In Frankfurt sind Hooligans, Pegida-Gegner und die Polizei zusammengestoßen
Unser aller Lieblingshooligan: Der Pforzheimer Berserker. Alle Fotos: Ben Kilb

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In Frankfurt sind Hooligans, Pegida-Gegner und die Polizei zusammengestoßen

Zur Demo des islamfeindlichen „Widerstand Ost-West" kamen 200 Leute, zur Gegendemo 2000. Die Hools waren trotzdem zufrieden.

Ester Seitz hat dick aufgetragen. „Die geilste, größte, spektakulärste Demonstration, die Deutschland je gesehen hat", wollte sie mit ihrem islamfeindlichen Widerstand Ost West in Frankfurt steigen lassen. Nachdem die junge Frau aus Neumarkt bei Nürnberg schon Auftritte der gesinnungsgleichen „Freien Bürger" in Frankfurt besucht hatte, wollte sie jetzt ihr eigenes Projekt auf die Beine stellen. So richtig geil und groß ist es dann doch nicht geworden: Kurz vor dem offiziellen Beginn der rechten Kundgebung tummeln sich auf dem Roßmarkt in der Frankfurter Innenstadt allerhöchstens 60 frustrierte junge Männer und Rentner, allerdings auch zwei Kinder.

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Nichts will so wirklich klappen für Ester Seitz und ihre Mitstreiter: Die Mehrzahl der erwarteten Teilnehmer werde auf ihrem Weg vom Hauptbahnhof bis in die Innenstadt aufgehalten, erklärt die Organisatorin. Die Tontechnik funktioniert entweder gar nicht oder klingt so verrauscht wie eine Durchsage des Reichssenders. Der zappelige Sprecher entschuldigt sich: „Sorry, unsere erste Demo."

Dabei hatte Ester Seitz vorher allen Grund, sich auf ihre Demo zu freuen. Weil neben jeder Menge friedlicher Demonstranten auch Linksradikale seit Wochen gegen die Islamfeinde mobil machen, wollte die Stadt Frankfurt den rechten Aufmarsch an den Rand der Metropole am Main verlegen. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel entschied dagegen: Die Gefahrenlage sei nicht „Widerstand Ost West" zuzurechnen, die Polizei müsse die Demonstration der Gruppe daher „vor Störungen und Ausschreitungen Dritter" schützen und ihre Maßnahmen „primär gegen den Störer" richten, urteilte ein Richter.

Ester Seitz hat gute Laune.

Um kurz vor 2:00 Uhr vergeht den ersten Journalisten auf dem Roßmarkt dann auch erstmal das Lachen über die geringe Teilnehmerzahl. „Ahuuu, ahuuu" schallt es über den Platz, als Dutzende Hooligans durch die blickdichten Bauzäune zur Demo stoßen.

Auch Gastredner und Szene-Star Michael Stürzenberger stimmt mit ein. Der Betreiber des rechtspopulistischen Blog „Politically Incorrect" hat für die Hooligans nichts als Dank übrig: „Sie waren es, die als erste die Bedrohung durch Salafisten gewittert haben. Ahuuu!" Und als „Nazis" könne man die Hools nicht bezeichnen, schließlich seien die meisten völlig unpolitisch.

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Immer mit dabei: Michael Stürzenberger

Nicht alle der selbst ernannten „Vaterlandsverteidiger" schaffen es auf den Roßmarkt. Elf von ihnen haben sich am Vormittag in einem Burger-Restaurant am Willy-Brandt-Platz mit Linksaktivisten gekeilt und sitzen nun in U-Haft. Auch die Polizei verzeichnet erste Verluste, nachdem ein Beamter auf einer Gegendemo am Vormittag durch einen Flaschenwurf schwer am Kopf verletzt wurde. Rund 2.000 Gegendemonstranten versuchen zwischen Hauptwache und Willy-Brandt-Platz die Zufahrtswege zur Kundgebung zu blockieren.

Widerstand Ost West verkauft sich auf dem Roßmarkt indes als eine Gruppe echter Demokraten und wahrer Christen voller Nächstenliebe. „Wer stört, wird des Platzes verwiesen. Die Gewalt überlassen wir den Rotfaschisten", macht der Demo-Sprecher klar. Stürzenberger schiebt mit Fikri Akar einen türkischen Christen vor die Kameras: „Niemand soll sagen können, dass wir Nazis sind und Ausländer hassen!" Die Journalisten wittern die perfide Masche und lehnen Interviews mit Akar ab.

Er warnt, dass der Islam keine Ruhe geben werde, bis er nicht die ganze Welt unterjocht habe. Selbst alle moderaten Muslime würden sich irgendwann dem dschihadistischen Kollektivzwang ihrer Religion ergeben, behauptet er und erzählt noch ein wenig davon, wie nett doch die gemeinsame Zugfahrt mit seinen neuen Freunden von HoGeSa verlaufen sei.

