Warum wird die Familie Putz von so vielen so sehr gehasst?
"Die Familie Putz erlebt Abenteuer im Wunderland" | Foto aus dem XXXLutz-Pressecenter

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Popkultur

Warum wird die Familie Putz von so vielen so sehr gehasst?

Die Aufarbeitung einer der wichtigsten Fragen der österreichischen Fernsehgeschichte.

Sagen wir es vorsichtig: Die Putz-Familie löst starke Emotionen in mir aus. Das hat sie schon getan, als ich noch ein Kind war, als Teenie sowieso – und auch jetzt noch: tiefe, ehrliche Abscheu. Allein der gelangweilte Ausspruch "Oiso i find des supa" ruft Gefühle in mir hervor, die ich sonst eigentlich nur von persönlichen Reizthemen wie Vanilleeis und Manspreading kenne. Die Familie Putz ist die Rosine unter den österreichischen Werbecharakteren: Nicht jeder hasst sie, aber wenn doch, dann mit Inbrunst.

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Dass es diese Fernsehfamilie gibt, haben wir der Werbeagentur Demner, Merlicek & Bergmann und Finanzminister Schelling, ehemals Lutz-Geschäftsführer, zu verdanken. Im Jahr 1999 wurde sie ins Leben gerufen und verfolgt seitdem die österreichischen Bürger ungefragt bis in ihre Eigenheime. Die Spots der Familie Putz beziehen sich meistens auf berühmte Personen, Geschichten wie "Alice im Wunderland", Phänomene wie "Big Brother" oder bekannte Musikstücke, die auf grausame Art und Weise persifliert werden, auch Sitcom-Elemente sind immer wieder Teil der Spots, wenn beispielsweise Lacher aus dem Off eingespielt werden. Die Spots grenzen an Wahnsinn – aber ganz ehrlich: Wer würde nicht verrückt werden, wenn er in einer XXXLutz-Filiale wohnen würde?

Laut Wikipedia entstand der Name in Anlehnung an die Familie Petz – ja, die Familie vom Kasperl-Pezi. Ein weiterer Fun-Fact zur Familie, der euren Hass nur noch mehr entflammen wird: Die Macher der Werbung erhielten dafür im Jahr 2004 den Staatspreis Marketing. Oder um es mit den Worten eines erbosten Users aus dem Standard-Forum zu sagen: Wo ist Amnesty International, wenn es wirklich menschenverachtend wird?

Wenn ich mich entscheiden müsste, wer oder was an der Putz-Familie am hassenswertesten ist, könnte ich es nicht. Was ist schlimmer? Pest oder Cholera? Ein eingewachsener Zehennagel oder Nickelback? Der Vater mit dem Silberblick, die Mutter mit der Wallemähne, oder die Großmutter, die einmal ausgetauscht wurde, ohne dass ihr es gemerkt habt?

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Oder sind es doch Putzi Putz und seine Freundin namens Ixi, die beide nichts auf der Welt so sehr lieben wie Möbel? Abgesehen von der Frage, was zur Hölle Ixi für ein Name ist, gibt es noch ein paar andere verblüffende Dinge an der beschissensten Werbefamilie Österreichs, die den Hausverstand und die "Hallo, hier ist dein Fernseher"-GIS-Stimme wie die coolsten Charaktere der Welt erscheinen lässt.

Die nervtötenden Songs, die noch nervtötenderen Storylines in Kombination mit der beiläufigen Präsentation einer smarten Küche inklusive Induktionsherd sind meine Nemesis. Und nicht zu vergessen – die besonders besorgniserregenden Print-Werbungen, die euch in euren schlimmsten Träumen verfolgen werden:

Im Mai wurden im Filmcasino in Wien alle Putz-Spots aus 17 Jahren auf der großen Leinwand gezeigt, der Standard berichtete im Etat-Ressort darüber und zeigte eine Auswahl. Die Kommentare unter diesem Artikel machen Mut. Weil sie zeigen, dass Putz-Hass etwas ist, das die Österreicher vereint und zu kreativen Hochseilakten anspornt.

Dass ein gemeinsames Hassobjekt die Menschen zusammenbringt, zeigen (neben der weitaus weniger lustigen Seite von Heinz-Christian Strache) auch diverse Facebook-Gruppen zu Thema: Eine mittlerweile gelöschte hieß zum Beispiel "Ich hasse die Familie Putz" (Amen, Schwester), eine aktuelle trägt den klingenden Namen "Stoppt Familie Putz und Co sofort", was dem Ganzen noch die notwendige Dramatik und Ernsthaftigkeit verleiht.

