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5 Frauen erzählen von den absurdesten Dingen, die ihre Therapeutinnen von ihnen verlangt haben

"Sie wollte, dass ich meinen Halluzinationen Namen gebe." – Elly, 24
Erfahrungen bei der Psychotherapie
Bild: Max Pixel | gemeinfrei

Immer mehr Menschen machen eine Psychotherapie – und das ist auch gut so. Eine Therapie kann dich zwingen, netter zu dir selbst zu sein. Oder sie bringt dich dazu, dass du morgens deine Zähne putzen und dein Leben ändern willst. Der Weg dahin ist allerdings gepflastert mit unangenehmen Erkenntnissen über dich selbst. Manchmal wirst du wütend auf deinen Therapeuten oder deine Therapeutin sein. Wie kann jemand so schonungslos, so fordernd auftreten? Aber solange du das Gefühl hast, Fortschritte zu machen, nimmst du diese Tortur auch nächste Woche wieder in Kauf.

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Therapien sind an sich schon eine komische Sache. Ständig will jemand wissen, welche Gefühle dieses oder jenes in dir auslöst. Kein Wunder, dass sich eine Therapie so merkwürdig anfühlt. Schließlich müssen Therapeuten das schier Unmögliche tun und uns davon überzeugen, dass wir uns nicht hassen. An ihrer Stelle würde ich wahrscheinlich auch auf komische Methoden zurückgreifen.

Also habe ich Leute nach den sonderbarsten Dingen gefragt, die ihre Therapeutinnen und Therapeuten von ihnen verlangt haben. Nicht alle hatten eine gute Beziehung zu ihren Therapeutinnen und nicht alle Übungen haben funktioniert. Aber manchmal sind die erfolgreichsten Behandlungen jene, von denen man es am wenigsten erwartet.


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"Ich musste meine Wangen knallrot anmalen und im Supermarkt rumlaufen."

Eines Tages sagte meine Therapeutin: "Ich habe Rouge gekauft. Wir werden uns auf einer Supermarkttoilette die Wangen rot schminken und dann im Laden herumlaufen und Menschen fragen, wo einzelne Artikel zu finden sind." Auf keinen Fall wollte ich das tun. Ich war kurz davor zu kneifen. Noch auf der Toilette sagte ich: "Nein, ich kann das nicht. Ich muss das abwaschen!" Aber sie zwang mich – nett, aber bestimmt. Und ich hatte Angst davor, mich selbst zu enttäuschen. Zusätzlich wollte meine Therapeutin, dass ich allen Leuten dumme Fragen stelle. Zum Beispiel musste ich in der Brotabteilung zu jemandem sagen: "Entschuldigen Sie bitte, wo finde ich das Brot?" Meine Therapeutin blieb dabei im Hintergrund und beobachtete mich.

Das Ganze war wohl eine verhaltenstherapeutische Übung. Es ging vor allem um meine Angst davor, Menschen anzusprechen. Weil ich mich aber auch generell sehr unsicher wegen meiner von Natur aus roten Wangen fühlte, fand meine Therapeutin, dass wir den Eindruck verstärken sollten – sie sollten richtig leuchten. Am Ende war es gar nicht so schlimm. Die ersten fünf Minuten war es peinlich. Die Leute wunderten sich vermutlich kurz und gingen dann einfach weiter.

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Die Übung hat mir geholfen, weil ich mich meinen Ängsten gestellt habe. Am Ende habe ich gemerkt, dass alles OK ist. Ich lebe noch, der Himmel ist nicht über mir zusammengebrochen. Ich bin heute definitiv weniger unsicher. Ich kann einen Raum oder einen Laden betreten und denken: "OK, niemand schaut mich an. Ich sehe nicht bescheuert aus." An meine Wangen denke ich immer noch ab und zu, aber ich weiß jetzt besser damit umzugehen. – Scarlett, 27

"Sie wollte, dass ich meinen Halluzinationen Namen gebe."

