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"Psycho-Ex"

Menschen erzählen, wie sie nach dem Ende ihrer Beziehung durchgedreht sind

"Ich kletterte durchs Fenster in sein Schlafzimmer und hinterließ ein selbstgeschriebenes Gedicht auf seinem Bett."

Foto: Jennifer Pahlka | Flickr | CC BY-SA 2.0

Nach einem Beziehungsende ein bisschen verrückt zu werden, ist ganz normal. In den Wochen danach darfst du mitten im Einkaufszentrum in Tränen ausbrechen oder dich mit fünf Tage alter Pasta vollstopfen, während du dich wie im Wahn durch alte Fotos aus der gemeinsamen Zeit scrollst. Bei manchen Menschen hört es da jedoch noch nicht auf.

Wir haben uns mit drei Personen unterhalten, die mit ihren Trennungen so gar nicht klarkamen und sich dementsprechend verhielten. Jede dieser drei Personen wurde als "Psycho-Ex" bezeichnet. Wir wollten ihre Version der Geschichte hören.

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Alle Namen wurden zum Schutz der Anonymität geändert.

Samantha, 26, Studentin

Ich bin mit Trennungen noch nie gut zurechtgekommen, aber mit Anfang 20 war es besonders schlimm und es fiel mir nach einer schlimmen Beziehung schwer, Dinge richtig einzuschätzen.

Vor ein paar Jahren datete ich einen Typen, der mir total persönliche Sachen erzählte – zum Beispiel, wie er mit Depressionen zu kämpfen hatte. Nachdem wir miteinander geschlafen hatten, ignorierte er jedoch plötzlich alle meine Anrufe und Nachrichten. Ich verstand nicht, warum die Person, mit der ich wochenlang so viel geredet hatte, auf einmal so kalt war. Er lebte damals mit einem Freund zusammen. Deshalb kletterte ich eines Tages durchs Fenster in sein Schlafzimmer und hinterließ ein selbstgeschriebenes Gedicht auf seinem Bett.

Ich wusste, dass er eine harte Zeit durchmachte. Deswegen hielt ich mein Gedicht für eine nette Geste. Er sah das allerdings anders und forderte, dass ich ihn nie wieder kontaktiere. Anschließend blockte er mich auf allen Social-Media-Plattformen. Meine Reaktion? Ich nutzte die Facebook-Accounts meiner Freunde, um ihm zu schreiben. Außerdem kommentierte ich jeglichen Status und alle Fotos, in denen er markiert war. Ich war so obsessiv, dass alle Reaktionen seinerseits – egal wie gemein – schon fast so etwas wie ein High in mir auslösten. Irgendwann verlor die Sache für mich aber ihren Reiz.


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Ein anderes Mal ließ mich ein Typ, mit dem ich schon einige Monate was am Laufen hatte, nach einer durchzechten Nacht mitten in einem Vorort stehen. Er wollte nicht, dass ich mit zu ihm nach Hause komme und dort auf seine Familie treffe. Also schmiss er meine Handtasche aus dem Autofenster. Als ich ausstieg, um sie mir wiederzuholen, fuhr er einfach weg. Mein Handyakku war leer und ich war richtig betrunken. Deswegen irrte ich erstmal 40 Minuten durch die Gegend, bevor ich endlich ein Taxi erwischte.

Ich verstand nicht, warum er mich so behandelt hatte. Ich wollte irgendeine Art von Bestätigung oder Kontrolle über die Situation. Deswegen fuhr ich am darauffolgenden Tag dorthin zurück, wo er mich rausgeschmissen hatte, und suchte so lange die Umgebung ab, bis ich sein Auto fand. Im Laufe der darauffolgenden Wochen wartete ich regelmäßig vor dem dazugehörigen Haus, bis ich eines Tages einfach mal klingelte. Er war verwirrt, weil ich sein Zuhause ausfindig gemacht hatte, und blockte mich direkt bei allen sozialen Netzwerken. Einige Monate später schrieb er mir jedoch wieder und wir schliefen miteinander. Gleichzeitig bezeichnete er mich als verrückt und beschrieb mich vor seinen Freunden als Psychopathin.

Zur gleichen Zeit stieg ich immer wieder mit Typen ins Bett, die meine Mitbewohner mit nach Hause brachten. Ich hatte Sex mit fremden Männern in dunklen Gassen, auf Kneipentoiletten und in Parks. Ich war ständig auf der Suche nach Bestätigung. Deshalb ging ich auch direkt in die Vollen, wenn sich meiner Meinung nach eine Beziehung entwickelte. Derzeit habe ich einen festen Freund und ich gehe viel besser mit meinen Problemen um. Ich glaube nicht, dass ich mich noch mal so verhalten werde wie früher. Ich habe jetzt mehr Selbstwertgefühl.

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Foto: Amanda Hinault | Flickr | CC BY-SA 2.0

Paul, 26, Verwaltungsangestellter

Wir haben uns bei Grindr kennengelernt und waren gut zwei Jahre zusammen. Obwohl er mich in den letzten vier Monaten immer weiter von sich weggedrängt hatte, kam die Trennung für mich plötzlich und ich verstand nicht, warum es zu Ende war.

