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Der Fall "UT 187"

Der erste "Geständige" aus der G20-Großfahndung ist offenbar ein Rechter

Aber wohl kein Straftäter. Und es wird noch verrückter.

"Männlich, kräftige Figur, Brillenträger, Bart, Glatze, graues T-Shirt, karierte kurze Hose, dunkle Schuhe, dunkler Rucksack". So beschreibt die Hamburger Polizei den "Unbekannten Teilnehmer 187". Der Mann soll während des G20-Gipfels einen Supermarkt geplündert haben. Er ist eine von 104 Personen, nach denen die Behörden seit Montag öffentlich fahnden. Allem Anschein nach ist "UT 187" aber auch der erste und bislang einzige Gesuchte, der sich bei der Polizei gemeldet hat, und obendrein kein Mitglied des Schwarzen Blocks oder bei der Antifa, sondern ein rechter Videoblogger.

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Am Dienstagmorgen berichtete die Bild: "Dank Megafahndung mit Hunderten Fotos: Erster G20-Verbrecher stellt sich in Hamburg". Der Geständige soll an jener Plünderung beteiligt gewesen sein, bei der auch "UT 187" mitgemacht haben soll. Laut der Zeitung handle es sich um einen 29-jährigen Deutschen aus Nordrhein-Westfalen.

Schon am Montagnachmittag fragte der Betreiber einer Facebook-Seite, auf der sonst Aufmärsche von Tausenden Neo-Nazis in Polen mit "Ja geil!!" bejubelt werden, "Wer kennt diesen Mann?". Dazu postete er die Fotos von "UT 187". Offensichtlich hatte sich der Mann selbst erkannt: Es handelt sich um einen deutschen Videoblogger, der laut Selbstbeschreibung "politisch inkorrekte Videos zum aktuellen Zeitgeschehen" auf YouTube veröffentlicht. Dem Journalisten Lars Wienand war sein Facebook-Post aufgefallen.


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Auf YouTube finden sich auch mehrere Videos des Bloggers von den Protesten und Krawallen rund um den G20-Gipfel. Ein bärtiger Mann mit Brille und Glatze spricht dort in die Kamera. Es ist der Mann, den die Polizei als "UT 187" sucht. In einem der Videos steht er im Hamburger Schanzenviertel, im Hintergrund brennt ein Feuer, dahinter ist der geplünderte Supermarkt zu sehen. Er kommentiert: "Da sind noch einige Sachen drin, das ist noch nicht komplett ausgeplündert." In einem zweiten Video läuft jemand – mutmaßlich er selbst – durch den Supermarkt, vorbei an zerbrochenen Konserven und zerdrückten Schokoladenpackungen, die auf dem Boden verstreut liegen.

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Ein Blick in den restlichen Kanals des Manns lässt keinen Zweifel über seine politische Ausrichtung. Eines seiner Videos heißt "Deutschland ist verloren!!!!!". Um seinem Kanal keine zusätzliche Publicity zu geben, verzichten wir darauf, sein Alias zu nennen und die Quellen zu verlinken. Unter seinem bürgerlichen Namen tritt der Videoblogger jedenfalls nicht in Erscheinung. Eine Web-URL, für die das gleiche Alias verwendet wurde wie für den YouTube-Kanal, die Facebook-Seite und einen entsprechenden Twitter-Account ist auf einen Philip S. aus Bottrop, Nordrhein-Westfalen, registriert.

In einem Kommentar auf Facebook schrieb der Blogger am Dienstagabend, er habe sich bei der Hamburger Polizei gemeldet. Aber hat der Mann überhaupt eine Straftat begangen?

Es ist nicht zu sehen, dass "UT 187" tatsächlich plündert

Jedem der 104 Verdächtigen "können wir Straftaten zuordnen", sagte Polizeisprecher Timo Zill bei der Vorstellung der Großfahndung. Gegenüber dem Stern sagte ein Beamter, der Mann habe "zugegeben, sich an einer Plünderung im Schanzenviertel beteiligt zu haben". Auch Bild berichtet das.

In dem Video des Bloggers ist jedoch nicht zu sehen, wie er Waren aus dem Supermarkt entwendet oder beschädigt. Allerdings zeigt das Video nur, wie er das Geschäft betritt, aber nicht, wie er es verlässt. Auf den zwei Fahndungsfotos aus den Überwachungskameras an der Kasse ist ebenfalls nicht erkennbar, dass er Ware in den Händen hat.

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Auf Facebook kommentiert der Videoblogger Medienberichte zu seinem vermeintlichen Schuldeingeständnis so: "LÜGEN! Ich hatte da angerufen, aber ich habe nicht geplündert!"

Die Polizei Hamburg beantwortete bisher nicht die Anfrage von VICE, ob der Verdächtige, der sich gemeldet hat, "UT 187" ist, und es sich dabei um den Rechten handelt. Von der Website der G20-Großfahndungen hat die Polizei "UT 187" aber am Mittwoch entfernt.

Auch den Videoblogger konnten wir weder per Mail noch unter der Mobilnummer, die bei der Registrierung seiner mutmaßlichen URL angegeben wurde, erreichen.

Und während Kritiker wie Heribert Prantl die G20-Großfahndung ganz oder in Teilen für gesetzwidrig halten, wirft der Fall von "UT 187" erneut die Frage auf, wie sorgfältig die Hamburger Polizei hier überhaupt vorgeht.

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