The Prodigy haben uns zu einem Interview eingeladen. Das aktuelle Album The Day Is My Enemy brachte zwar auf den ersten Blick keine spektakulären Neuigkeiten, aber den britischen Übervätern des Big Beat sagst du nicht ab, wenn dein Herz im 4/4-Takt schlägt.
Deshalb trafen wir Liam Howlett und Keith Flint im Soho House, einem Berliner Club für die kreative Elite. Warum lassen sich die britischen Rebellen vom Major-Label Universal in ein feines Hotel einquartieren? Werden sie dann auch freundlich auf dumme Journalistenfragen antworten, damit die Journalisten freundlich über ihre neue Platte schreiben? Mal sehen:
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Thump: Guten Tag die Herren, wie geht’s?
Keith Flint: Ein bisschen müde, sonst gut. Und dir? Wohnst du hier in Berlin, wie ist es hier so?
Na, das Schöne an Berlin ist, dass du hier in den Clubs eigentlich alles machen kannst, ohne groß Stress zu bekommen. Das ist in Großbritannien anders, oder?
Keith: Ja, definitiv! Sobald man dort was probiert, wird der Laden gleich dichtgemacht. Es gibt bestimmt ein paar illegale Partys auch bei uns, hoffe ich zumindest, aber leider kenne ich die nicht.
Würdet ihr gerne mal wieder auf so einem richtigen britischen Rave spielen, wie früher?
Liam: Wir machen das manchmal immer noch. Das ist natürlich nicht mehr der alte Style. Es wirkt jetzt alles viel kommerzieller. Die elektronische Musikszene hat sich den anderen Genres angenähert. In den 90ern waren die Raves noch Gegenkultur zur Popmusik. Heute gibt es viele Dance-Produzenten, die kein Problem mit Lady Gaga haben. Das hat nichts mit Integrität zu tun—und genauso wenig mit Underground.
Habt ihr noch nie auf einem Festival gespielt, bei dem der Headliner einer dieser kommerziellen Pop-Acts war?
Liam: Nein, das machen wir nicht. Wir schauen uns die Bookings unserer Festivals sehr genau an.
Keith: Bei Rockbands ist das etwas anderes. Für uns ist es eine großartige Herausforderung, die Rockfans von anderen Bands auszuleihen und von unserer elektronischen Musik zu überzeugen.
Wie lange meint ihr, macht euch das noch Spaß?
Liam: So lange, bis uns jemand die Krone vom Kopf reißt, an unserer Stelle weitermacht und uns spüren lässt, dass wir aufgeben sollten.
Gibt es denn da schon Anwärter, Major Lazer zum Beispiel?
Liam: Wer? (lacht) Nein, ernsthaft, ich mag Diplo. Er ist ein grandioser Produzent, Major Lazer repräsentieren ein bisschen die amerikanische Seite unserer Musik. Aber wir sind mit dem, was wir machen schon immer noch ziemlich einzigartig.
Gewinnt ihr damit eigentlich noch neue, junge Fans dazu, oder seht ihr bei euren Konzerten doch eher die Gesichter aus den 90ern?
Keith: In den ersten Reihen stehen definitiv die Kids! Es wird natürlich auch immer die Hardcore-Fans aus der ersten Zeit geben und darüber freuen wir uns auch; aber die Masse, das sind die jungen Leute so um die 20 und diese junge Crowd, diese Moshpits da unten, das ist es, was uns seit Jahrzehnten antreibt.
Wie habt ihr euch selbst weiterentwickelt während dieser Jahrzehnte, was habt ihr zum Bespiel an euren Produktionen geändert?
Liam: Speziell bei unserem neuen Album The Day Is My Enemy habe ich versucht, Dinge zu vermeiden, die heute viel zu viele Dance-Musik-Produzenten machen. Jeder verwendet zur Zeit das gleiche Equipment und es nervt mich jedes Mal, wenn ich wieder einen Song mit Instrument X oder Y höre, weil sie alle mit den gleichen Tricks arbeiten. Drei EDM-Pakete runterladen, schon hast du modernen Sound. Fuck that! Wir wollen das nicht, wir machen den Sound, der uns auszeichnet, aber entwickeln uns dabei natürlich auch weiter. Früher habe ich zum Beispiel einfach einen Song von Anfang bis Ende fertiggeschrieben, für das aktuelle Album haben wir zum Teil halbstündige Sessions mitgeschnitten und Teile daraus in den eigentlichen Songs wiederverwendet, in neue Zusammenhänge gesetzt. So sind die meisten Gesangsspuren entstanden.
Keith: Die herausragenden Songwriter, Gitarristen, sogar gute Schlagzeuger haben alle ihren eigenen Sound geschaffen. Niemand von denen würde auf die Idee kommen, das zu verändern, weil es nicht modern klingt oder so. Und das machen The Prodigy im Bereich der elektronischen Musik, wir haben einfach einen eigenen Sound, an dem wir auch viel und lange gearbeitet haben.
Welche aktuellen Künstler bewundert The Prodigy für deren einzigartigen Sound?
Liam: Oh, da muss ich jetzt ein bisschen in den hinteren Ecken meines Gehirns kramen … Jack White! Der Typ ist ein Genie, er hat sich vorgenommen, eine Form von Lärm zu produzieren, die sich direkt in deinem Kopf festsetzt und dort Dinge mit dir anstellt, zu denen Standardsounds nicht in der Lage sind. Der nimmt auch den steinigen Weg dafür, das imponiert mir.
Der steinige Weg ist aber auch immer etwas anstrengend, seid ihr nie auf die Idee gekommen, mal den einfachen, kommerziellen Weg zu gehen?
Liam: Gibt es einen Song, bei dem du das raushörst?
Hmm, nein, eigentlich nicht.
Liam: Siehst du? Doch warte … ein einziges Mal bin ich dem Ruf des Geldes gefolgt. Ich habe einmal bei Madonnas Auftritt in der Brixton Academy in London als DJ aufgelegt. Sie hat mir 20.000 Pfund dafür gezahlt. Ich habe dann ein Album der Sex Pistols auf den Plattenspieler gelegt und drei Songs durchlaufen lassen. Danach hat’s mir gereicht.
Kann es sein, dass euer Lebensgefühl sich seit 15 Jahren nicht geändert hat? Worüber unterhaltet ihr euch mit euren Schulfreunden von früher? Geht das überhaupt?
Liam: Haha, nein, das geht natürlich nicht. Wenn mein Nachbar mir was von einem neuen Laubbläser erzählt, interessiert mich das nicht … außer vielleicht, wenn er ihn gestohlen hat und jetzt an mich verkaufen will oder so, dann wäre das wieder eine coole Geschichte.
Mit welcher Altersgruppe könnt ihr euch am besten identifizieren?
Liam: Ich denke, wir sind irgendwann im Ende-Zwanzig-Modus hängengeblieben.
Ja, das ist ein gutes Alter. Vielen Dank für das Gespräch!
Das neue Prodigy-Album The Day Is My Enemy ist am 27. März erschienen, hier könnt ihr es bestellen.