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Musik

Warum wir Ohrwürmer bekommen – und sie nicht mehr loswerden

Manche Songs gehen ins Ohr und scheinen dann für immer dort zu bleiben. Eine neue Studie hat nun herausgefunden, was das Besondere an diesen Songs ist und warum Lady Gaga die Königin des Ohrwurms ist.

Ist es dir auch schon mal so gegangen, dass dir der Refrain von „Somebody that I used to know" von Gotye mehrere Stunden lang immer und immer wieder durch den Kopf gedudelt ist? Dann hast du dir bestimmt auch schon mal folgende Frage gestellt: Woher kommt das und warum habe ich es verdient, so zu leiden? Einer neuen Studie zufolge gibt es eine ganz logische Erklärung für dein Leid. Wie die Forscher festgestellt haben, sind Songs, von denen wir regelmäßig einen Ohrwurm kriegen, in der Regel sehr beliebt und haben ein schnelleres Tempo sowie eine eingängige Melodie mit außergewöhnlichen Höhen und Tiefen.

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Involuntary musical imagery (INMI) nennt sich „das Phänomen, dass man sich spontan an eine Melodie erinnert und sie im Geiste immer wieder wiederholt", schreiben die Autoren der Studie. Bisherige Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass nahezu 90 Prozent aller Menschen mindestens einmal pro Woche einen Ohrwurm haben. Es gibt bereits eine Vielzahl von Erklärungen, die beschreiben, woran das liegt—dabei spielt unter anderem unsere persönliche Assoziation und die Frage, wie oft wir Musik hören, eine wichtige Rolle. Die Forscher der aktuellen Studie haben nun zusätzlich auch untersucht, wie bestimmte musikalische Eigenschaften und die Beliebtheit eines Songs zu seiner Einprägsamkeit beitragen.

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Hierzu erstellten die Forscher zunächst eine lange Liste von potenziellen Ohrwürmern. Sie baten 3.000 Untersuchungsteilnehmer, ihnen den Namen eines Künstler, eines Titels sowie von zwei Songs zu nennen, von denen sie erst vor kurzem beziehungsweise besonders häufig einen Ohrwurm hatten. Kinderlieder, Fernseh-Jingles und Stücke, die nicht aus dem Pop-Genre stammten—wie zum Beispiel klassische Musik—, wurden aussortiert, genau wie Songs, die nicht in den Charts waren. Auf diese Weise wurde die Liste nach und nach auf 1.558 Songs reduziert. Dabei wurden 1.144 Songs einmal und 414 mehrmals genannt. (Der größte Ohrwurm war Lady Gagas „Bad Romance"—der Titel wurde insgesamt 33 Mal genannt. In die Top Neun schafften es aber auch noch zwei weitere ihrer Songs und zwar „Alejandro" und „Poker Face"). Neben Lady Gagas Chartstürmern waren auch „Can't Get You Out of My Head" von Kylie Minogue, „Don't Stop Believing" von Journey, „Somebody That I Used to Know" von Gotye, „California Gurls" von Katy Perry, „Bohemian Rhapsody" von Queen, and „Moves Like Jagger" von Maroon 5 auf der Liste der meist genannten Ohrwürmer.)

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Anhand verschiedener statistischer Modelle analysierten die Forscher zunächst, ob und wie sich die Beliebtheit und Aktualität eines Tracks auf seine Chancen, ein Ohrwurm zu werden, auswirken. Wie zu erwarten war, stellten sie dabei fest, dass Songs, die besser und länger in den Charts platziert waren sowie Songs, die erst vor Kurzem in den Charts liefen, „häufiger als INMI genannt wurden als weniger erfolgreiche und weniger aktuelle Songs."

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Anschließend wandte sich das Team der Struktur der Melodie zu. Hierfür verwendeten die Forscher eine Extraktionssoftware, die die melodischen Daten analysierte. Dabei stellten sie fest, dass Songs, die generell etwas schneller waren, auch eher das Potenzial zum Ohrwurm besaßen. Wenn die Melodie obendrein einer anderen bekannten Melodie ähnelte, war es ebenfalls sehr wahrscheinlich, dass man davon einen Ohrwurm bekommt. Andererseits besaßen aber auch Songs mit „höchst ungewöhnlichen Muster hinsichtlich ihrer Höhen und Tiefen" innerhalb der Melodie großes Potenzial zum Ohrwurm, da sie sich dadurch von anderen Songs abhoben.

Kelly Jakubowsk ist eine promovierte Forschungsassistentin am Institut für Musik der Durham University und führende Autorin der Studie. In einer Pressemitteilung verweist sie auf den Anfangs-Riff von „Smoke on the water" von Deep Purple und den Refrain von „Bad Romance" von Lady Gaga, die ihrer Meinung nach ein gutes Beispiel für weit verbreitete melodische Strukturen und außergewöhnliche Repetitionen sind.

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„Uns war bereits bekannt, dass ein Song eher im Kopf bleibt, wenn man ihn in jüngster Zeit oder sehr regelmäßig gehört hat. Außerdem haben Menschen, die häufig singen und viel Musik hören, eher Ohrwürmer als andere", sagt sie. „Wir wissen mittlerweile auch, dass es—unabhängig vom Charterfolg eines Songs—gewisse melodische Merkmale gibt, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass einem eine Melodie im Kopf bleibt wie so eine Art privater musikalischer Bildschirmschoner."

Sie meinte auch, dass „die Ergebnisse der Studie aufstrebenden Songwritern und Werbemachern helfen könnten, Jingles zu schreiben, an die man sich noch Tage oder Monate später erinnern können wird."

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Jakubowkis Co-Autor, Daniel Müllensiefen, sagte gegenüber Broadly, dass es nie ihr Ziel war, „Methoden zu entwickeln, die helfen sollen, den kommerziellen Erfolg von Popmusik zu fördern." Vielmehr wollten sie, so der Musikpsychologe der Goldsmith University in London, „verstehen, wie der menschliche Geist funktioniert und ob es irgendwelche Regeln gibt, die bestimmen, wie wir Musik wahrnehmen."

Natürlich haben wir Müllensiefen auch gefragt, welchen Song er im Kopf hatte, während er an der Studie gearbeitet hat, deren Fertigstellung insgesamt fünf Jahre gedauert hat. „Ein Song, der bei mir immer wirkt, wenn ich nur den Titel höre", meint er, „ist ‚Can't get you out of my head' von Kylie Minogue."