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Menschen erzählen, warum sie aus einem Club geflogen sind

"Irgendwann hatte ich den Einfall, einen Feuerlöscher aus der Halterung zu reißen, vor den Laden zu treten und eine Schaumparty zu veranstalten."
Security in einem Club
Foto Club: imago | Hoch Zwei Stock | Angerer || Security: imago | CHROMORANGE || Montage: VICE 

Es ist die zentrale Frage unserer Zeit: Wie komme ich in einen Club? Ganze Generationen haben versucht, darauf die eine Antwort zu finden, es wurden Bücher geschrieben, Dresscodes und Verhaltensmuster einstudiert. Die Angst vor dem Türsteher, dieser menschlichen Wand, die zwischen uns und dem puren Vergnügen im Inneren des Clubs steht, ist so groß, dass wir es häufig versäumen, über eine noch wichtigere Frage nachzudenken: Wie schaffe ich es, in einem Club auch drin zu bleiben?

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Das sollte einfach sein, denken wir leichtsinnig, rausfliegen kann man schließlich nur aus wirklich gewichtigen Gründen. Das passiert nur den Chaoten und Kaputten, die auf die Tanzfläche pinkeln, den Türsteher umwrestlen oder von der Bar Kokslines ziehen. Aber das ist FALSCH. Es kann jedem passieren und es ist vielen von uns schon geschehen. Menschen haben uns erzählt, warum sie aus Clubs geflogen sind.

Nick, 36

Ich hatte in einer nordbayerischen Kleinstadt-Ballermanndisco etwa eine halbe Flasche Absinth und sicherlich einige Biere verkostet. Irgendwann hatte ich den genialen Einfall, einen Feuerlöscher aus seiner Halterung zu reißen, vor den Laden zu treten und eine kleine Schaumparty zu veranstalten. Schaumpartys waren groß Mitte der 2000er. Fast so groß wie die Angst vor diesem undefinierbarem Pulver, das Terroristen in Briefen verschickten, um die Welt mit Viren zu überziehen. Ich wusste nicht, dass direkt neben der Disco ein islamisches Kulturzentrum war. Aber aus diesem Grund dachte wohl irgendeine andere besoffene Person, das Pulver aus meinem Feuerlöscher sei in Wirklichkeit ein Terroranschlag. Und rief die Polizei. Ich weiß nicht mehr, welchen Part die Türsteher am wenigsten geil fanden. Jedenfalls zogen sie mir 50 Euro für den Feuerlöscher aus der Tasche und warfen mich raus.

Laura, 26

Früher ging ich oft alleine in Clubs feiern. Mir ging es zu dieser Zeit psychisch ziemlich mies und ich dachte, dass ich so vielleicht leichter neue Leute kennenlerne. Ich war damals gerade nach Lausanne gezogen, nachdem ich wegen Depressionen, Suizidgefährdung und starkem Suchtverhalten in einer Klinik behandelt wurde. Es fiel mir schwer, in der neuen Stadt neue Freundschaften zu schließen und ich fühlte mich sehr einsam. Ich versuchte, mit Alkohol und Drogen meine Trauer zu ertränken – und bekam Psychosen. In einer Nacht fing ich im Rausch an, in den anderen Clubbern Gestalten mit entstellten Fratzen zu sehen. Als zwei Gäste im Gang zur Toilette rumknutschten und mich dabei aus Versehen schubsten, rastete ich aus. Ich packte die eine Person und stieß sie mit aller Kraft gegen die andere, sodass beide gegen die Wand prallten. Dabei schrie ich sie an – und alle, die dazukamen, um einzugreifen. Irgendwann wollte ich mich mit allen prügeln und warf dabei jemanden zu Boden. Erst die Securitys schafften es, mich rauszuwerfen. Draußen waren sie extrem einfühlsam mit mir. Sie trösteten mich, als ich mich bei ihnen ausheulte, und gaben mir einen kleinen Sandball zum Wutabbau mit. Den nahm ich in den nächsten Monaten überall hin mit. Hausverbot im Club hab ich trotzdem bekommen.


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Jonas, 30

Mit 20 habe ich in einem Hamburger Club betrunken mit der Freundin eines Kumpels rumgemacht. Sie hat sich auf den Barhocker des Türstehers gesetzt, um mit mir zu knutschen. Leider waren wir so dicht, dass wir die Balance verloren haben und mit dem Hocker aus der Clubtür raus auf die Straße gefallen sind. Das war dem Türsteher zu doll. "So jetzt ma' gut hier. Raus!", rief er. Die Aktion war schon einigermaßen würdelos. Die Strafe kam aber am nächsten Tag mit dem Kater und dem schlechten Gewissen vor meinem Kumpel.

Ilona, 21

Ich hatte eine Zeit lang etwas, was man zurückhaltend als alkoholinduziertes "Aggressionsproblem" bezeichnen könnte. Wenn ich viel getrunken habe, reichte die kleinste Situation, um mich komplett explodieren zu lassen – ein bisschen wie Scarface, nur mit billigem Sekt statt Kokain. An einem Abend hatte ich mich von einer Freundin überreden lassen, mit ihr zu einer wirklich schlechten Party zu gehen. Musik schrecklich, Club schrecklich, Leute schrecklich. Und dann war es da auch noch eng. Als ich zum bestimmt zehnten Mal geschubst wurde, reichte es mir. Ich stieß einen Typen, der sich an mir vorbeigedrängelt hatte, gegen eine Wand. Und vielleicht, möglicherweise, habe ich ihm daraufhin gesagt, dass ich ihm die Nase breche, wenn er das nochmal macht. Der Typ rief dann die Türsteher, die mich ruhig, aber bestimmt Richtung Ausgang begleiteten, während ich weiter unflätig fluchte.

