Im September hat der Discounter Lidl ein Fashion-Statement gesetzt und eine eigene limitierte Streetwear-Kollektion ins Sortiment aufgenommen. Für vergleichsweise wenig Geld kann man sich nun mit typisch gelb-rot-blauen Lidl-Sneakern, -Badelatschen, -Socken und -Shirts eindecken. Das Ganze schlug so hohe Wellen, dass die Klamotten jetzt auch in anderen Ländern verkauft werden – etwa in Großbritannien, Belgien, Finnland und Italien.
Vor allem in den italienischen Lidl-Filialen kam es bei der Einführung der Streetwear-Kollektion zu einem regelrechten Hype: Manche Leute stellten sich geduldig in die Warteschlangen, um sich so viele Lidl-Klamotten wie möglich zu besorgen, andere erschufen Memes und schrieben Artikel über das hohe Interesse an der Discounter-Streetwear.
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Bei der hohen Nachfrage bleibt es aber auch nicht aus, dass einige Leute die Lidl-Kollektion nun teilweise zu horrenden Preisen weiterverkauften. Wir haben mit drei von ihnen über ihr Business gesprochen.
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Giacomo, 23, aus Faenza in der Nähe von Bologna
VICE: Was gefällt dir an der Lidl-Streetwear? Giacomo: Mir ist die Kollektion direkt aufgefallen, als sie im Ausland rauskam. Vor allem die Flip-Flops fand ich super. Dann erfuhr ich, dass das Ganze auch nach Italien kommt. Also bin ich am Tag der Veröffentlichung mit ein paar Kumpels zur örtlichen Lidl-Filiale, weil man dort pro Person jedes Teil der Kollektion nur zweimal kaufen konnte. So kam ich insgesamt zu fünf Paar Sneaker, sechs Paar Socken, sechs Paar Flip-Flops und drei T-Shirts.
**Und das hast du alles verkauft?
**Ich habe nur die Sachen weiterverkauft, die ich selbst nicht behalten wollte. Ich habe sie bei Depop und eBay reingestellt, weil ich so die meisten unterschiedlichen Leute erreiche. Inzwischen ist fast alles weg. Für die Schuhe habe ich 50 Euro bekommen, für die Socken 10 und für die Badelatschen 25.
**Wer hat dir die Klamotten abgekauft?
**Meistens waren das Leute zwischen 40 und 50. Ich glaube, dass junge Menschen gar nicht so sehr auf das Lidl-Zeug stehen, das ist eher was für Menschen ab 40. Mir persönlich gefallen zum Beispiel die Sneaker überhaupt nicht, die Farben sind viel zu grell. Außerdem sind sie recht offensichtlich von Nike abgekupfert. Die Socken und die Flip-Flops finde ich aber immer noch richtig gut.
Stefano, 21, aus Rom
VICE: Warum hast du dir die Lidl-Klamotten gekauft? Stefano: Hier in meiner Familie sind wir richtige Schnäppchenjäger. Lidl gehört zu unseren Lieblings-Discountern. Mein Vater kommt quasi jeden Abend mit irgendetwas nach Hause, das er nur gekauft hat, weil es im Angebot war. Außerdem ist Lidl der erste Supermarkt, der in Italien eine Streetwear-Kollektion rausgebracht hat. Da musste ich investieren.
Mein Vater und ich sind zu zwei verschiedenen Filialen und haben uns mit Klamotten im Wert von 300 Euro eingedeckt. Wir behalten, was uns gefällt, der Rest wird verkauft.
**Wie und wo verkaufst du den Rest?
**Ein paar Sachen habe beim Facebook-Marketplace reingestellt. Nach zwei Tagen hatten meine Anzeigen 2.500 Views und mich schrieben 600 bis 700 Leute an. Zudem nutze ich Subito.it, eine italienische Verkaufsbörse, und mache in den sozialen Medien Werbung. Bei TikTok haben aber viele User negativ auf mein Video über die Lidl-Kollektion reagiert.
**Was hast du schon verkauft?
**Ich bin gerade mit einigen Leuten am Verhandeln. Ganz am Anfang habe ich aber direkt vier Paar Socken für je 40 Euro verkauft.
**Und wer kauft dir die Klamotten ab?
**Als ich selbst bei Lidl war, hätte ich nicht mit so vielen Leuten gerechnet. Die meisten davon waren älter, ein 60-Jähriger drohte mir sogar mit Gewalt, weil ich fünf Paar Sneaker kaufte.
Viele der Leute, die mir jetzt schreiben, sind jünger. Verkauft habe ich die Socken aber vor allem an Eltern, die sie für ihre Kinder besorgen. Vielleicht als Weihnachtsgeschenk, ich meine, sowas ist schon ein cooles Präsent, das einen zum Lachen bringt.
**Gefallen dir die Sneaker überhaupt?
**Ich würde sie eher als “cringe” bezeichnen, aber deswegen sind sie doch so gefragt. Ich hoffe, Lidl macht noch mehr Klamotten – zum Beispiel Hoodies oder Hosen.
Alessandro, 20, aus Florenz
VICE: Wieso hast du dir die Lidl-Streetwear-Klamotten besorgt? Alessandro: Ich wusste, dass die Klamotten im Ausland der Renner waren. Und weil ich in einer Gegend lebe, in der gerade ein strenger Lockdown herrscht, habe ich mich total darauf gefreut, mir beim Lebensmitteleinkauf gleich noch ein paar Sneaker holen zu können.
**Wo verkaufst du die Sachen jetzt weiter?
**Einmal bei Depop, wo ich allgemein viele Schuhe verkaufe, und einmal bei Facebook.
Insgesamt habe ich bei Lidl vier Paar Sneaker, drei Paar Flip-Flops in verschiedenen Farben und zwei Paar Socken mitgenommen. Die Socken will ich aber als eine Art Souvenir behalten. Den Rest bin ich schon fast komplett losgeworden, meistens an Leute über 30. Viele hoffen, das Ganze jetzt für noch mehr Geld weiterzuverkaufen.
**Wie viel hast du dabei verdient?
**Die Sneaker habe ich für 50 Euro und die Flip-Flips für 40 Euro verkauft. In den sozialen Medien bekam ich aber viele negative Reaktionen. Schon krass, wie unhöflich Leute sein können, die das Reselling-Konzept nicht verstehen und einem dann hasserfüllte Nachrichten schreiben. Natürlich muss man es nicht gut finden, dass Leute Sachen teurer weiterverkaufen, aber Drohungen und Beleidigungen rechtfertigt das trotzdem nicht.