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Sex

Die Nacktfußball-EM der Frauen war absolute Kackscheiße

Egal wie man es sieht: Die Nacktfußball-EM der Frauen war sexistische Kackscheiße, spielerische Kackscheiße und auch so ein ziemlich langweiliges Event. Außer für die Riege der einsamen Teleobjektiv-Jungs.

Am Wochenende fand in Berlin die erste erotische Nacktfußball-Europameisterschaft der Frauen statt. Wir waren dort, um euch von den Ereignissen vor aber auch bei dieser Sport- und Erotikveranstaltung zu berichten.

Ein sonniger Samstag vor dem Palais am Funkturm, an dem zwei Großereignisse der mittelprächtigen Unterhaltungskunst direkt nebeneinander stattfinden: das 10-Jahre-rbb-Fest und die erste erotische Nacktfußball-Europameisterschaft der Frauen.

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Ich laufe an rbb-Bratwurstständen und von Schunkelmusik mürbe gemachten Kleinfamilien vorbei, hin zur Veranstaltung, die wohl eher nur von männlichen Singles frequentiert werden dürfte.

Doch vor dem Eingang treffe ich erst mal auf eine Gruppe feministischer AktivistInnen, die gegen „sexistische Kackscheiße“ demonstrieren. Als solche sehen sie offensichtlich diese Veranstaltung. Knapp 30 Frauen und Männer stehen da mit Plakaten; Sandra ist Mitorganisatorin der Demo und Studentin an der HU Berlin und findet die Idee, Fußball und nackte Pornodarstellerinnen zu verbinden, „zum Kotzen“, denn das verstärke nur den Heterosexismus, die Pornofizierung der Gesellschaft und Objektifizierung von Frauen.

Währenddessen laufen ein paar Typen an uns vorbei, die den Eingang suchen und ein wenig irritiert kucken. „Man wolle und dürfe denen ja nicht verbieten, da rein zu gehen“, sagt Sandra, „aber man muss aufmerksam machen auf diese Ausbeutung.“ Meinen Hinweis, dass der Eintrittspreis von 42 Euro, den Mann zahlen muss, ja auch ganz schöne Ausbeutung ist, kontert sie mit dem psychischen Preis, den die Frauen für solche Arbeit zu zahlen haben, denn nicht alle machen das freiwillig und viele erleben Gewalt und erleiden langfristige Störungen.

Stören wollen einige DemonstrantInnen dann aber doch ein bisschen und beschimpfen ein paar Besucher als Perverse. Ich persönlich finde an denen nur pervers, dass die alle Gürteltaschen und Jeans aus den Neunzigern tragen und Objektive besitzen, die garantiert drei Mal so groß und lang wie ihr Penis sind.

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Die Jungs hingegen kennen die Sprüche der DemonstrantInnen wohl schon und zeigen sich eher unbeeindruckt. Nur ein, zwei haben Bock auf Diskussionen, doch die führen zu wenig. Sie redet von Ausbeutung und Sexismus, er von Freiwilligkeit und Sexualität. Ratlosigkeit, ein bisschen Frust und dann bleibt jeder auf seiner Seite—die einen draußen, die anderen drinnen.

„Die werden da wahrscheinlich nicht mal Fußball spielen“, vermutet Sandra noch, „zumindest nicht ernsthaft.“ Aber was genau da abgeht, weiß sie nicht. Natürlich war von den Demonstranten niemand drinnen und hat sich das Ganze mal angeschaut.

Gegen 17 Uhr betrete ich die heiligen Messehallen der erotischen Nacktfußball-EM—ein paar Stunden vor dem Finale. Meine Vermutung ist, dass zu dieser Zeit ja am meisten los sein müsste, wenn es wirklich auch um Fußball geht. Das Foyer ist gähnend leer, an der Kasse sitzt eine nette Dame, hinter ihr eine barbiepinke Wand mit den Eventpostern, auf denen sich die blonde Biggi Bardot, ihres Zeichens Pornodarstellerin und Moderatorin der Veranstaltung, in einer Rückgrat zermürbenden Pose präsentiert, die meine Physiotherapeutin nicht gutheißen würde.

