Schizophrenie ist eine psychische Störung, die etwa 0,7 bis ein Prozent der Menschen weltweit betrifft. Sie ist sehr bekannt, aber extrem missverstanden. So führt die Störung etwa nicht zu einer gespaltenen Persönlichkeit oder macht Menschen gewalttätig und gefährlich, auch wenn Filme und Serien das seit Jahrzehnten so darstellen. In der Regel manifestiert sich eine Schizophrenie zwischen der Pubertät und dem frühen Erwachsenenalter. Die Symptome können so subtil sein, dass medizinisches Fachpersonal oder Betroffene sie nicht erkennen oder als Angststörung oder Depression fehldiagnostizieren.
Zu den klassischen Symptomen einer Schizophrenie gehören ständige oder episodenhaft auftretende Halluzinationen – vor allem das Hören von Stimmen und Geräuschen –, unsortierte Sprache und Gedanken sowie eine verzerrte Umweltwahrnehmung. Manchen Betroffenen fällt es schwer, ihre Wahnvorstellungen von der Realität zu unterscheiden. Bei vielen sind die Gefühlsempfindungen und die Fähigkeit, diese auszudrücken, eingeschränkt. Generell kann es für Menschen mit Schizophrenie schwer sein, Beziehungen zu anderen aufzubauen.
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Wie genau sich die Symptome äußern, wie intensiv und wie häufig sie auftreten, variiert von Person zu Person. Entsprechend verschieden sind die Behandlungsmethoden, das nötige Therapie-Medikationsverhältnis und der Unterstützungsbedarf im Alltag. Was allerdings alle Betroffenen gemein haben, ist, dass die Schizophrenie einen starken Einfluss auf ihren Alltag hat – und auf ihr Sexleben.
Leider ist es für viele der Betroffenen schwer, Unterstützung beim Umgang mit Sex und Intimität zu finden. In der Forschung hat man dem Thema bis vor Kurzem nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt, aber das ändert sich langsam.
Nichtsdestotrotz gibt es nur wenige Berichte darüber, wie Schizophrenie das Intimleben der Betroffenen im Alltag beeinflusst. VICE hat sich vor Kurzem mit Lauren Kennedy und ihrem Partner Rob Lim darüber unterhalten, welche Rolle Laurens Schizophrenie im Sexleben des Paares spielt und wie sie mit den Symptomen umgehen. Lauren betreibt den YouTube-Kanal “Living Well with Schizophrenia”.
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Lauren: Meine Schizophrenie begann mit Stimmungsschwankungen während meiner Schulzeit. Ich dachte zuerst, ich hätte eine Depression. Das entwickelte sich zu Hoch- und Tiefpunkten und manischen Phasen. Später wurde bei mir eine schizoaffektive Störung diagnostiziert, was eine Art Kombination aus Schizophrenie und bipolarer Störung ist.
Als ich 24 war, begann ich, schreckliche Dinge zu riechen und Sachen zu hören – meinen Namen oder einfach Stimmengewirr –, die aber von nirgendwoher kamen. Ich hatte Wahngedanken und dachte zum Beispiel, dass meine Ärzte mir schaden wollen.
Als sich meine psychotischen Symptome entwickelten, war ich in einer Langzeitbeziehung. Sie veränderten die Dynamik zwischen uns komplett. Ich war von meinen Symptomen so eingenommen, dass ich in meinem Kopf keinen Platz mehr für Intimität hatte. Die Beziehung zerbrach, kurz bevor ich mit 25 meine Diagnose bekam.
Nach meiner Diagnose dachte ich nicht als Erstes an Sex, aber ich machte mir sofort Sorgen um Intimität im Allgemeinen. Ich hatte Angst, dass mich Menschen aufgrund der Stigmata, die mit Schizophrenie verbunden sind, nicht akzeptieren würden. Dass ich keinen guten Partner mehr finden könnte. Mit den Medikamenten, auf denen ich damals war, hatte ich das Gefühl, nicht voll funktionstüchtig zu sein, oder dass ich keine so präsente und aktive Partnerin sein konnte, wie ich sie gerne wäre.