Ich legte danach ein falsches Grindr-Profil an, um immer zu wissen, wo er sich aufhielt, was er machte und wie weit er von mit weg war. Ich merkte mir die Distanzen und wusste, ob er zum Beispiel arbeitete, trainierte oder zu Hause war. Ich überwachte ihn quasi. Und das fühlte sich aufregend an – in der Hinsicht, dass ich etwas machte, das ich eigentlich nicht machen sollte. Das Ganze tat mir weh, gab mir aber auch Sicherheit. Ich konnte ihn nicht mehr haben, aber durch mein Verhalten holte ich mir ein Stück Kontrolle über die Situation zurück.

Ich fuhr auch oft an seinem Haus vorbei, um zu sehen, ob bei ihm Licht brannte. Wenn er Sex hatte, schaltete er immer eine bestimmte Lampe an, um für etwas Atmosphäre zu sorgen. Ich hoffte, das Licht dieser Lampe nie zu sehen. Ich versteckte mich auch im Gebüsch vor seinem Zuhause.

Sechs Monate nach der Trennung hatten wir noch einmal Sex. Ich hoffte vergebens, dass das alles wieder richten würde. Ich klaute ihm dabei eines seiner Schlafshirts, um ihn und seinen Geruch bei mir zu haben.

Inzwischen sind 14 Monate vergangen, aber selbst in letzter Zeit bin ich manchmal noch dorthin gefahren, wo ich ihn vermutet habe. Das aufregende Gefühl ist jedoch verflogen. Ich komme zwar besser mit der Situation zurecht, aber manchmal suche ich ihn immer noch.

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Ich weiß, dass ich nicht gut mit Verlusten klarkomme. Ich glaube trotzdem nicht, dass ich mich noch einmal so verhalten würde. Die Beziehung ging für mich einfach zu plötzlich und schmerzvoll in die Brüche. Seit sieben Wochen habe ich ihn nicht mehr in den sozialen Netzwerken gestalkt.

Foto: Brandon Giesbrecht | Flickr | CC BY 2.0

Franka, 24, Jura-Doktorandin

Harry und ich lernten uns 2012 kennen. Eines Abends knutschte ich betrunken mit meinem Chef. Zu Hause bei Harry fühlte ich mich schrecklich und beichtete ihm alles. Daraufhin sagte er nur, dass es vorbei sei und ich aus seiner Wohnung verschwinden solle. Dann war er still, aber nicht aggressiv. Er ließ sich noch berühren, aber auf meine Fragen antwortete er nicht mehr. Ich wollte ihm unbedingt eine Reaktion entlocken und zog mich deswegen aus und schlief mit ihm. Dennoch sagte er kein Wort. Danach ging er einfach, schrieb mir aber, dass ihm das gefallen hätte. Letztendlich wollte er trotzdem, dass ich ausziehe. Und das tat ich dann auch.

Ich schwankte nach der Trennung zwischen intensiven Hassphasen und trauriger Nostalgie. Ich las jeden alten Brief aus den vier Jahren Beziehung. Ich hörte Lieder, die mich an Harry erinnerten, und heulte stundenlang Rotz und Wasser. Irgendwann hatte ich mindestens zwei Nervenzusammenbrüche pro Woche. Ich ging auch eine Weile zu einem Psychiater, aber das half mir nicht weiter. Für die richtig schlimmen Tage wurden mir lediglich Medikamente verschrieben.

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Ich informierte mich bei Harrys Freunden über seinen Zustand. So erfuhr ich, dass Harry mit einem gerade mal 20 Jahre alten Mädchen aus seiner kleinen Heimatstadt zusammen war. Ich stalke sie auch heute noch bei Facebook. Der Gedanke an die beiden tut mir weh. Sie kann mich mal. Sie kleidet sich beschissen. Ich weiß, dass Harry sich daran stört.

Vor zwei Tagen war ich mit einem Freund essen und er erzählte mir, wie er die Trennung erlebt hatte – meine extremen Stimmungsschwankungen, meinen plötzlichen Kokskonsum und meine Versuche, das Loch zu füllen, das Harry hinterlassen hatte. Ich versuchte entweder wirklich, neue Liebe zu finden, oder hatte absolut kein Interesse an den Typen, mit denen ich schlief.

Ich stelle mir immer noch vor, wie ich aufwache, zu Harrys Arbeit fahre und dort von ihm verlange, dass er mich wieder liebt. Oder wie ich dort hinfahre und dann die Luft aus seinen Reifen lasse. Hauptsache, ich bin wieder in seiner Nähe.

Seit Januar habe ich Harrys Briefe schon zweimal wieder gelesen. In diesem Zeitraum erlitt ich auch zwei schlimme Nervenzusammenbrüche, aber das ist schon eine deutliche Besserung. Seit der Trennung sind jetzt zehn Monate vergangen. Ich habe noch einen langen Weg vor mir.

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