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Wie Facebook mit geschickter PR verschleiert hat, dass Millionen Daten an Samsung, Amazon und Co. gingen

Eine Recherche der 'New York Times' zeigt, dass Facebook massenweise Daten an "Partnerfirmen" weitergibt. Obwohl der Konzern das längst zugegeben hat, sind jetzt alle überrascht. Die Geschichte zeigt, wie gut Facebooks PR funktioniert.
Mit seiner PR-Abteilung kann Zuckerberg voll zufrieden sein | Bild: imago | IP3press

Glattgebügelte und dennoch emotionale PR-Antworten kann Facebook: Mark Zuckerberg ist mittlerweile ein Meister im Sorry sagen und darin, zu betonen, dass es Facebooks Mission ist, "die Welt näher zusammen zu bringen". Der Datenschutz-Skandal um Cambridge Analytica drohte das soziale Netzwerk Anfang des Jahres kurz zu erschüttern, Zuckerberg wurde vor den US-Kongress und das EU-Parlament geladen.

Zuckerberg hat den Politikern viele Versprechungen gemacht, wie Facebook die Privatsphäre seiner Nutzer in Zukunft besser schützen will, und einige neue Datenschutz-Maßnahmen und Initiativen vorgestellt. Die öffentliche Aufregung hat sich mittlerweile wieder gelegt – auch wenn Facebook Datenschutz immer noch nicht so richtig ernst nimmt, wie unser Test mit einer Anmeldung als Neukunde zeigt. Fast alles ist wie vorher, selbst die kurzzeitig abgestürzten Börsenkurse haben sich wieder erholt. Angesichts all der schönen Antworten, Beteuerungen und Versprechen haben viele übersehen, dass Cambridge Analytica nur die Spitze eines Eisbergs ist. Facebook gibt noch viel mehr Daten ganz bewusst an "Partner" weiter, lässt weiterhin Schlupflöcher und hat schon seit 2006 immer wieder missbräuchliche Apps gefunden, das zeigt eine am Wochenende veröffentlichte Recherche der New York Times und Motherboard vorliegende schriftliche Facebook-Antworten zum Thema Cambridge Analytica.

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Facebook gibt eure Daten auch an Dutzende Tech-Konzerne und findet das voll in Ordnung

Alle reden über Cambridge Analytica und datenhungrige Facebook-Apps. Aber niemand redet darüber, dass Facebook eure Daten auch an Apple, BlackBerry, Samsung und viele andere Gerätehersteller weitergab und -gibt. Dafür müsst ihr euch nichtmal eine dubiose App installieren, das macht Facebook ganz selbstverständlich und automatisch im Rahmen von sogenannten Partnerschaften, um euch die volle "Facebook Experience" auf den Mobilgeräten zu bieten.

Die New York Times berichtete am Sonntag, dass einige dieser Partner auch auf euren Beziehungstatus, eure Religion und eure politischen Einstellungen zugreifen können. Dass Facebook auch Zugriff auf die Infos eurer Freunde hat, die ihre Daten nicht mit Dritten teilen wollen, hat das Unternehmen als Reaktion auf die Berichterstattung dementiert.

Was sich total neu anhört, hat Facebook eigentlich schon längst zugegeben, sogar gegenüber den Parlamentariern im Bundestag: Denen antwortete der Konzern Ende April, dass die Partner dafür integrierte Programmierschnittstellen nutzen können und nannte als Beispiel eine Facebook-App von Blackberry, die Nutzern ermöglicht, über Facebook mit ihren Freunden zu telefonieren.

Beachtet hat diese Information damals fast niemand obwohl das Ausmaß der Datenweitergabe wohl viel größer ist als die an Cambridge Analytica und andere Apps. Öffentliche Berichte finden sich zu dem Partnerprogramm keine bis zur aktuellen Recherche der New York Times.

