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Eine rechtsextreme Gruppe bedroht Gastwirte in Deutschland

Ihr Ziel: Grüne, SPD und andere Gruppen aus Restaurants zu vertreiben.
Symbolfoto: imago | imagebroker

Otto Skorzeny war ein Hochstapler. Dem SS-Mann gelang es, 1943 das ganze Lob für die Befreiung Benito Mussolinis aus italienischer Haft einzustreichen, obwohl er daran nur am Rande beteiligt war. Umso überraschender, dass sich jetzt eine rechte Gruppe, die Gastwirte bedroht, ausgerechnet auf den aufgeplusterten Nazi-Offizier bezieht. Unter dem Namen "Interventionistische Rechte – Kommando Otto Skorzeny" (IR-KOS) versenden Unbekannte seit Ende letzten Jahres Drohmails an Restaurants, die aus ihrer Sicht unliebsame Leute bewirten. Die Gruppe betreibt zwei Websites, auf denen sie verbreitet, wem sie alles den Kampf angesagt hat: "linken Gruppierungen und Parteien, besonders den Grünen wie auch den anderen sogenannten Antifaschisten".

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Danach folgt ein menschenverachtendes Hasspamphlet, in dem Geflüchtete als "Humanschrott" bezeichnet werden. An anderer Stelle listen die Seiten diverse linke Zentren auf, der "rote Sumpf", der "trockengelegt" werden müsse. Als Grund für die Drohmails nennt die Gruppe, dass die Antifa Gastwirte unter Druck setze, die rechte Gruppen oder Parteien bei sich beherbergen, indem sie "Entglasung und/oder farbliche Veränderung der Fassade" androhe. Jetzt wolle man den Spieß umdrehen. Diese Trotz-Mentalität erklärt wohl auch, warum die Gruppe ihren Namen von der interventionistischen Linken kopiert.

Die erste öffentlich bekannte Drohmail der Gruppe ging Ende Dezember 2017 bei einer Gaststätte in Dießen am Ammersee ein. Kurz bevor der SPD-Ortsverein dort seine Weihnachtsfeier abhielt, kündigte die Mail indirekt an, man würde das Restaurant entglasen oder einen Farbanschlag verüben. Ein Restaurant im benachbarten Gauting hatte ein ähnliches Schreiben der Polizei gemeldet. Der bayerische Verfassungsschutz hatte laut der Augsburger Allgemeinen bis zu diesem Zeitpunkt nichts von der Gruppe gewusst.

Zwei Monate später erhielt der Besitzer des Passauer Restaurants Goldenes Schiff eine ähnliche Drohmail der "Interventionistischen Rechten", das sich auf ein monatliches Treffen der Grünen in dem Gasthaus bezog. Der Wirt solle solche Gruppen nicht mehr beherbergen, "um Entglasung und/oder farbliche Veränderung der Fassade Ihrer Gaststätte zu vermeiden", zitierte die Passauer Neue Presse aus der Mail. Der Wirt wiederum sagte der Zeitung, dass er sich nicht einschüchtern lasse. Sein Restaurant stehe auch weiterhin allen nicht-radikalen Gruppen offen.

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Die gleichen Mails gingen auch bei Münchner Restaurants ein, darunter der Tannengarten und das Augustiner Bürgerheim, in denen sich ebenfalls einmal im Monat die Grünen treffen, aber auch schon CSU, SPD und die Jungen Liberalen zu Gast waren. Daran will der Wirt auch in Zukunft nichts ändern, sagte er gegenüber Focus Online. Der bayerische Verfassungsschutz bestätigte gegenüber dem Magazin, dass im ganzen Freistaat inzwischen etwa ein halbes Dutzend Hotels und Restaurants solche Droh-Mail erhalten haben.

Doch während sich die Gruppe zunächst auf bayerische Gastronomen beschränkte, drohte sie inzwischen auch einem Restaurant in Nordrhein-Westfalen. Die Domstuben in Essen erhielten vor einem Treffen der Grünen eine Drohmail, berichtete die WAZ im Februar. Der Inhalt glich offenbar dem der anderen Schreiben. Der Verfassungsschutz NRW ermittelt jetzt in dem Fall.

Wer hinter der Gruppe steht, ist nicht bekannt. Im Seiten-Impressum steht als Adresse Ernst-Thälmann-Ring 88 in 17491 Greifswald. Die Straße existiert zwar, laut einem städtischen Adressverzeichnis von 2015 gibt es dort jedoch keine Hausnummer 88. Dennoch hat die Gruppe die Adresse womöglich nicht zufällig gewählt. Die Nazis ermordeten den KPD-Führer Ernst Thälmann 1944 im KZ Buchenwald, 88 gilt unter Rechtsextremen als Code für "Heil Hitler". Auch Felix Potator (Lateinisch für "der glückliche Trinker"), den die Seite als "Generalsekretär" führt, dürfte demnach eine Erfindung sein. Seine Drohungen hingegen sind echt, auch wenn sie bislang ohne Folgen blieben.

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