Als Kind habe ich viel halluziniert. Wahrscheinlich wegen einer Angststörung. Ich habe immer gedacht, dass mich jemand verfolgt. Ich hatte diese Figur in meinem Kopf und meine Therapeutin bat mich darum, meinem Hirngespinst einen Namen zu geben.

Sie wollte immer alle Gebilde aus meiner Fantasie in greifbare Objekte verwandeln. Sie gab ihnen sogar selbst Namen wie "Bob" oder "Dave" und änderte sie jede Woche in der Hoffnung, dass ich darauf anspringen würde. Ich wusste nie, was sie von mir wollte. "Wie geht's Dave heute?", fragte sie. "Ich weiß nicht, wer Dave ist", antwortete ich. Sie dachte wohl, dass ich mit meinen Halluzinationen eine Art coolen Club bilden würde, wenn ich ihnen Namen gebe, und wir alle beste Freunde werden. Bei Kindern, die nicht bereits extrem pessimistisch sind, hätte das vielleicht auch geklappt. Nachdem sie es ein paar Wochen lang probiert hatte, sagte ich zu meiner Mutter: "Ich gehe da nicht mehr hin." Danach habe ich die Therapeutin nie wieder gesehen.

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Elf zu sein, ist an sich schon beängstigend. Und ich dachte eben, dass alle so wären wie ich. Aber nachdem ich meiner Mutter erzählt hatte, dass da Menschen sind, die mir Dinge befehlen, dachte sie wohl, dass ich total verrückt bin. Nach und nach ebbten die Halluzination ab und es ging mir besser. Heute habe ich nur noch eine klassische Angststörung und Depression – ziemlich öde. An der Uni habe ich noch einmal eine Therapie gemacht und ich kann das wirklich nur empfehlen. Die nötigen einen auch nicht zu komischen Aufgaben, da hätten sie aber eh keine Chance bei mir gehabt. – Elly, 24

"Meine Therapeutin sagte, ich solle innehalten und meditieren, bevor ich pinkeln oder kacken gehe."

Meine Therapeutin sagte, ich solle innehalten und meditieren, bevor ich pinkeln oder kacken gehe. Und während ich das tue, sollte ich mir überlegen: "Muss ich wirklich oder ist das nur meine Fantasie?" Ich litt unter einer starken Angststörung und einer Zwangsstörung, die zu jener Zeit sehr akut waren. Also habe ich immer, wenn ich das Gefühl hatte, aufs Klo zu müssen, in mich hineingehorcht, bevor ich aufstand und los ging. Manchmal war der Impuls stärker, dann meditierte ich auf dem Klo. Um ehrlich zu sein: Es hat funktioniert. Hört also auf diese verrückten Ärzte. – Rebecca, 24

"Ich habe einen 25-Seiten-Brief an meinen Vater geschrieben und dann verbrannt."

Ich habe eine Therapie gemacht, weil ich mich auf keine Beziehung einlassen konnte. Der Grund dürfte die Scheidung meiner Eltern gewesen sein. Mein Vater hatte Affären und behandelte meine Mutter sehr schlecht. Vor 27 Jahren habe ich den Kontakt zu ihm verloren. Ich bin immer extrem neidisch auf Menschen, die von sich sagen, ein tolles Verhältnis zu ihrem Vater zu haben. Meine Stiefmutter hat dann auch noch die letzte Chance auf eine Beziehung zwischen meinem Vater und mir zerstört.

Auf der Hochzeit meiner Schwester kam es zur Eskalation. Der Anblick meines Vaters reichte, um bei mir eine Panikattacke auszulösen. Meine Stiefmutter drehte sich danach zu mir um und sagte: "Das war's. Mit der wollen wir nichts mehr zu tun haben."

