe und darauf warte, dass sie den Stoff irgendwann ausscheiden.

Erstens: Warum sollte ich das auf mich nehmen, wenn der Straßenwert des so geschmuggelten, größtenteils reinen Kokains angeblich nur 40.000 Euro pro Kilo beträgt (Quelle: Tatort-Polizei)? Das sind 40 Euro pro Gramm! Wenn wir von diesem Geld auch noch die zwei Wochen Luxushotel für die Mulis miteinberechnen, plus die Entlohnung für die Frauen, plus die nicht unerhebliche Gefahr, dass nicht alles wieder eins zu eins so rauskommt—was bleibt denn dann bitte noch übrig? Ganz abgesehen von der Tatsache, dass es absolut keinen Sinn ergibt, sich mit ebenjenen Frauen dann auch noch für mehrere Tage in einer Airbnb-Wohnung abzusetzen und somit die Gefahr aufzufliegen, bedeutend steigert.

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Der BER sollte nie ein funktionsfähiger Flughafen werden

Eigentlich hätten wir es die ganze Zeit ahnen müssen. Milliarden von verpulverten Euro, Tausende Tage, die ins Land gezogen sind, und nach wie vor kein fester Termin für die Fertigstellung von Berlins endlosem Flughafenprojekt? Selbst die deutsche Hauptstadt mit ihrem ausgesprochenen Fetisch für Baustellen kann doch unmöglich so unfähig sein. Umso glücklicher darf es uns nun stimmen, dass das Geheimnis um das ewige Streitthema Flughafen Berlin Brandenburg endgültig vom Tisch ist: Der BER sollte nie ein wirklich funktionsfähiger Flughafen werden, auf dem echte Flugzeuge starten und landen.

Stattdessen wurde hier heimlich, still und leise die wohl teuerste Kulisse in der Geschichte des Fernsehens gebastelt. Riesige, moderne Gebäude und große Plätze? Tote Straßen, die man nicht einmal absperren muss, weil hier sowieso niemand lang kommt? Die Studios in Babelsberg haben ausgedient, Berlins neuer und größter Filmpark liegt in Schönefeld.

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