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Macht den Tieren den Prozess

Wir haben ja schon immer vermutet, dass diese abgehärteten Tierrechtler die Vertreter eines neuen Mittelalters sind: dämliche Hippies, die uns alle in einem unaufgeklärten dunklen Zeitalter sehen wollen. Und die Meldung, dass das englische Pärchen, dessen Zwillinge von einem Fuchs zerfleischt wurden, Todesdrohungen von diesen Helden bekommen hat nachdem sie Fuchsfallen in ihren Vorgarten gestellt hatten (leicht nachvollziehbar), hat unseren Verdacht nur bestätigt. Aber vielleicht ist es einfach an der Zeit diesen Faschisten zu geben, was sie wollen—angemessene Rechte für Tiere. Vielleicht ist es an der Zeit die halb-vergessene mittelalterliche Tradition der Tierprozesse wieder aufleben zu lassen.

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Im Gegensatz zu den überflüssigen und mülligen Tiershows im Fernsehen, ging es bei den Tierprozessen des Mittelalters nicht nur darum, einem Mops eine dekorative Blume anzuheften oder einen Collie zu zwingen durch einen Feuerreifen zu springen. Es waren ernste Angelegenheiten, wo ein Tier, das für eine Straftat angeklagt wurde vor ein Gericht musste, einen Anwalt gestellt bekam und sich mehr um seine Sünden bemühte, als es jemals ein Mensch getan hat. In der Tat hatten Tiere in Teilen Europas die ungefähr gleichen Rechte vor dem Gesetz, wie Menschen. Im Gefängnis, auf ihren Prozess wartend, hatten sie den gleichen Anspruch auf des Königs Brot und die Gefängniswärter erhoben für sie die gleiche Gebühr.

Der Mythos, dass Schweine Babys essen, ist nichts wofür Dr. Spock bei seinem Handbuch für Kinderbetreuung viel Zeit übrig hatte. Wegen der außerordentlichen Nähe, in der die Leute des Mittelalters zu ihrem Vieh gelebt hatten, kamen solche Dinge jedoch nicht selten vor. In der Tat hing Schweinen mehr als jedem anderen Tier die Hauptlast einer solchen Strafverfolgung nach. 1386 wurde im französischen Falaise eine Sau erhängt, weil sie bei dem Versuch erwischt wurde, sich wie ein Mensch anzuziehen. Der Henker legte sich für diesen Anlass extra ein neues paar Handschuhe zu und ihm wurde befohlen die Sau von Kopf bis Hinterteil zu verstümmeln.

Maulwürfe, Heuschrecken, Schlangen, Fliegen, Feldmäuse, Raupen und Aale werden alle in dem Werk genannt, das wir die beste Quelle zu diesem Thema fanden: A.P. Evans‘ Buch von 1906 The Criminal Prosecution and Capital Punishment of Animals. 1587 bekam ein französisches Gericht den Streit um "eine große Anzahl von Käfern" mit, die ein örtliches Weingut in St. Julien belästigten. In der Tat wurden ein paar der Schuldigen vor ein Gericht gebracht und ihnen wurde verlesen, sie sollten "das Terrain innerhalb von 3 Tagen räumen".

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Einige Anwälte machten mit der gerichtlichen Verteidigung von niederen Tieren richtig Karriere. In Autun verteidigte Bartholomew Chassenee 1510 seinen Ruf, als er ein Gericht zur Freisprechung eines Rudel Ratten bewog, die für die Zerstörung von Gerste angeklagt wurden. Vorladungen waren ein bisschen schwierig. Aber Chassenee argumentierte, dass die Ratten so zahlreich seien, dass eine Vorladung jeder einzelnen unmöglich sei. Er berief sich dabei auch auf den alten Vorsatz, dass niemand vor Gericht geladen werden sollte, wenn dies sein Leib und Leben bedrohen könnte. Die Ratten nämlich würden dadurch mit ihrem natürlichen Todfeind in Kontakt kommen: der Katze. So konnte natürlich kein Prozess stattfinden. Der Fall wurde abgewiesen. Die Ratten versuchten ihr zerstörtes Leben wieder aufzubauen.

In Toulouse fanden sich einmal ein Mann und ein Esel auf einer Anklagebank wieder, die der peinlichen Klage des Koitus ausgesetzt waren. Der Mann wurde gehängt, aber der Esel verschont, nachdem das Gericht Zeugen hörte, nach denen der Esel die Tat nicht willentlich beging, also eher ein Opfer war.

In der Tat fand sich solch gerichtliche Milde in ungewöhnlich ausgebauter Weise in so manchem Fall wieder. Das seit langem etablierte Prinzip der verminderten Zurechnungsfähigkeit aufgrund von Jugendlichkeit kam ins Spiel, als im Prozess mit einem Schwein die Mutter das Todesurteil für ihre sechs Jungen auf sich nahm, damit die Kinder sehen konnten was für ein schlechtes Beispiel sie doch sei.

Die Idee Tiere vor Gericht zu bringen scheint aus einer gewissen Unklarheit der kirchlichen Moralphilosophie entstanden zu sein. Waren Menschen und Tiere moralisch gleich? Nein. Jedoch waren Menschen—bis auf wenige Ausnahmen—von Gott berufen über das Tier zu herrschen. Daher die Prozesse. Die Ankläger hatten sogar einen passenden Bibelvers um ihre Ansichten zu untermauern: "Wenn ein Ochse einen Mann oder eine Frau durchbohrt, sodass sie sterben, so soll der Ochse gesteinigt werden" (Exodus: 22, 28). Häufiger jedoch wurden die Prozesse nicht direkt gegen das reale Tier geführt, sondern eher gegen den quasi-menschlichen Geist, der Besitz von ihm ergriffen hatte.

A.P. Evans berichtet vom ersten Tierprozess im Jahre 824, als einige Maulwürfe im Aosta-Tal exkommuniziert wurden. Jedoch reicht die Liste der Prozesse bizarrerweise bis ins 20ste Jahrhundert hinein. 1906, das Jahr in dem das Buch veröffentlicht wurde, verurteilte die Schweiz zwei Männer und einen Hund wegen Mord und Raub. Die Männer bekamen lebenslänglich. Der Hund hatte nicht so viel Glück. Er wurde hingerichtet. Armer Hund.

Noch heute gibt es ähnliche Tendenzen. Nach dem Albumcover des neuen Klaxons Albums sollte man annehmen, dass Katzen das gleiche Recht auf eine Ausbildung bei der NASA haben sollten wie unsereiner. Wenn die Katzen das auch denken, sollte sie einer vielleicht mal daran erinnern, dass mit gleichen Rechten auch gleiche Verantwortung einhergeht.