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Auch auf der XXXLutz-Facebookseite äußern Menschen erstaunlich oft ihren Unmut über die Werbespots:

Da ich natürlich verstehen wollte, was wirklich so schlimm an der gottverdammten Fake-Familie Putz ist, kam ich nicht umhin, mir einige dieser Spots bewusst anzuschauen. Mittlerweile haben wahrscheinlich alle Österreicher verstanden, dass die Familie Putz in einem Möbelhaus lebt und das Möbelhaus-Life nunmal ein ziemlich verrücktes Life ist (und es erstaunlich viele Jubiläen gibt, die die Putzens immer wieder mit bizarren Jingles verkünden).

Und nachdem es die Familie nun schon seit 17 Jahren gibt, ist es wahrscheinlich nur logisch, dass die Geschichten mit der Zeit immer gestörter wurden. Natürlich wissen wir alle, dass das Konzept der Macher aufgeht: Die Spots sind so furchtbar, dass sie herausstechen und hängen bleiben. Und die Protagonisten werden uns schon so lange vor die Nase gehalten, dass uns fast nichts anderes mehr übrig bleibt, als eine Bindung – egal ob positiv oder negativ – zu ihnen aufzubauen. Dieser Text ist der beste Beweis dafür.

Was ich aber eigentlich sagen wollte: Nachdem ich mir eine YouTube-Playlist namens "Oldies but Goldies" mit insgesamt 81 Spots angesehen hatte, war es schwer auszumachen, welcher der schlimmste war. Gewonnen hat dann ein Clip aus 2007 namens "Küchenrap", in dem die Familie Putz in einem Auto sitzt, das von der Großmutter durch eine Großstadt aus Küchen gesteuert wird. Und die Familie rappt. Und bewegt sich dazu. Und trägt Anzüge, sie Sherlock Holmes sicher auch recht gut gefallen hätten. Spätestens jetzt weiß ich, woher Richard Lugner seine Inspiration zur verstörenden "Gemma Lugner"-Videoserie hatte. Je gestörter, desto besser.

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Im Gespräch mit VICE erzählt Stephan Bauer, der Putzi Putz spielt, seit er zehn Jahre alt ist, dass er selbst noch nie mit dem Hass gegen die Familie Putz konfrontiert war: "Dazu muss ich sagen, dass ich glücklicherweise noch keine schlechten Erfahrungen gemacht habe. Ich stelle allerdings auch meine Werberolle nicht in den Mittelpunkt und wenn mich jemand darauf anspricht, geht es meist eher nur um Selfies. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich nicht die ganze Fanpost selber beantworte."

Dass so mancher Österreicher die Putz-Familie hasst, sieht Bauer locker: "Ich denke, es ist jedem selbst überlassen, wie er über die Werbung denkt. Klar gibt es manchmal Spots, die es nahezu provozieren, Emotionen auszulösen. Aber das ist auch das Konzept von Werbung, denke ich – aufzufallen und in den Gedächtnissen zu bleiben."

Warum die Familie Putz so inbrünstig gehasst wird, liegt zumindest auf den ersten Blick auf der Hand: Weil sie nervt. Dem Unternehmen selbst scheint der Hass ebenfalls nicht viel auszumachen. Auf Nachfrage von VICE heißt es: "Grundsätzlich ist es so, dass wir uns über jede Reaktion betreffend unserer Werbung beziehungsweise Werbefamilie freuen. Gerade in der heutigen Zeit des absoluten Overflows der Werbung ist es ohnehin nicht mehr so leicht, wahrgenommen zu werden. Daher können wir durchaus auch mit kritischen Stimmen leben. Wie hat Robert Kratky im 'Ö3-Wecker' einmal treffend gesagt: 'Man liebt sie oder man hasst sie, aber man kennt sie.'"

Ähnlich sieht man das auch bei Demner, Merlicek & Bergmann, der Agentur, die die Familie Putz erfunden hat. Auf Nachfrage von VICE, warum die Familie so gehasst wird, heißt es: "Hass ist das falsche Wort, vor allem gibt es viele, die die Familie Putz lieben – sonst wäre sie ja nicht so erfolgreich. Dass die Familie stark polarisiert, ist Teil ihrer Wirkung: Sie ist den ÖsterreicherInnen nicht 'wurscht', wie man so schön sagt."

Verena auf Twitter: @verenabgnr

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