Rob und ich sind zusammengekommen, als ich 26 war. Ich hatte davor schon ein paar Dates, aber niemandem von meiner schizoaffektiven Störung erzählt. Ich habe mich einfach nicht sicher gefühlt. Bei Rob war das anders: Ihm habe ich bei unserem dritten Date davon erzählt. Er hat es gut aufgenommen.
Rob: Ich habe einen Abschluss in Psychologie und kannte mich ein bisschen mit Schizophrenie aus. Aber das war 15 Jahre, bevor wir uns kennengelernt hatten. Viel wusste ich also nicht. Bevor Lauren mir davon erzählte, war mir an ihr nichts in die Richtung aufgefallen.
Lauren: Ich glaube immer noch, dass du damals nicht wirklich wusstest, was Schizophrenie ist oder wie sie mich oder uns in der Praxis beeinflusst. Das kam erst viel später in unserer Beziehung.
Rob: Ja, ich habe es wahrscheinlich erst wirklich verstanden, als du im Krankenhaus gelandet bist. Und das war viel später.
Lauren: Findest du, dass ich meine Störung falsch dargestellt habe, als ich dir zum ersten Mal davon erzählt habe?
Bob: Hmm … Nicht total falsch?
Lauren: [Lacht]
Rob: Es gehört aber auch viel mehr dazu, als einfach nur zu sagen: “Ich habe Schizophrenie.” Wie ist die eigene Erfahrung damit? Einem das mitzuteilen, ist erst der Anfang dieser Konversation.
Lauren: Wann ist dir meine Schizophrenie in unserem Intimleben zum ersten Mal aufgefallen? Ich habe dich das noch nie gefragt, deswegen bin ich neugierig.
Rob: Es gab Phasen, in denen du müder zu sein schienst – man merkte einfach, dass gerade keine gute Zeit für Sex ist. Aber der Anfang unserer Beziehung schien mir ziemlich normal, was diese Verknalltheitsphase angeht. Da hatten wir eine Menge Sex miteinander. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sich die Schizophrenie irgendwie darauf ausgewirkt hat.
Lauren: Aber das ist es ja. Wir haben nicht zusammengelebt. Unsere Dates hatten wir an Tagen, an denen es bei mir gut lief. Wenn ich eine Menge Symptome hatte, bin ich zu Hause im Bett geblieben. Es fällt mir schwer, Intimität zu initiieren, wenn ich Halluzinationen habe, mich ruhelos fühle oder emotional leer bin. Manchmal bin ich auch einfach zu manisch, um Sex zu haben.
Rob: Ja, ich habe definitiv mehr davon mitbekommen, als es bei uns enger wurde.
Lauren: Ich habe auch das Gefühl, dass ich emotional super leer war, als wir anfingen zu daten. Hast du das gemerkt?
Rob: Als wir darüber gesprochen haben, was uns beim Sex wichtig ist, hast du gesagt, dass du dich verbunden fühlen und Ekstase erleben möchtest. Ich weiß das auch alles zu schätzen, aber für mich ist Sex mehr eine körperliche Sache.
Lauren: Vielleicht fällt mir eher auf, wenn ich Probleme mit meinen Gefühlen und meiner Verbindung zu dir habe, weil es mir beim Sex mehr darum geht, eine emotionale Verbindung aufzubauen?
Rob: Ja, ich glaube schon. Um ehrlich zu sein, merke ich nicht wirklich, wenn Lauren Probleme hat, Gefühle zu verarbeiten oder auszudrücken.
Lauren: Ich glaube nicht, dass wir jemals eine Unterhaltung in der Art hatten: “Hey, ich habe gerade Symptome, ich will keinen Sex.” Rob hat eigentlich immer ein gutes Gespür dafür, wann Sex für mich infrage kommt und wann nicht.
Ich habe ja auch nicht ständig Symptome, wir haben also viele Gelegenheiten, miteinander intim zu werden. Und manchmal, wenn ich Symptome habe, hilft Sex sogar, mich zu erden. Es ist eine recht intensive Sache, die genug Aufmerksamkeit beansprucht, damit ich währenddessen keine Halluzinationen oder so habe. Es festigt außerdem wieder meine Bindung zu der Person, die mir am nächsten ist. Ich versuche dann, vorher festzustellen, ob der Sex mich erden würde. Das merke ich daran, ob es sich gut und richtig anfühlt, wenn wir miteinander kuscheln oder uns zu küssen beginnen. Wenn das der Fall ist, mache ich weiter.
