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rechte Hetze

Hasskommentare gegen städtische Mitarbeiter: Schorndorf zeigt rechte Hetzer an

Der "Ausländermob", der gar keiner war, könnte am Ende einige Rechtsextreme vor Gericht bringen.
Foto: imago | 7aktuell

Isn't it ironic? Am Ende müssen sich in Schorndorf nicht die zu Unrecht beschuldigten Ausländer strafrechtlich verantworten – sondern rechte Hetzer. Vor knapp drei Wochen verbreitete sich eine Mitteilung der Schorndorfer Polizei rasant. Darin entstand der Eindruck, dass 1.000 Jugendliche, mehrheitlich mit Migrationshintergrund, in Schorndorf randaliert, Flaschen geworfen und Polizisten angegriffen hätten. Einen gewalttätigen Mob von Flüchtlingen, "der das Land als Beute betrachtet und unsere Töchter als verfügbare Schlampen", gab es vor allem in der Wahnvorstellung des AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen. Stattdessen tobte ein ganz anderer Mob in den sozialen Netzwerken. Rechte Gruppierungen gingen bei Facebook und Twitter auf die Mitarbeiter der Stadtverwaltung los: Ihnen war herzlich egal, dass für die Flaschenwürfe und Körperverletzungen keine 1.000 Einwanderer verantwortlich waren. Hauptsache draufhauen! Und so verschickten sie per Facebook und Twitter zahlreiche Hasskommentare an die Stadtverwaltung und den Oberbürgermeister von Schorndorf.

Anzeige

Die Stadt wehrt sich nun dagegen und will bei der Polizei Anzeige gegen die Hetzer erstatten. Welche rechtsextremen Gruppen und Personen sich verantworten müssen, wisse man noch nicht, so Stadtsprecherin Nicole Amolsch. Fünf Mitarbeiter der Stadt haben die Hasskommentare gelöscht und vorher dokumentiert. Die gelöschten Posts wolle man jetzt auswerten. Insgesamt waren laut Amolsch etwa 1.500 Kommentare auf den Facebook-Seiten der Stadt und des Oberbürgermeisters gelandet – darunter zahlreiche mit beleidigenden oder rassistischen Inhalten.

Es scheint nicht nur allgemeine Beschimpfungen, sondern auch persönliche Angriffe gegeben zu haben. So schreibt Oberbürgermeister Matthias Klopfer in einem Statement: "Ich bin aber nicht bereit, mich vor allem in den sozialen Medien, aber auch am Telefon, per E-Mail und im persönlichen Gespräch auf hetzerische Art und Weise anfeinden oder gar bedrohen zu lassen." Auch Klopfers Familie, die Polizei und Ehrenamtliche seien massiv angegangen worden. Die Sprecherin der Stadt wollte zu Details der persönlichen Beleidigungen keine Auskunft geben.


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Rechte machten nicht nur im Internet Stimmung: Wenige Tage nach den Ausschreitungen beim Schorndorfer Stadtfest zogen Mitglieder der sogenannten Identitären Bewegung durch die Stadt und verteilten Flyer. Auf deren Facebook-Seite ist zu sehen, wie die Identitären einer Frau Pfefferspray mitgeben. Und auch Angehörige des rechtsextremen Dritten Weges "patrouillierten" nach eigenen Angaben "zum Schutz der Bürger" durch Schorndorf. "Schorndorf war für die Rechten ein gefundenes Fressen und ideal, um ihre Propaganda zu betreiben", sagt auch Sonja Großhans von der dortigen Fachstelle für Rechtsextremismus.

Die Polizei von Schorndorf trägt für die hitzige Stimmung durch ihre missverständliche Pressemitteilung eine gewisse Mitverantwortung: Darin berichteten sie von rund 1.000 Personen, mehrheitlich mit Migrationshintergrund, die sich im Schlosspark versammelt hätten. Dabei sei es zu Randalen gekommen. Einwanderungsgegner und rechte Gruppen witterten schon eine Art zweite Kölner Silversternacht. In einer späteren Pressemitteilung ist jedoch nur noch von 100 beteiligten Personen die Rede – überwiegend mit Migrationshintergrund. Sie sollen sich mit einem Deutschen solidarisiert haben, der wegen Körperverletzung festgenommen wurde. Dabei sollen sie Flaschen auf Beamte geworfen und diese körperlich angegangen haben. Zudem ermittelt die Polizei in sechs Fällen wegen sexueller Belästigung, davon in vier Fällen gegen Unbekannt und in zwei Fällen gegen geflüchtete Personen. "Den 1000-Mann starken Asylantenmob hat es schlicht nicht gegeben", sagt Sprecherin Amolsch. Die Hetze im Internet ist dagegen real.

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