Ein “Online-Kasino im Star Wars-Look, das Kinder zum Prassen verlockt” – mit diesen harten Worten beschreibt Chris Lee Star Wars: Battlefront II. Lee ist kein wütender Gamer, der sich auf Reddit wegen des neuesten Spiels von Publisher EA und Entwickler DICE echauffiert, sondern US-Kongressabgeordneter aus Hawaii. Mit seiner Position steht Lee nicht allein da: Auch in Belgien, Frankreich und Australien äußern sich jetzt Politiker zum neuen Shooter und warnen vor einer neuen Art von Glücksspiel im Lootbox-Schafspelz.
Worum geht es bei der Lootbox-Kontroverse noch mal?
“Lootboxen” sind ein immer beliebter werdendes Belohnungssystem in Videospielen. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen werden Gamer für eine besondere Leistung, zum Beispiel ein geschafftes Level, mit virtuellen Schatzkisten belohnt. In diesen befindet sich eine Reihe von zufällig ausgewürfelten Gegenständen, die das Spielerlebnis erweitern.
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Dazu können spielerisch eher unwichtige Dinge wie etwa neue Kostüme für den Lieblingshelden gehören, wie beim beliebten Shooter Overwatch, bei einigen Spielen verstecken sich aber auch spielentscheidende Vorteile in den Kisten. Das ist auch der Fall in Battlefront II. Weil diese Lootboxen aber nicht nur durch zeitaufwendiges Spielen kostenlos freigeschaltet, sondern auch durch echtes Geld gekauft werden können, witterten viele Gamer bei Battlefront II einen unfairen Spielvorteil für zahlungskräftige Spieler. Sie kritisierten Publisher EA dafür öffentlich so lange, bis die Kaufoption aus dem Spiel genommen wurde – zumindest vorerst. Battlefront II ist dabei kein Einzelfall. Auch Middle-earth: Shadow of War, FIFA18 oder das neue Need for Speed sowie viele weitere aktuelle Spiele enthalten ähnliche Systeme für Lootboxen.
Kritiker sehen zwei große Probleme mit den Lootboxen. Erstens: Gamer mit Geld könnten sich im Spiel handfeste Vorteile über ihre Mitspieler erkaufen und so fairen Wettbewerb verhindern. Zweitens: Die zufälligen Belohnungen der Boxen und der ständige Reiz, Geld für diese auszugeben, würden an Glücksspiel erinnern und könnten einen ähnlich negativen Effekt auf Kinder und glücksspielgefährdete Erwachsene haben.
Was fordert jetzt die Politik?
Nach dem Fall Battlefront II äußern sich jetzt weltweit Politiker, die durch Lootboxen das Wohl von Kindern und Jugendlichen gefährdet sehen. Der hawaiianische Kongressabgeordnete Chris Lee etwa fordert eine wissenschaftliche Untersuchung von Lootboxen, um festzustellen, ob sie eine neue Form des Glücksspiels darstellen. Falls dies so sei, müsste die US-Regierung eingreifen, “bevor Lootboxen zur neuen Norm für jedes Spiel werden”, so Lee.
Eine solche Untersuchung, wie Lee sie fordert, läuft aktuell in Belgien. Eine Antwort auf die Frage, ob Lootboxen auf Minderjährige einen ähnlichen Effekt haben wie Glücksspiel, liefert sie allerdings noch nicht. Trotzdem fordert der belgische Justizminister Koen Geens bereits jetzt ein Eingreifen und strebt ein EU-weites Verbot an: “Die Vermischung von Glücksspiel und Gaming ist speziell im jungen Alter gefährlich für die geistige Gesundheit”, so Geens gegenüber der belgischen Nachrichtenseite VTM Niews.
In Deutschland verläuft die Debatte derweil eher still. Politiker äußerten sich bisher nicht
Einen Schritt weiter ist man da anscheinend schon in Australien: “Korrekt, Lootboxen sind Glücksspiel”, erklärte Jarrod Wolfe, Analyst der australischen Behörde für Glücksspiel und Alkohol im australischen Bundesstaat Victoria. Er antwortete einem Reddit-Nutzer, der die Behörde nach ihrer Meinung gefragt hatte. Das Gaming-Magazin Kotaku bestätigte die Korrespondenz. Jedoch wäre die Frage “komplex” und es sei noch schwer zu sagen, ob Lootboxen auch wirklich illegales Glücksspiel darstellen würden, so Wolfe. Es müssten weitere Untersuchungen angestellt werden.
Auch in Frankreich gibt es Bestrebungen, eine Antwort auf die Lootbox-Frage zu finden. Der französische Senator Jérôme Durain kündigte auf Twitter an, dass sich die Politik damit beschäftigen werde.
Bei Motherboard: Wenn Gamer zu Versuchskaninchen werden
In Deutschland verläuft die Debatte derweil eher still. Politiker äußerten sich bisher nicht. Die USK, verantwortlich für die Altersempfehlungen auf Videospielen in Deutschland, hält sich an die Einschätzung ihres US-Pendants, der ESRB, welche bisher lautet: Lootboxen überschreiten nicht die Grenze zum Glücksspiel.
Die Sache sei aber “ein komplexes Thema” und Lootboxen auf keinen Fall unproblematisch, so die USK in einem offiziellen Statement. Die USK selbst dürfe aber “kein Urteil fällen, was als Glücksspiel gilt”, dies sei eben “Sache des Gesetzgebers und der Gerichte”. Ob diese sich nun der Sache annehmen, wird sich zeigen.
Folgt Dennis auf Twitter.
Update, 29.11.17: Wir haben US-Kongressabgeordnete Chris Lee, von dem die Zitate aus Hawaii im Text stammen, fälschlicherweise mit dem Abgeordnete Sean Quinlan verwechselt, der ebenfalls ein Statement zum Thema abgab. Den Fehler haben wir korrigiert.