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Facebook selbst findet das Partnerprogramm allerdings grundsätzlich völlig in Ordnung, hat aber angegeben, einige der Partnerschaften zurückzufahren, 22 seien bereits beendet. Wohlgemerkt begründet das Facebook nicht mit Datenschutz, sondern erklärt: "iOS und Android sind mittlerweile so verbreitet, dass immer weniger Leute die APIs nutzen, um eine extra zugeschnittene Facebook-Erfahrung zu entwickeln". Manche Nutzer mögen nun einwenden, dass Daten sicherer bei großen Tech-Konzernen aufgehoben sind, die damit ihre Dienste verbessern als bei einer politischen Werbefirma wie Cambridge Analytica. Dennoch wäre es wichtig, dass die Nutzer über die Partnerprogramme möglichst transparent aufgeklärt werden.

Zuckerbergs Aussage vor dem US-Kongress im März, "Du hast die volle Kontrolle darüber, wer deine Inhalte sieht und wie du sie teilst", könnte man unter diesen Umständen wohl dennoch als Täuschung verstehen, denn einige der Partnerschaften bestehen bis heute weiter. Er ist laut einem Statement gegenüber der New York Times sogar der Meinung, es bräuchte dafür keine Einverständnis der Nutzer, da sie diese Partner lediglich eine Erweiterung von Facebook seien. Deshalb werden die Daten an die Partner weitergegeben, selbst wenn man als Nutzer einer Datenweitergabe an Dritte zu Werbezwecken widersprochen hat.

Facebook räumt bei den Apps auf, die auf eure Daten zugreifen können – ein Schlupfloch bleibt

Mark Zuckerberg hat bei vielen Gelegenheiten betont, dass Facebook sofort Konsequenzen aus dem Cambridge-Analytica-Skandal gezogen habe: Zahlreiche Apps habe man rausgeworfen und neue Apps von Drittanbieter könnten ab sofort sehr viel weniger Daten einsehen.


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Das kleine Wörtchen "neu" bedeutet aber auch, dass das nicht für bereits existierende Apps gilt. Die haben immer noch "einige Zeit", die neuen Regeln umzusetzen. Bis dahin dürfen sie weiterhin Daten abgreifen, wenn Nutzer dem einmal zugestimmt hatten. Das erwähnt Facebook beiläufig in einer Antwort auf Fragen von Tabea Rößner von der grünen Bundestagsfraktion, die Motherboard vorliegen (Update: Die Antworten wurden jetzt auch veröffentlicht).

Schon 2006 wusste Facebook, dass Apps missbräuchlich auf Daten zugreifen

In ihren Anhörungen berichteten Zuckerberg und seine Pressesprecher beschwichtigend, dass die Plattform schon 2014 die Regeln für Apps geändert hat. Ab da hatten Apps nur noch Zugriff auf öffentliche Profile, Mail-Adressen und Freunde, die die gleiche App nutzen. Erst nach einem Review-Prozess hätten die Apps dann mehr Zugriff erhalten.

Außerdem würde derzeit ein "großes Team interner und externer" Experten Apps untersuchen. Tausende Anwendungen hätten sie bereits geprüft, 200 seien daraufhin stillgelegt worden. Das alles klingt, als sei sich Facebook der Probleme erst 2014 bewusst geworden.

Doch in den Antworten an die Grünen liest sich das noch etwas anders. Seit 2006 habe man 1.150 Unterlassungsaufforderungen an über 1.600 Anbieter und Accounts verschickt. Darunter befänden sich auch Entwickler von Apps, die den Bedingungen von Facebook nicht entsprechen. Sogar Prozesse erwähnt Facebook als Mittel, um gegen missbräuchliche Anwendungen vorzugehen. Zehntausende Apps würden jährlich geprüft und regelmäßig würden Apps der Zugriff entzogen. Unter diesen Umständen muss dem Konzern offenbar schon weit vor 2014 bewusst gewesen sein, dass es üblich ist, mehr Daten abzugreifen als zugegeben.

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