Foto: Philipp Sipos / YouGen
In dieser Serie werfen wir einen Blick in die Zukunft nach dem Ende der Corona-Pandemie
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VICE: Oft trösten wir uns gerade mit Sätzen, die beginnen mit "Wenn das alles vorbei ist …" Wir stellen uns eine große Sause vor, um das Ende von Corona zu feiern. Werden wir so wieder in das Partyleben starten?
Lutz Leichsenring: Da gibt es zwei widersprüchliche Theorien. Die eine besagt, dass wir die Roaring Twenties der 2020er-Jahre erleben werden. Das ist auf jeden Fall nachvollziehbar, weil die Menschen sich über ein Jahr lang in Enthaltsamkeit üben mussten. Exzess, Hautkontakt, sich in engen Räumen aufhalten – das löst ein Gemeinschaftsgefühl aus und danach sehnen sich die Leute.
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Das ist nach wie vor nicht klar. Es gibt von mehreren Bundesverbänden eine Art Zusammenschluss, der einen Vorschlag an die Bundesregierung gemacht hat, wie man schrittweise wieder Veranstaltungsorte öffnen könnte. Dabei spielen Schnelltests und die Impfgeschwindigkeit wichtige Rollen. Wir werden in den nächsten Monaten wieder in den Außenbereichen von Clubs, Bars, Restaurants feiern können, so wie wir das im vergangenen Sommer schon gemacht haben. Da waren die Infektionszahlen sehr gering, das ist wieder zu erwarten. Der Unterschied zu letztem Jahr ist, dass wir jetzt eine Perspektive haben. Wir wissen nämlich, dass die vulnerablen Gruppen geimpft werden und die Sterberate dadurch deutlich sinken wird. Die Krankenhäuser werden weniger belastet sein. Es geht natürlich darum, die Pandemie einzudämmen. Gleichzeitig müssen wir aber auch Leben zulassen.Welche Regeln könnten für das Feiern nach dem Lockdown gelten?
Für Außenbereiche haben wir bereits ein Konzept aus dem letzten Jahr, das Hygieneregeln und Abstandsregeln vorsieht. Wir wollen mit Schnelltests wieder eine gewisse Selbstbestimmtheit zurückbringen. Darüber verhandeln wir schon seit Oktober. Dann kam der Lockdown im November dazwischen.
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Ich glaube nicht. Oft wird behauptet, dass eine ganze Generation paralysiert ist, weil sie nicht feiern konnten. Das glaube ich nicht. Gerade sehr junge Leute, die Anfang 20 sind, haben ihre eigenen Mittel und Wege gefunden, sich verantwortungsvoll zu treffen und auszutauschen – online und offline. Ein ganzes Jahr gab es keine Massenveranstaltungen, dafür wurde in Nischen gefeiert.Das war allerdings riskant.
Es wird gerne mit dem Finger auf die unverantwortlichen jungen Leute gezeigt, obwohl das wissenschaftlich nicht belegt werden kann. Man hat festgestellt, dass das nicht die großen Infektionstreiber waren. Sondern Zusammenkünfte in Innenräumen. Vor allem dort, wo auch gewohnt wird. Also in Wohnheimen, Pflegeheimen, Altenheimen oder auch Unterkünften für Geflüchtete. Es sind vor allem Innenräume, an denen sich das Virus schnell verbreitet hat – und nicht wenn sich ein paar junge Leute im Park getroffen haben. Vor ein paar Monaten bekam eine junge Frau einen Shitstorm ab, weil sie in einem Fernsehbeitrag sagte, wie sehr sie das Feiern vermisst. Das wurde als Luxusproblem abgetan.
Ja! Das Wort "Feiern" wird öffentlich gebrandmarkt. Aber was steht dahinter? Feiern ist ein kulturelles und urmenschliches Erlebnis. Menschen feiern Straßenfeste, Oktoberfeste, Hochzeiten. Wenn aber junge Leute sagen, dass sie feiern möchten und das Bedürfnis nach Nähe und Gemeinschaft haben, dann wird das gleich stigmatisiert. Was wünschen Sie sich für das Nachtleben nach Corona?
Wir als Teile des Nachtlebens halten uns für den progressivsten Teil der Gesellschaft. Das heißt, dass wir natürlich nicht einfach zurück zum Normalzustand schalten können. Wir müssen uns neu erfinden. Die Zeit, die auch als Auszeit empfunden werden kann, sollten wir gut nutzen, um Dinge anders zu machen als vorher. Nicht alles war Gold. Ungerechte Künstlergagen sind bezahlt worden, lokalen Künstlerinnen und Künstler hatten zu wenige gut bezahlte Auftrittsmöglichkeiten, es fehlte Diversität in den Line-ups und auch in Entscheidungspositionen. Dann gibt es das Thema "Partytourismus". Man muss nicht unbedingt für ein Wochenende im Club nach Berlin oder Barcelona fliegen. Das haben wir auch aus der Pandemie gelernt.
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