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Paradise Papers

So gründest du deine eigene Briefkastenfirma

Es ist viel einfacher als eine Steuerklärung.

Mit den "Paradise Papers" haben die Süddeutsche Zeitung und ein Recherchenetzwerk internationaler Medien erneut unzählige Briefkastenfirmen in Steueroasen enttarnt. Über 200.000 solcher Firmen waren im letzten Jahr durch die "Panama Papers" aufgeflogen, diesmal sind es vermutlich noch mehr. 13,4 Millionen Dokumente mit einer Größe von insgesamt 1,4 Terabyte umfasst die aktuelle Recherche. Sie zeigt: Mit Briefkastenfirmen investierten die Queen und Bono heimlich (aber wohl legal) in teils dubiose Unternehmen, Nike vermied Steuern, Milliardäre hinterzogen sie und Facebook und Twitter bekamen russisches Geld.

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Der Ökonom Gabriel Zucman hat errechnet, dass Reiche 7,9 Billionen Euro in die Steueroasen verschoben haben. Davon, so die Süddeutsche Zeitung, könne man alle Menschen, die an Hunger leiden, 61 Jahre lang ernähren oder jedem Menschen auf der Welt 1.000 Euro geben.

Aber sind Briefkastenfirmen wirklich nur etwas für Reiche? Und wie kann man auch als Instagram-Influencer oder Darknet-Kleindealer eine eigene eröffnen? Wir haben uns das näher angeschaut.

Was ist eine Briefkastenfirma?

Im Prinzip eine Fassade, die Gelder von Personen oder Unternehmen verschleiert. Meist existiert nur ein Briefkasten, daher der Name Briefkastenfirma. Die tatsächlichen Eigentümer bleiben im Hintergrund, geführt wird das Geschäft auf dem Papier oft von einem "Strohmann". Das kann einfach der Hausmeister des Gebäudes sein, in dem der Briefkasten hängt.

Die Unternehmen sind auch als "Offshore-Firmen" bekannt, weil sie ihren Sitz häufig an Orten mit geringen Steuern haben, wie den Cayman Islands, der Isle of Man oder Malta. Das Geld, das die Firma verheimlicht, liegt aber in der Regel an sicheren Orten wie der Schweiz. Dort schützt es nicht nur dicker Stahl, sondern auch das Schweizer Bankgeheimnis.

Das Ganze müsst ihr euch ungefähr so vorstellen:

Doch man muss nicht bis in die Karibik schauen, um fragwürdige Geschäfte mit Briefkastenfirmen zu entdecken. "Man weiß seit Jahren, dass die Niederlande anderen europäischen Ländern Steuergelder entziehen", sagt Frank Wehrheim, der fast 30 Jahre als Steuerfahnder arbeitete und heute als Steuerberater tätig ist, gegenüber VICE. Einnahmen aus Lizenzgebühren, beispielsweise für die Nutzung von Markennamen und Logos, und Musik-Tantiemen werden dort vergleichsweise niedrig besteuert, weshalb internationale Konzerne und millionenschwere Rockbands diese Geschäfte über Briefkastenfirmen abwickeln. "Dass das noch immer möglich ist, finde ich schon sehr merkwürdig", so Wehrheim.

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Wie gründet man eine Briefkastenfirma?

Eine Briefkastenfirma zu gründen, ist ungefähr so unkompliziert wie Schuhe zu kaufen. Sprich: viel einfacher, als eine Steuerklärung zu machen. Knapp 20.000 Ergebnisse zeigt Google für die Suche "Offshore-Firma gründen" an, darunter viele Anbieter, die helfen, eine solche Firma zu eröffnen. Einer davon ist SFM Corporate Services mit Sitz in Genf. Auf der Seite des Unternehmens gibt man seine persönlichen Daten in ein Online-Formular ein, wählt einen Namen für die Firma und das Land, in dem sie sitzen soll. Dabei fallen unterschiedliche Preise an: Ein Sitz in Belize kostet 790 Euro, einer in der Schweiz hingegen 5.000 Euro.

