Foto: Maja Dworzynski
In dieser Serie berichten wir über das Lockdown-Leben: Über Stimmungen und Hoffnungen und über alles, was wir vermissen.
Alle sprechen immer davon, wie sehr sie ihre Freunde umarmen wollen und wie sehr sie es vermissen, denen nahe zu sein, die ihnen am nächsten stehen. Doch was ist mit den Menschen, die man nicht kennt, die nur kurz in unser Leben huschen? Für solche Begegnungen ist während der Pandemie kein Platz. Natürlich. Das Risiko ist zu groß. Aber genug Platz in mir, um sie zu vermissen, habe ich schon. Gerade sind unsere Tage vorhersehbar. Ich gehe abends spazieren und empfinde es fast schon als Angriff, wenn ich vor die Tür trete und die Straße, die vor mir liegt, noch dieselbe ist wie gestern. "So I waited for nothing, and nothing arrived", meinen meine Kopfhörer, während ich Richtung Kanal schlendere.
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Fremde sind die unberechenbare Variable. Sie Zufallsbegegnungen zu nennen, ist eigentlich eine Untertreibung, weil sie sich in dem Moment oft nicht anfühlen wie ein Zufall. Wenn ich und der Typ neben mir verschwitzt und zufrieden auf einer Raucherraum-Couch glauben die Antwort auf alles zu haben, weil wir die Musik gerade so fühlen, dann ist das doch Schicksal. Oder wenn sich italienische Touristen in einem Café zu mir rüberbeugen und fragen, was denn Kombucha sei und ich es ihnen genau erklären kann.Bei diesen Begegnungen muss ich nicht ganz sein. Ich existiere kurz in deren Welt, nebenbei, nur so ein bisschen. Das ist einfach. Ich bin eine junge Frau, die gerade ihr Glas ausgetrunken hat, die so aussieht, als sollte sie endlich mal nach Hause, die sich gerade auf dem Weg zum Club auf dem Fahrrad die Hand verstaucht hat und jetzt trotzdem hier ist. Einfach. Ich muss nur kurz oder für einen Abend in irgendeiner schemenhaften Gegenwart Gestalt annehmen.
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