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Alle Unterhaltungen, die du je mit Dealern führen wirst

„Ich bin in fünf Minuten da, Kumpel."

Es gibt wohl keinen zweiten Bereich, in dem der freie Markt derart auf seine Grundzüge reduziert ist wie im Geschäft mit illegalen Drogen. Abgesehen vom staatlichen Verbot herrschen Angebot und Nachfrage unkontrolliert in einer etwas asozialen Marktwirtschaft. Aber weil der göttliche Markt sich ja sowieso selbst reguliert, sind mit der Zeit doch gewisse Regeln entstanden.

Echtes Glück ist harte Arbeit. Du bekommst es meistens nur nach erfolgreich geleisteter Arbeit oder durch die aufrichtige Liebe eines anderen Menschen. Wenn dir aber die Simulation reicht und du lieber eine Abkürzung willst, dann wirst du dich früher oder später mit Dealern auseinandersetzen müssen. Die gute Nachricht: Diese natürlichen Feinde deiner Dopaminspeicher funktionieren auch nach einem (zugegebenermaßen unvollendeten) Schlüssel-Schloss-Prinzip—und das läuft ungefähr folgendermaßen.

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Vorweg noch: Grundsätzlich gibt es zirka drei Dealer-Archetypen. Die einen sind zum Dealen gezwungen, die zweiten fühlen sich zum Dealen berufen, und die letzten wollen einfach ordentlich Geld verdienen. Keiner von ihnen ist dein Freund.

Wenn du ihn im Park triffst (weil du ein Tourist bist – HOFFENTLICH!)

Vor allem in Wien gibt es viele Dealer von der traurigsten Sorte. Die Männer in Parks, am Donaukanal oder in der Nähe der U-Bahn verkaufen nicht aus sozialem Kalkül oder gesteigerter finanzieller Ambition. Die meisten machen es, weil sie in Österreich nicht arbeiten dürfen.

Der typische Dealer, dem du an öffentlichen Orten begegnest, ist ein Flüchtling. Er wird auf dich zukommen, sobald ihr in Hörweite voneinander seid. Euer Gespräch wird dann ungefähr so ablaufen:

„Hey man, how are you? How you doin'?" Wobei dir das mehrere Männer aus unterschiedlichen Richtungen zurufen. Wenn du daraufhin einen, NUR EINEN, mit den Augen fixiert hast, dauert es 30 Sekunden.

„Man, I've got the best of all these guys. What do you want?"
„What do you have?"
„Weed, Man, weed, but I can get you other stuff."

Wenn du ihn dann um Gras für 20 Euro bittest, wird er immer versuchen, dir mehr zu verkaufen und dir einen „good price" versprechen. Du solltest trotzdem besser bei 20 Euro bleiben, auch wenn er dir erklärt, es sei „the best Ganja you'll find" (hier besteht Variationsmöglichkeit zwischen „best in town, best price und better than your mom"). Denn solltest du mehr wollen, wird er dich kurz alleine lassen müssen, um unauffällig aus einer Spalte im nächsten Ast/Zaun/Mistkübel nachzuladen. Nimm bitte wirklich besser weniger.

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„Alright man, here you go. And you come back to me! Look!" Er zeigt auf ein besonderes Kleidungsmerkmal à la neongrüne Basecap. Er weiß aus Erfahrung, dass du dir sein Gesicht nicht merken kannst, selbst wenn wir mal annehmen, dass alles tagsüber abläuft. „See you, man!", verabschiedet er dich.

Genieß es, Man.

Das mittelmäßige Zeug, das du jetzt hast, ist schlecht. Aber auch wenn es deinen hohen Erwartungen nicht entspricht, sei zufrieden. Er hat in jedem Fall den schlechteren Deal. Außerdem kaufst du offensichtlich am falschen Ort ein. Opportunity costs! Und eins noch: Ich weiß nicht, wer du bist, und feilsch, wenn du unbedingt musst—aber man legt sich nicht mit Menschen an, die 5000 Kilometer durch die Hölle gegangen sind.

Wenn du ihn im Club triffst

Wie der Park zur grünen Droge passt, passt der Club zu bunten Pillen. In den einschlägigen Locations, was in diesem Falle mittlerweile eigentlich alle Orte mit Musik sind, gibt es einen Typus in zwei Abwandlungen. Stell dir einen unpolitisch-linken Hedonisten vor, dessen Credo zwischen „Tanz dich frei" und „Gegen den Schlaf, aber für Träume" rangiert.

Hat mit Drogen nichts zu tun: Ein beliebter Club in einer Stadt, die den Ruf hat, dass es dort viele Drogen gibt. Du weißt, wovon wir sprechen, richtig? Foto: Jane Mejdahl | Flickr | CC BY-SA 2.0

In Wien ist er in Clubs anzutreffen, die irgendwas mit Freiraum zu tun haben oder zumindest mal hatten. Das ganze „Ich gehöre dazu wie die Klos und die Musik" hat schnell etwas Wegwerfendes dir gegenüber. Er ist ja Inventar des Erlebnisses, du nicht. Solltest du ihn immer sehen, bist du wahrscheinlich eh zu oft feiern. Dafür würde er dich dann alternativ verachten, es sei denn, du bist auch Dealer. Aber dann weißt du ja Bescheid. Egal, er würde einen Grund finden, dich zu verachten. Dealer sein ist für ihn gleich coolster Typ schlechthin sein. Aber noch wichtiger: Er glaubt von sich selbst, „außerhalb des Systems" zu stehen. Du weißt, dieser Gedanke ist ziemlich lächerlich, aber du lässt ihn in dem Glauben, weil seine Drogen halbwegs hochwertig und nicht ganz so überteuert sind.