Rob: Je mehr ich über Schizophrenie gelernt habe, desto mehr Zweifel hatte ich, ob wir auf lange Sicht eine Beziehung haben könnten.
Lauren: 2019 habe ich meine Medikamente abgesetzt und bin symptomatischer geworden, was ich zu verstecken versuchte. Im Oktober 2019 wurde ich dann eingeliefert. Ich glaube, Rob hatte das Gefühl, dass ich sein Vertrauen hintergangen habe. Das hat sich definitiv auf unser Intimleben ausgewirkt.
Rob: Danach haben wir angefangen, regelmäßig zur Paartherapie zu gehen. Wir gehen auch beide individuell zur Therapie. Uns wurde klar, dass wir zwar eine Menge gemeinsam lösen können, aber dass es auch immer Reibung geben wird. Insbesondere nach einem solchen Vorfall brauchen wir Unterstützung bei der Verarbeitung.
Lauren: Wir haben uns bewusst dazu entschieden, an unserer Kommunikation zu arbeiten – und daran, wieder Stabilität in unser Leben zu bringen. Mir wird auch gerade klar, dass es ein Problem war, dass wir nie speziell über Schizophrenie gesprochen oder versucht haben, daran zu arbeiten – vor allem zu Beginn unserer Beziehung. Wir haben meiner Störung in unserem Intimleben vielleicht nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt, wie wir es hätten tun sollen.
Rob: Zu Beginn unserer Beziehung war uns nicht klar, wie wichtig Kommunikation beim Sex ist. Daran arbeiten wir. Vor Kurzem hatten wir ein paar Gespräche mit unserem Therapeuten über Einvernehmen in Bezug auf Schizophrenie. Wir wollen natürlich keinen Sex, bei dem Lauren starke Symptome hat, aber …
Lauren: Es gibt Graubereiche.
Rob: Einmal hatten wir Sex und ich hörte auf und sagte zu ihr: “Ich weiß nicht, ob wir grade Sex haben sollten.” Lauren antwortete: “Ach nein, ich kann auf jeden Fall.” Ich habe sie beim Wort genommen. Später hat sie mir dann allerdings gesagt: “In dem Augenblick hätte ich eigentlich nicht mein Einvernehmen geben können.”
Lauren: Ja, ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich präsent war oder wusste, was passiert. Also, ich wusste es, aber … Es ist wirklich schwer zu erklären, wie das ist.
Rob: Was bedeutet das für unser Sexleben? Ich fühle mich nicht gut damit.
Lauren: Aber ich habe das Gefühl, dass das mein Fehler ist! Wenn ich Sex möchte, werde ich Rob wahrscheinlich nicht im Detail aufzählen, wo ich gerade mit meinem Kopf bin. Aber das mindert natürlich auch seine Fähigkeit, eine Entscheidung zu treffen.
Rob: Wir haben bislang noch keine Lösung gefunden.
Lauren: Es ist knifflig, weil diese Graubereiche nur etwas extremere Varianten davon sind, was ich ständig durchlebe. Aber ich glaube, dass ich in der Regel schon mein Einvernehmen zum Sex geben kann, auch wenn die Symptome stärker sind – vor allem, weil ich immer weiß, dass Rob jemand ist, den ich liebe und dem ich vertraue. Ich weiß, dass er jemand ist, mit dem ich intim sein will, selbst wenn ich alternative Realitäten konstruiere.
Es gab auch Phasen in unserer Beziehung, in der wir nicht so viel Sex hatten. Zum Beispiel wenn ich aus irgendwelchen Gründen andere Medikamente nehme. Dann kann meine Libido einfach einbrechen. Wir haben jetzt auch drei Kinder, eins davon ist sieben Monate alt. Das hat unser Sexleben auch verändert.
Rob: Ich bin sogar beeindruckt, dass wir es geschafft haben, unser Sexleben so gut aufrechtzuhalten, vor allem da wir Kinder haben. Aber es gibt da immer noch Raum, unseren Umgang mit Sex zu verbessern.
Lauren: Wir arbeiten ständig an unserer Kommunikation. Das ist ein andauernder Prozess.