Ich erinnere mich an Sandras Worte, dass viele Frauen Verletzungen in diesem Beruf davon tragen und vermute, dass neben psychischen wohl bestimmt auch Haltungsschäden hinzukommen.

Die Frau gehört zu den Veranstaltern und hier wird es eben schwierig mit dem Schwarz und Weiß, dem „Draußen vor der Tür auf der Demo“ und dem „Drinnen beim Event“. Was mache ich jetzt mit dieser Frau, die ja quasi ihresgleichen pornografisch ausbeutet? Doch ich komme nicht weiter mit dem Gedanken, denn sie will mir den Bären aufbinden, dass die Veranstaltung ein Sportevent ist, der den Fußball promoten soll. Schon klar, Fußball hat es ja von Haus aus echt schwer in Deutschland. Oder meint sie Frauenfußball? Denn der wird ja wirklich kaum beachtet. Oder ist euch klar, dass die echten (also bekleideten) Frauenfußballerinnen demnächst in Schweden bei der Europameisterschaft antreten?

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Mit meinem Eintrittsbändchen am Arm gehe ich weiter; noch ein Foyer. Der Typ hinter der Bar schläft fast ein. Ansonsten ist niemand zu sehen, aber ich höre weit entfernt ein Technowummern. „Yeah, Party!“, denke ich, aber dann die große Enttäuschung. Ein riesiger Saal, in seiner Mitte ein kleines Fußballfeld, daneben eine Bühne. Vor der Bühne stehen gut zwei Dutzend Typen (fast alle mit der obligatorischen Gürteltasche) und machen unfassbar viele Fotos. Ich sehe nicht wovon und komme näher. Ach so, ne Muschi. War eigentlich klar. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob die Jungs mit ihren Monsterobjektiven jetzt wirklich das Geschlechtsteil ablichten. Die sehen eher aus wie die Arbeitsgemeinschaft Makrofotografie, Abteilung Gebärmutterschleimhautfalten, Projektuntergruppe Maximalvergrößerung und Katalogisierung.

Eine weitere Frau ist auf der Bühne und gießt jetzt Babyöl auf die erste, welches sie wohlwollend mit ihren Brüsten verreibt. Die Objektive zoomen zurück—das braucht man in der Totalen.

Dann ist die Musik aus und plötzlich ist Ruhe. Und alle kucken ein wenig betreten, weil sie merken, dass sie eigentlich nur dumm in einem riesigen Saal rumstehen. „Schnell mal mehr Musiiihiiik“, sagt Biggi Bardot, die Moderatorin und kündigt dann eine neue Runde Fußball an. Ha! Die spielen also doch! Sechs Frauen in Team-Lingerie und Fußballschuhen kommen aufs Feld. Frankreich gegen Schweden.

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Sandras Verdacht, dass hier nicht richtig gespielt wird, bestätigt sich nicht. Die französische Spielerin schnauzt ihre Teamkollegin an: „Jetzt gib doch ma den Ball ab!“ Die echten Französinnen waren wohl zu teuer, hier spielt wohl eher das Team Französisch Buchholz.

Bei jedem Tor muss sich die unterlegene Mannschaft etwas ausziehen, nach drei Toren oder zehn Minuten ist Abpfiff. Die Spielerinnen erledigen das Ausziehen eher schnell und genervt, anstatt erotisch. Irgendwie geht’s beim Nacktfußball hier wirklich um den Fußball. Die Erotik dieser Melange aus Spiel und Porno geht auf jeden Fall nicht auf. Aber das findet ja dann wieder auf der Bühne statt. Im 10-Minuten-Takt geht’s von der Bühne aufs Feld und zurück.