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Wusstest du, dass es Walter White wirklich gibt? Bitte: Der echte Walter White

Das ist die anstrengende Variante. Er kommt aber auch in der freundlichen Ausprägung des charmanten Jugendlichen, der den Job als Lifestyle-Entscheidung begreift, vor. Sein Sexappeal ist ziemlich groß, weil er mit dem ganzen Zeug in der Tasche einen Hauch von Gefahr mit bringt. Darauf ist er auch stolz und legt wert auf Vielfalt. Es ist ja auch einfach bemerkenswert, Ecstasy als ein komplettes Set aus korrekt unterschiedlich geprägten Dominosteinen dabeizuhaben. Und du kannst einzelne einfach kaufen! Das Set geht doch kaputt! Egal. Stylisch.

Aber eigentlich hat er das alles nicht wirklich nötig und bleibt daher leider immer etwas unzuverlässig. In ein paar Jahren wird er sich entschließen, doch sein Wirtschaftsstudium fertig zu machen und noch einmal ein paar Jahre später verdient er doppelt so viel Geld in irgendeiner doppelt so schmutzigen Branche.

Also wie läuft die Interaktion ab? Nachdem du gerade jeden halbwegs cool aussehenden Typen mit „Hast du Drogen?" angesprochen hast, wird er dir erstmal „Bist du Polizist, oder was?" entgegnen. Die Antwort wird er nicht abwarten, bevor er sagt:

„OK, gehen wir da rüber. Seid ihr gerade gekommen? Wartet ihr auf [Name eines DJs, der dir egal ist, weil du jetzt endlich Drogen willst]?"
„Ja, ja."
Leicht genervt von der sozialen Verweigerung deinerseits: „Also ich hab K[ay] für 45, Emmi auch für 40."
„Teile?"
„Ich hab Hello Kittys. Sind so mittelstark. Braucht man nicht teilen. Zehner."
„Koks? Hast du auch Koks?"
„Ja, aber ganz wenig, brauch ich selber. Aber das Emmi ist wirklich gut."
[Pause]
„Wir nehmen alles."

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OK, das ist die Traumsituation, (es sei denn, du bist koksabhängig—dann lies unten weiter), aber das kann durchaus passieren. Und wenn du an einen Netten geraten bist, wirst du dir jetzt seine Nummer geben lassen. Wenn du freundlicher als in diesem Szenario warst, klappt das.

Wenn du eine Nummer bekommen hast

Jetzt hast du seine Nummer—und er wird meistens nicht ans Telefon gehen, weil Dealen nicht sein Leben ist. Verstehst du das nicht? Er wird es dir sagen, falls du ihn doch erreichst.

Deshalb musst du jetzt den dritten Typ Dealer kennenlernen: Den sachlichen Herrn mit dickem Bart, den du nie durch Zufall triffst und der in Wien meistens aus dem 10. kommt. Den erreichst du immer.

Foto: imago/STPP

Seine Nummer kriegst du von einem Freund von einem Freund. Er ist straff organisiert. Würde sein eigenes Zeug—Zeug überhaupt—nicht anrühren. Er ist meist auch der paranoide Typ. In deinem Handy ist er als „JohnnyNEUNEUNEU" gespeichert, und du hast längst aufgehört zu zählen, wie oft sein Telefon schon „kaputtgegangen" ist.

Trotzdem wird ein gewisser Schein gewahrt. Johnny antwortet auf „Johnny, bist du unterwegs?" jedes verdammte Mal mit „Fix Oida", aber in dem neuen Auto sitzt dann jedes Mal doch ein anderer Typ. Schnell wurde mir klar, DEN Johnny gibt es nicht.

Bei Johnny geht es aber nur um Koks und alles ist sehr nüchtern. In einer Zeitspanne, die er angibt und einhält, kommt er zu dir, und du steigst in sein Auto ein.

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„Was kann ich für dich tun?"
„Gibts was außer Koks?"
„Du kennst mich."
„Für 70?"
„Sicher, Oida."
„Einmal für 70."
„Viel Spaß. Ruf mich an."
„Dir auch."
Auto fährt weg.

Seine Geschäftstüchtigkeit reicht bis zur SMS am Sonntagabend: „Das Wochenende neigt sich dem Ende zu, ich hoffe, ihr hattet es schön. Tankt Sonne. mfg Johnny"—ein leicht liebloser Versuch von corporate Kundenbindung.

Was ist mit dealenden Frauen?

Was mir bei dieser Erläuterung—wie jedem sensibilisierten Leser sicher auch—auffällt, ist die totale Abwesenheit dealender Frauen. Ich erinnere mich, dass ich in Verzweiflung irgendwann mal die Nummer von einem Mädchen bekommen hatte, die aber „gerade nur Haare hat". Hätte ich auch genommen, das war aber ihre erste und letzte Nachricht. Ich weiß mittlerweile, dass Haare Purple Haze sein soll, aber vielleicht war sie auch high.

Und das war's. So oder so ähnlich werden alle Gespräche mit Dealern ablaufen, auch wenn die Inszenierungen unwesentlich von diesen Dramaturgien abweichen können. Ihr solltet es genießen, denn Dealer wird es spätestens dann nicht mehr geben, wenn die Vernunft über die Prohibition gesiegt hat.