Die Kundgebung auf dem Roßmarkt verläuft dann nicht weniger bizarr als Veranstaltungen des Frankfurter Pegida-Ablegers „Freie Bürger" in den letzten Monaten: Stürzenberger und sein rechter Blogger-Kollege Michael Mannheimer brüllen und gestikulieren wie ihre historischen Vorbilder, hetzen gegen „Antideutsche", gegen Handlanger in Politik und Medien, natürlich auch gegen „Verbrecher und Terroristen", die sich Deutschland mit seiner Asylpolitik ins Land hole. Der kreativste Beitrag der Hools ist ein „Antifa - Hurensöööhne".

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Es sind aber nicht nur Hools und Rechte gekommen, auch ein paar „normale Bürger". Zwei Frankfurter, beide knapp über dreißig und optisch eher nicht dem Gesellschaftsrand zuzuordnen, stehen etwas abseits von Hools, Rentnern und Ordnern mit gegelten Wehrmachtsfrisuren. „Mit Nazis haben wir absolut nichts am Hut. Und uns gefällt es auch nicht, dass sich einige hier blicken lassen", beteuert einer der beiden. Allerdings teile er die Angst der übrigen Teilnehmer vor der „Islamisierung Deutschlands und der unkontrollierten Asylpolitik". Vorfälle wie der geplante, aber vereitelte Anschlag eines Salafisten-Pärchens auf das Frankfurter Radrennen im Mai habe beide letztlich dazu bewogen, sich die Demo zumindest einmal aus sicherer Entfernung anzuschauen. „Was bleibt uns denn sonst", fragt der eine, „entweder der Wahlzettel oder Demos dieser Art."

Auch Heidi (53) sieht die Mitglieder der „German Defence League", der „Berserker Pforzheim" und des „Bündnis deutscher Hools" nicht gerne. Dennoch sei sie eigens aus Leipzig angereist, um „die Heimat und Frankfurt zu verteidigen". „Politische Flüchtlinge sind hier herzlich willkommen. Wir brauchen auch Zuwanderung, keine Frage. Aber die Flüchtlingswelle nimmt überhand", steht für sie fest. Und ihr Anliegen sehe sie von Widerstand Ost West am ehesten vertreten.

Zum Abschluss der Kundgebung zieht die Demonstration noch kurz um den für sie abgesperrten Bereich in der Innenstadt. Die Hools werden plötzlich zu Ordnern und flankieren die kleine Demo. Dabei kommen sich die Gegenseiten nie näher als zehn Meter. Michael Stürzenberger hofft darauf, dass die Polizei „ein paar Rotfaschisten an die Wand klatscht".

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Ich entferne mich von Widerstand Ost West und hänge mich an ein paar Linksradikale, die in Richtung Goethestraße spurten. Etwa 2.000 größtenteils friedliche Gegendemonstranten halten sich in der Stadt auf. In der Junghofstraße hat die Polizei etwa 150 Aktivisten eingekesselt, die zuvor mit Steinen und Eiern geworfen haben. Der solidarische Rest drängt aus mehreren Himmelsrichtungen zum Kessel.

Mal fliegen Flaschen, Böller, Rauchbomben und Lebensmittel. Mal prescht die Polizei auch ohne größeren Anlass mit Tränengas in die Menge. Ein Polizist wischt mit seinem Schlagstock wie im Wahn um sich. So geht das mehrere Stunden lang. Freunde machen sich beide Seiten dabei kaum. Als ein älterer Herr zu Boden stürzt, brüllt eine Aktivistin einen Polizisten an: „Ihr seid Maschinen, beschützt Nazis und verprügelt Unschuldige." Der vermummte Polizist reißt sich daraufhin die Sturmhaube runter: "Schau her! Ich bin auch nur ein Mensch, habe Familie. Und wir beschützen keine Nazis, sondern unsere Verfassung", hält er ihr entgegen.

Gegen 18 Uhr verlässt der groteske Zirkus die Stadt. Der erste Auftritt von Widerstand Ost West verlief entspannter, als es viele erwartet hatten. Höchstens 200 Teilnehmer demonstrierten auf dem Roßmarkt. Die Polizei eskortiert die Hooligans und andere Teilnehmer mit U- und S-Bahnen aus der Gefahrenzone.

Das habe sich die Bewegung auch verdient, findet Organisatorin Ester Seitz, schließlich habe man sich im Vergleich zu den „Linksfaschisten" benommen. Der Kasseler Richter hat damit Recht behalten. Bei ihrem nächsten Auftritt darf sich die Bewegung den Ort ihrer Demo wohl wieder selbst aussuchen.

Ester Seitz hat die Drohung „der geilsten, größten, spektakulärsten Demonstration" zwar nicht wahr gemacht. Solange sich Widerstand Ost West so verstörend brav und verfassungstreu gibt, so gut beschützt wird und die Gewalt seinen Gegnern überlässt, könnten die Demos also weitergehen. Auf ihrer Facebook-Seite spricht Seitz jedenfalls von einem „Sieg"—auch wenn eigentlich jeder sehen konnte, welche Seite an diesem Tag die Mehrheit gestellt hat.