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Popkultur

Sami Slimani ist zurück – mit einem geklauten Video

"Manchmal muss man sich selbst verlieren, um sich wiederzufinden", sagt der YouTube-Star. Und manchmal übersetzt man eben englische Videos ins Deutsche und verarscht seine Fans.
Screenshot von YouTube aus dem Video "Zeit für ein Ende" von Sami Slimani

Es gibt wahrscheinlich nicht viele Menschen, die ihr Comeback-Video mit "Zeit für ein Ende …" betiteln würden. Sami Slimani ist allerdings so ein Mensch und hat sich nach zwei Monaten Webvideo-Funkstille am Sonntag zurückgemeldet. Mit einem angemessen dramatischen "Anruf" bei seinen Fans.

"Inspiration hat mir in den letzten vergangenen Monaten wirklich gefehlt", sagt Sami. Und wenn man durch seinen Videofeed scrollt, vorbei an "ER weiß nicht, wie ich IHN SCHMINKEN werde..!" und "Das 1. MAL NASEN-HAARE ENTFERNEN! (schmerzhaft!)", dann glaubt man ihm das auf’s Wort.

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Sami Slimani scheint im letzten Jahr unter anderem einen Todesfall in der Familie gehabt zu haben. Nur zu verständlich, dass das keine Zeit ist, in der man sich grinsend Gesichtsmasken ins Gesicht klatschen und fröhlich aufgedreht über seine Poren sprechen möchte. Mit erstickter Stimme erklärt er in seinem Comeback-Video, sich selbst verloren zu haben. Aber: "Manchmal muss man sich selbst verlieren, um sich wiederzufinden. Und die Zeit habe ich gebraucht."

Er habe authentisch sein und keine Fassade aufsetzen wollen, erklärt er aus dem Off, während ihn die Kamera dabei zeigt, wie er sich Kaffee aus einer Chemex-Design-Filterkanne eingießt und Seiten aus seinem Notizbuch reißt. Damit wirft er interessante Fragen auf: Wie ehrlich und ungeschönt dürfen YouTuber sein, die mit Gute-Laune-Content bekannt und erfolgreich geworden sind? Sind Influencer trotz aller Authentizitätsbeteuerungen nicht eher Laienschauspieler, die eine geschönte Version ihres eigenen Lebens inszenieren, weil sich mit Depressionen und Sinnkrisen keine Produkte verkaufen lassen, und die Fans in ihrem eigenen Leben genug Negatives haben, als dass sie sich das Ganze auch noch mit hektischen Jumpcuts und prätentiöser Musikuntermalung auf YouTube anschauen müssten?

Das alles könnte eine Diskussion anstoßen, die sich zu führen sicherlich lohnen würde. Stattdessen verliert sich Slimani in sinnentleerten Allgemeinplätzen, die klingen, als würde er die 15 beliebtesten Wandtattoo-Sprüche auf Etsy vorlesen. Ganz abgesehen davon, dass gestern mehrere Twitter-User feststellten, wo genau der Influencer seine neu gewonnene Inspiration her hat.

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Schon 2016 veröffentlichte die amerikanische YouTuberin Claire Marshall ein Video, in dem sie sich nach einer Auszeit zurückmeldete. Auch hier sieht man ein altes Telefon mit Wählscheibe, atmosphärische Aufnahmen aus einer teuer eingerichteten Wohnung und eine Influencerin, die bedröppelt in ihrem Bett sitzt und ins Nichts starrt. "Hey, It’s me. I know, it’s been a while", sagt Claire. "Hi, ich bin’s. Ich weiß, ich habe mich lange nicht mehr gemeldet", sagt Sami. (Claire gibt an, für den Clip von der YouTuberin Rachel Ngyuen inspiriert worden zu sein. Ein explizites "Ich telefoniere mit meinen Fans und spreche über meine Auszeit"-Video haben wir bei der allerdings nicht gefunden.)

In der Infobox des Videos schreibt Sami Slimani unter seinem Credit als Regisseur und Cutter, er sei von der YouTuberin HeyClaire "inspiriert" worden. Das klingt natürlich ein bisschen kuscheliger als "geklaut von HeyClaire. LOL!". Vor allem aber unterschlägt es die Tatsache, dass Slimani sich nicht nur an Ästhetik und Aufbau intensivst bei HeyClaire bedient hat. Er hat auch ihre Videobeschreibung einfach vom Englischen ins Deutsche übersetzt. "It's me. I was gone. Now, I'm back. Think of this as a phone call from an old friend", heißt es in der Beschreibung zu ihrem Video. Ihr Stuttgarter YouTube-Kollege machte daraus: "Hey, ich bin's. Ich war lange Zeit weg. Seht das als Telefonat von einem alten verloren gegangenen Freund."

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Seinen Fans scheint es egal zu sein. "So ehrlich, verletzlich und echt! Danke dass du uns so authentisch an deinem Leben teilhaben lässt", kommentiert Jolina Mennen, ebenfalls YouTuberin mit rund 230.000 Abonnenten. Auf Facebook schreibt eine Anhängerin, das komplette Video hindurch "Gänsehaut" gehabt zu haben.

"Ihr werdet niemals erfahren, ob ihr etwas schaffen könnt, wenn ihr es nicht zumindest versucht", twitterte Sami Slimani am Montag. Ist es cool, die Ideen anderer Leute als die eigenen auszugeben und sich dafür von seiner Fanbase feiern zu lassen? Natürlich nicht. Aber manchmal muss man Dinge eben einfach mal tun, und erst später darüber nachdenken, ob das so eine gute Idee war. Träumt nicht euer Leben, sondern lebt euren Traum. Und allem voran: Carpe diem, Leute!

Update, 08.03.2018: Mittlerweile hat Slimani das Video gelöscht und sich öffentlich für den Ideenklau entschuldigt. "Ich möchte mich von Herzen bei @HeyClaire für mein letztes Video entschuldigen", twitterte er am Mittwoch. "Ich hoffe, dass sie und meine Follower verstehen, dass ich niemandem etwas Böses wollte und meine Inspiration einfach mit mir durchgegangen ist."

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