Screenshot: SFM Corporate Services

Danach kann man einen Geschäftsführer ernennen, der auf allen offiziellen Dokumenten erscheint und Verträge für einen unterzeichnet. Auch ein Bankkonto, eine Kreditkarte und ein Büro im Namen des neuen Unternehmens kann man mit ein paar Klicks dazubestellen.

Schließlich soll man angeben, woher das Geld für die Firma kommt und wofür es genutzt werden soll. Denn bei bestimmten Geschäftstätigkeiten verweigere SMF die Firmengründung, heißt es in einem Hinweis auf der Seite. Wie ehrlich man diese Fragen beantwortet, ist jedem selbst überlassen.

Screenshot: SFM Corporate Services

Billig ist eine Briefkastenfirma nicht. Selbst bei der günstigsten Option, der Firmeneröffnung in Belize mit dazugehörigem Bankkonto, Direktor und allen notwendigen Vollmachten und Unterlagen, kommt am Ende ein Betrag von rund 2.000 Euro zusammen. Jährlich fällt danach außerdem eine Gebühr von 690 Euro an. Andere Anbieter verlangen ähnliche bis weitaus höhere Preise.

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Frank Wehrheim sagt, wolle man mit einer Briefkastenfirma Steuern hinterziehen oder mindern, müsse diese schon über viel Kapital verfügen. "Mit 100.000 Euro eingesetztem Vermögenswert oder weniger lässt sich da nichts bewerkstelligen, dafür sind die Kosten für die Treuhänder und Verwaltung zu hoch – höher jedenfalls als die Steuerersparnis", so Wehrheim. Eine Briefkastenfirma lohnt sich damit noch nicht einmal für erfolgreiche YouTuber wie Julien Bam.

Sind Briefkastenfirmen also nur etwas für Reiche?

Nicht zwingend. Konzerne investieren über Briefkastenfirmen beispielsweise in andere Unternehmen, damit es ihre Konkurrenten nicht mitbekommen. Und viele Menschen schützen so ihre Privatsphäre, damit nicht jeder einfach googeln kann, in welche Unternehmen man wie viel Geld steckt.

Doch selbst wenn es einfach ist, eine Briefkastenfirma zu eröffnen: Wer fiktive Firmen gründet, Strohmänner ernennt und Finanzen verschleiert, hat sehr wahrscheinlich etwas zu verbergen. Briefkastenfirmen werden deshalb auch von Drogenkartellen genutzt, die die Herkunft ihres Gelds verschleiern, von Privatjet-Besitzern, um Steuern zu sparen, und von Autokraten, um Millionen außer Landes schaffen zu können, für den Fall, dass sie gestürzt werden.

Beim Großteil der mit den "Paradise Papers" öffentlich gewordenen Fälle handelt es sich nicht um Steuerhinterziehung, sondern auf den ersten Blick um legale Steuervermeidung. Ex-Steuerfahnder Wehrheim ist sich aber sicher, dass viele der Fälle mit deutscher Beteiligung von einem Finanzamt als rechtswidrige Steuerumgehung eingestuft werden könnten. Das Gesetz spricht vom "Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts".

Wehrheim sagt: "In meiner Laufbahn habe ich keine einzige Briefkastenfirma gesehen, die jemand für legale Zwecke eingerichtet hatte. Wenn ich versuche, dem Staat Geld zu entziehen, bewege ich mich ganz schnell in einer rechtlichen Grauzone. Bei einer Briefkastenfirma tritt Steuerumgehung fast immer als Nebeneffekt auf."

Für Wehrheim sind Informationen von Whistleblowern die einzige Möglichkeit, diese zweifelhaften Geschäfte aufzudecken: "Whistleblower müssen in der EU und in Deutschland rechtlich geschützt werden. Mit ihnen steht und fällt jede neue Aufdeckung – egal ob jemand Steuern hinterzieht, Gammelfleisch verkauft oder Atombomben baut."

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