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Ich konnte nicht mit meinem Vater sprechen, aber ich musste das alles irgendwie loswerden. Mein Therapeut sagte, dass ich meine Gedanken verbalisieren müsse, um mich weiterentwickeln zu können. Das waren Dinge, die seit fast 30 Jahren in meinem Kopf umhergeisterten. Eine echte Unterhaltung verlaufe nie so, wie man sie sich im Kopf ausmale, sagte meine Therapeut. Ich solle stattdessen einen Brief schreiben. Also schrieb ich 25 Seiten voll. Ich schrieb den Brief in einzelnen Abschnitten. Zwischendurch musste ich immer wieder aufhören, weil es so emotional war. Nach ein paar Wochen war er fertig. Nicht alles darin war tiefgründig, aber es war entlastend.

Ich las mir den Brief, wie mir mein Therapeut geraten hatte, ein paar Mal vor dem Spiegel vor. Auf diese Weise war es näher an einer Unterhaltung. Und es wirkte therapeutisch: Ich konnte sagen, was ich wollte, und niemand unterbrach mich. Ich glaube, es hat funktioniert. Mein Beziehungsverhalten wurde besser. Ich glaube nicht mehr, dass Menschen grundlos aus meinem Leben verschwinden werden, ich halte sie auch nicht mehr auf Abstand.

Mein Therapeut sagte, dass ich den Brief an meinen Vater schicken oder einfach in den Müll werfen könne. Ich war kurz davor, ihn zu versenden – ich hatte die Adresse draufgeschrieben und eine Briefmarke aufgeklebt. Aber dann hatte ich Angst, dass das für Ärger sorgen könnte. Also habe ich den Brief verbrannt. Ihn zu verbrennen, hat sich richtig gut angefühlt. – Charlotte, 48

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"Ich musste nackt vor dem Spiegel stehen und mir Komplimente zu meiner Figur machen."

Als ich etwa 15 war, gab mir meine Therapeutin die Aufgabe, mich jeden Morgen nackt vor meinen Spiegel zu stellen und nette Dinge über meinen Körper zu sagen. Drei Monate lang habe ich das gemacht. Vielleicht nicht jeden Tag, denn an manchen Tagen konnte ich mich einfach nicht anlügen. Es war sehr komisch, aber eine Zeit lang half es mir. Ich verstehe die Logik dahinter. Wenn du dir ständig negative Sachen sagst, wirst du sie wahrscheinlich irgendwann glauben. Die Übung hat mich zum Beispiel davon abgehalten, mir zu sagen, dass ich fette Arme habe. Mir ist dann nämlich eingefallen, dass ich am Morgen noch zu mir gesagt hatte, dass ich schöne Arme habe. Nach drei Monaten war mein Selbstbewusstsein ein bisschen besser. Aber sobald ich damit aufhörte, fühlte ich mich wieder so scheiße wie vorher.

Es ist keine permanente Lösung, wenn du nicht auch wirklich daran glaubst – was ich nicht getan habe. Ich dachte, es müsste definitiv eine bessere Methode geben, um sein eigenes Selbstbewusstsein aufzubauen. Ich bin keine Psychologin und habe entsprechend wenig Ahnung, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass es funktionierte. Die meisten Tage fühlte es sich an, als würde ich mich anlügen. Ich kam mir lächerlich vor, wenn ich mir nach dem Aufstehen verschlafen und schlecht gelaunt sagen musste "Nicole ist schön, Nicole hat tolle Beine". Es musste in der dritten Person sein. Dadurch sollte es sich wohl mehr so anfühlen, als käme es von jemand anderem. Ich persönlich hätte es effektiver gefunden, wenn ich gesagt hätte: "Du bist schön."

Meine Therapeutin gab mir auch Hausaufgaben, die ich nie gemacht habe. Insgesamt kamen wir nicht gut miteinander aus, unsere Persönlichkeiten passten einfach nicht zusammen. Ich hatte nie echtes Vertrauen zu ihr oder das Gefühl, dass sie mir überhaupt zuhört. Sie verschrieb mir außerdem Haufenweise Medikamente, die ich nicht hätte nehmen sollen. Es war nicht gesund für eine 15-Jährige. Nach acht Monaten bei ihr wechselte ich zu einer anderen Therapeutin, die sofort meine Dosis runtersetzte. Sie war die Beste, bei ihr gab es keinen Bullshit. – Nicole, 21

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