Lars, 35

Vor einigen Jahren war ich bei der Echo-Aftershowparty. Kurz vor Ende der Veranstaltung kam ein Freund von mir auf die Idee, sich hinter die Bar zu stellen und mit den Barkeeperinnen noch ein paar ordentliche Longdrinks zu mixen. Diese Aktion endete damit, dass er von zwei gorillagroßen Security-Männern herausgetragen wurde. Als die beiden mich im Vorbeigehen fragten, ob ich auch dazu gehörte, druckste ich rum: "Na ja …" Das hatte ihnen schon gereicht. Sie haben mich dann auch zu zweit untergehakt und mich und meinen Kumpel auf dem bescheuerten lila Teppich abgesetzt. Mein Freund meinte dann: "Komm, lass in den Puff! Da sind wir um diese Zeit auch noch willkommen!" Ich habe ihn allerdings noch davon abhalten können.

Anna, 23

Ich bin vor Kurzem aus einem Club geflogen, weil ich betrunken eine Flasche Limo mit reinschmuggeln wollte. Mein Kumpel und ich hatten schon Eintritt bezahlt und unsere Jacken abgegeben. Die Limo habe ich so unter meinem Arm versteckt, dass man sie nicht sieht. Meine Begleitung hat mir die Flasche beim Abtasten des Türstehers kurz abgenommen. Und als er dran war, habe ich sie zurück in ihr Versteck gepackt. Es war eigentlich eine ziemlich gekonnte Aktion. Aber ich bin eben einfach ein ziemlicher Tollpatsch: Genau in dem Moment, in dem der zweite Türsteher uns die Tür zur Tanzfläche öffnete, fiel mir die Flasche runter. Und wir flogen wieder raus. Das war schon ziemlich peinlich.

Rebecca, 26

Als ich 17 war, wollten mein Ex, ein paar Freunde und ich unbedingt in diesen vornehmen Club, in dem die ganzen Rich Kids jedes Wochenende feierten. Als der Türsteher uns reinließ, waren wir so glücklich, als hätte uns jemand das monatliche Taschengeld der anderen Besucher aufs Konto überwiesen. Wir gaben unser Zeug in der Garderobe ab und liefen Richtung Tanzfläche. Der andere Türsteher fand die Outfits unter unseren Jacken aber offenbar weniger geil als erwartet. Er sagte meinem Ex, sein billiges Hemd passe nicht zum Club und eskortierte uns raus. Natürlich haben wir die zwei Euro für die Garderobe an der Kasse zurückverlangt.

Kilian, 29

Meine Freundin und ich wurden aus einem Berliner Club geworfen, weil sich bei einer völlig überfüllten Techno-Nacht wahnsinnig lange Schlangen vor allen Klos gebildet hatten. Sie musste dringend, wir sind raus auf den Hof. In einer dunklen Ecke hat sich meine Freundin über die Regenrinne gehockt und gepinkelt. Als sie fertig war und niemand rausgekommen war, wollte ich auch schnell. Als ich es gerade laufen ließ, hörte ich den Security von hinten: "Das ist nicht dein Ernst, oder?" Wir wurden zur Gaderobe begleitet und rausgebracht.

Joleen, 27

Zürich, Schweiz, normaler Samstagabend, irgendein Club: zwei Kabinen für die Frauen, fünf Pissoirs und zwei Kabinen für die Männer. In Berlin gehe ich auch auf die Männertoilette, wenn es schnell gehen muss. In Zürich habe ich das auch versucht. Und flog raus: Sofort kam der Türsteher und zeigte auf die Regeln an der Klotür. "Keine Frauen auf dem Herren-WC." Dann forderte er mich dazu auf, den Club zu verlassen. Hallo, 2018? Ich habe ihm gesagt, dass ich nur noch kurz meine Jacke holen muss. Dann bin ich in der Menge untergetaucht und habe weiter getanzt. Leider war ich mit meinen hohen Schuhen ungefähr 1,82 Meter groß. Zehn Minuten nach meiner Flucht wurde ich von zwei Türstehern mit Taschenlampe und festem Griff durch den Club geschleift. Ich kannte den Clubbesitzer, den DJ, die Barkeeper und ungefähr die Hälfte aller Gäste, mir war das ziemlich peinlich. Doch am Ende rettete das meinen Abend: Nach zwanzig Minuten Überredungskunst (immerhin kam ich mit dem DJ in den Club) und einer persönlichen Entschuldigung beim Ober-Türsteher durfte ich wieder rein.

Nina, 28

Aus dem Club fliegen gehörte in meinen jungen Partyjahren quasi zum Standard. Meistens war ich daran jedoch nicht direkt schuld, sondern mein damaliger Freundeskreis. Der bestand zu 90 Prozent aus übermütigen Jungs mit niedriger Alkoholtoleranz. Einmal bin ich aber tatsächlich selbst für meinen Rauswurf verantwortlich gewesen. In München traf ich im Club einen Typen wieder, der mich beim Oktoberfest wenige Stunden zuvor von einer Bierbank aus beschimpft und mit Hühnchen beworfen hatte. Er hatte seine Freundin niedergebrüllt, ich hatte sie getröstet. Zum Dank bewarf er mich mit Essen. Wisst ihr eigentlich, wie viel ein halbes Hendl auf der Wiesn kostet?! Im Club revanchierte ich mich mit dem gleichen Verhalten bei ihm – nur dass ich mit Eiswürfen statt Essensresten auf ihn warf. Leider kannte der Typ die Clubbesitzer. Und ich flog hochkant raus. Wieder einmal hatte das Patriarchat gewonnen.

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