Währenddessen sitzen ein paar der Frauen auf einer Treppe und essen Nudeln. „Diese Veranstaltung ist totale Kackscheiße!“, sagt eine von ihnen, „dazu geb ich kein Interview, damit will ich nichts zu tun haben.“ Sie klärt mich auf, dass es zwei Arten von Darstellerinnen gibt—die Stripperinnen und die Pornosternchen. Letztere machen jeden Scheiß mit, denn alles ist Promo.

Während sie das sagt, verkauft eine der Pronodarstellerinnen gerade ein Poster von ihrem Arsch auf der Bühne. „Aber wir sind echte Profis“, sagt sie weiter und zeigt auf sich und ihre Kollegin. „Und das ist die bescheuertste Veranstaltung, die wir je gemacht haben.“ Sie erzählt mir von ihrer Arbeitsethik und dass Sexarbeit und Strippen noch lange nicht heißen, dass man jeden niveaulosen Mist mitmacht. Sie macht jetzt ihre Bühnenshow und ansonsten kann der Veranstalter sie mal.

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Spannend, denke ich, da sind sich Sandra, die Demonstrantin, und die Stripperin doch einig, (wenn auch aus anderen Gründen) aber das Ganze ist eben doch nur „Kackscheiße“.

Martin wiederum findet das nicht. Er und seine drei Objektive sind extra aus Hannover angereist. „Komisch, dass es hier gar kein Berliner Publikum gibt“, wundert er sich. Die Typen, die neben ihm an der Bühne stehen, kennt er alle. Manche sind sogar aus der Schweiz nach Berlin gekommen. Mann kennt sich, auf jeder Messe kommen die gleichen Leute. Dass hier nichts los ist, ist für ihn von Vorteil. Man muss nicht drängeln und kriegt die besten Fotos. Und auch der direkte Kontakt mit den Frauen ist hier sehr einfach, die stehen nämlich größtenteils gelangweilt rum und freuen sich über ein Schwätzchen.

Dabei sind die Jungs dann immer ganz handzahm und eher schüchtern. „Bist du ein Sexist?“, frage ich Martin. Und er so: „Ne, ich bin Fotograf!“ „Ja aber immer nur Muschis, drei Tage am Stück, das ist doch voll langweilig!“, sage ich. Martin lacht und erklärt mir, dass er ja sonst keine sieht und dass es ihm ja auch darum geht, diese immer wieder besonders schön und in verschiedenen Winkeln zu fotografieren. Dass das Ausbeutung sein soll, findet er Quatsch. Für ihn ist es eher ein Hobby und ein Austausch, der auf Freiwilligkeit beruht. „Und die Biggy, die ist ne ganz Liebe“, sagt Martin. Er hat sie ganz gut kennengelernt in den letzten drei Tagen und findet sie sehr nett. So ganz bleibt es dann also doch nicht beim reinen Sexobjekt, die Muschi heißt eben Biggi und Biggi hat Humor und mag Prosecco. Eine letzte Frage stelle ich ihm: „Bist du Single oder verheiratet?“ „Single!“, sagt Martin entrüstet. „Hätte ich 'ne Frau, wär ich doch jetzt nicht hier, hörma!“ „Nicht?“, fragte ich. Und er grinst und sagt: „Ne, da wär ich jetzt zu Hause und würde mich um sie kümmern.“

Ich kucke mir noch an, wie eine Frau ihren String aus dem Hintern fummelt und mit getaptem Fuß (Fußballverletzung) auf die Bühne humpelt, um dort ihrer Partnerin den Hintern zu versohlen. Dann gehe ich nach Hause. Auf dem Weg nach draußen plaudert Biggy mit einem der Teleobjektiv-Jungs über das Wetter. Ich schnappe mir derweilen ein barbiepinkes Plakat. Biggy Bardots vierfarbgedruckter Hintern schützt mich vor dem Regen, als ich zur Bahn laufe.