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Entführt, verkauft, vergewaltigt: Das Leid der jesidischen Frauen, die vom Islamischen Staat erbeutet wurden

Die Geschichten, die aus der IS-Gefangenschaft geflohene Mädchen und Frauen erzählen, sind schockierend—und das, obwohl sie dabei immer eine Sache auslassen.

Foto: Noah Blaser

Mehr als zwei Monate nach der Entführung durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ im Irak, werden jesidische Frauen laut Human Rights Watch weiterhin zum Glaubenswechsel gezwungen, zwangsverheiratet und vergewaltigt.

Die UNO schätzt, dass nach dem Wüstenblitzkrieg des Islamischen Staats im Gebiet des Sindschar-Gebirges im August dieses Jahres mindestens 500.000 Jesiden auf der Flucht sind. Davon haben es Tausende nicht in die von Kurden beherrschten Gebiete im Norden des Iraks geschafft—sie wurden wahrscheinlich von den sunnitischen Militanten gefangen genommen. Vertreter der UNO haben VICE News mitgeteilt, dass sich die Anzahl der vom IS verschleppten Frauen und Mädchen auf rund 2500 belaufen könnte.

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Forscher von Human Rights Watch haben 76 Jesiden befragt, die in die Autonome Region Kurdistan fliehen mussten. Dazu kamen noch Telefongespräche mit zwei derzeit inhaftierten Frauen und Unterhaltungen mit 16 Personen, die aus der IS-Gefangenschaft entkommen konnten.

Zeugen beschrieben, wie IS-Kämpfer aus der Gruppe Gefangener einzelne Frauen für den persönlichen Gebrauch heraussuchten. Eine Teenagerin namens Adlee erinnerte sich daran, wie ein „großer, bärtiger Mann“ „Du gehörst mir“ zu ihr sagte und sie dann zu einem IS-Fahrzeug führte. Adlee wurde zusammen mit einem anderen Mädchen in das 43 Kilometer von Bagdad entfernte Fallujah gebracht. Dort wurden sie geschlagen, bis sie beide „aufgaben.“

Nachdem sie vor ihrem Kidnapper fliehen konnte, versteckte sich Adlee fast drei Wochen lang und schaffte es schließlich in ein von Kurden kontrolliertes Gebiet. Dort nahmen Ermittler ihre Aussage auf. Obwohl sie keine Details bezüglich Ortsangaben und anderen Gefangenen ausließ, redete Adlee—wie viele andere Jesidinnen auch—nur indirekt von sexuellen Übergriffen.

„Wir haben sie, so gut es ging, von unseren Körpern ferngehalten“, sagte Adlee. „Alles, was sie gemacht haben, geschah gegen unseren Willen.“

„Selbst die Rückkehr zu ihren Familien ist für die Frauen, die aus der Gefangenschaft entkommen können, ein weiteres Risiko“, erklärte uns Tirana Hassan, die leitende Forscherin der Notfall-Abteilung von Human Rights Watch.

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„Das größte Tabu sind nicht die Verschleppungen, sondern sexuelle Übergriffe“, sagte Hassan. „Die Jesiden sind eine kleine, konservative Gemeinschaft. Die Frauen tun sehr viel dafür, dass das ein privates Thema bleibt und sie nicht von der Gemeinschaft geächtet werden. Die Jungfräulichkeit ist dort ein sehr wichtiges Konzept.“

Ein 15-jähriges Mädchen namens Rewshe erzählte den Ermittlern, dass sie sich drei Wochen lang in Gefangenschaft befand und dann zusammen mit ungefähr 200 anderen Frauen und Mädchen nach ar-Raqqa in Syrien gebracht wurde. Kurz darauf brachte man 20 dieser Gefangenen weg—angeblich hatte man sie an eine Gruppe Militanter verkauft.

Zwei Tage nach ihrer Ankunft in ar-Raqqa musste Rewshe zusammen mit ihrer 14-jährigen Schwester das Gleiche über sich ergehen lassen. Der Mann—ein palästinensisches Mitglied des IS—erzählte ihr, dass sie ihn 1000 Dollar gekostet hätte. Er verkaufte ihre Schwester bald an einen anderen Kämpfer weiter und brachte Rewshe dann in seine Wohnung. Nach einem Vergewaltigungsversuch konnte das Mädchen fliehen, als der Mann schlief.

Aber egal wie viele Geschichten die Menschenrechtsgruppen und UNO-Vertreter in Arbil und in anderen kurdischen Städten auch zu hören bekommen—viele mehr bleiben im Verborgenen, vor allem so schreckliche Fälle, in denem selbst der IS nur wenige Zeugen erlaubt.

Geflohene Gefangene berichteten von „erst 12-jährigen Mädchen“, die verschleppt und mit den Kämpfern zwangsverheiratet wurden. „Sie haben uns geheiratet, wir hatten keine Wahl“, sagten einige Mädchen zu einer ehemaligen Gefangenen, als sie kurz zurück in das Gefängnis von Mossul durften—dort wurden sie gefangen gehalten, bis sie endgültig verschwanden.

Ein paar Mal kam es auch vor, dass Jesidinnen mit der Hilfe von Anwohnern fliehen konnten. Fünf Schwestern im Alter von 10 bis 24 entkamen der Gefangenschaft und wurden dabei von sunnitischen Familien unterstützt. Bei ihnen fanden die Mädchen drei Wochen lang Unterschlupf, bevor es ihnen möglich war, sich in ein sichereres Gebiet abzusetzen.

„Sie mussten sich auf die Hilfsbereitschaft von Fremden verlassen“, sagte Hassan. „In zwei Fällen wurden sie von Leuten aufgegriffen, die erkannt haben, dass die Mädchen gegen ihren Willen festgehalten werden und dem jesidischen Glauben angehören.“