Politik

Wenn Sonneborn nicht bald aufhört, wird er zum peinlichen Onkel auf der Familienfeier

Martin Sonneborn vor einem Banner der PARTEI

Wenn Satire alles darf, ist sie vor allem: lame. Das beste Beispiel? Martin Sonneborn, das Aushängeschild, der Vorsitzende und satirische Vordenker seiner Partei Die PARTEI. Seine Witze sind nicht nur alt, sondern auch veraltet. Und wenn sich dann noch Rassismus dazu mischt, wie in letzter Zeit immer öfter, dann muss man die Frage stellen, ob Sonneborn nicht langsam seinen Platz am Raclette-Tisch der PARTEI-Familie räumen sollte.

Der Witz, um den es geht? Asiaten können kein “R” aussprechen. That’s it, das ist der Witz. Den hat Sonneborn gestern Morgen auf Twitter gemacht. Er posierte dafür mit einem T-Shirt, auf dem in dementsprechend entstelltem Deutsch stand: “AU WIEDELSEHERN, AMLERIKA! abem Sie Guter FrLug runtel! Printed in China für Die PARTEI”. Ein Verweis auf Trump, das Ende dessen Präsidentschaft und die Tatsache, dass sein Merchandise wie zum Beispiel Flaggen auch in China hergestellt wird.

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Ähnlich fröhlich und flach war sein Wahlplakat 2011. Ich weiß schon, dass es billig ist, Geschichten von vor tausend Jahren auszupacken, aber die rassistischen Märchen der Grimms lesen wir ja auch noch. “Ick bin ein Obama” stand damals unter einem Foto Sonneborns in Blackface – das galt auch damals schon als inakzeptabel. Dabei ist es doch eigentlich so einfach: Klar kann man sich über Rassismus lustig machen und in dem Kontext auch zitieren. Aber manchmal dient Rassismus dazu, einer – legitimen – Aussage einen Witz beizufügen, weil man ein Witzmann ist. Aber halt einer, dem kein guter eingefallen ist.


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Ich will gar nicht behaupten, dass Leute das nicht witzig finden. Und ich will auch nicht behaupten, dass Sonneborn das unbedingt rassistisch meint. Das ist aber auch egal. Es spielt keine Rolle, ob ein Absender seine Aussage diskriminierend meint. Was zählt, ist ausschließlich, ob er damit jemanden verletzt. Und die Reaktionen auf Twitter sind da eindeutig. Anti-asiatischer Rassismus ist ohnehin so eine Sache, die oft zerredet oder geleugnet wird. Das macht ihn nicht weniger existent und vor allem nicht weniger verletzend. Und was den Witz von gestern angeht: Ich finde ihn flach und dumm und unlustig und das ist für mich Grund genug, ihn als schlecht zu klassifizieren.

Wenn Sonneborn also das Bewusstsein dafür fehlt, wann er Menschen unnötig verletzt – und gleichzeitig kein Gespür dafür hat, ob ein Witz gut ist, dann, na ja, braucht man ihn dann noch in der PARTEI? Zumal offensichtlich ist, dass er weiß, wann er Quatsch labert – er hat den Post mittlerweile gelöscht. Aber eine Stellungnahme gab es nicht, dabei könnte er damit einiges wiedergutmachen. So macht man das ja heute: Unsinn reden, löschen und sich entschuldigen. Passiert schließlich jedem mal. Ist auch allen immer passiert, nur dass die, die man verletzt, heute halt eine Stimme haben.

Womöglich ist es das, was Sonneborn abgeht. Ein Gespür für die aktuelle Zeit. Klar, er ballert auf allen Social-Media-Kanälen. Aber sein humoristischer Ansatz scheint dann doch noch aus den Jahren seiner Zeit als Titanic-Chefredakteur zu stammen. Damals, als man einfach ballern konnte und das einzige Feedback die “Briefe an die Leser” waren, die man selbst kokett an die Leser schrieb.

Heute reicht das nicht mehr. Wenn Die PARTEI politische Relevanz haben will, darf sie nicht selbst nach unten treten. Dass Die PARTEI ein Sexismus-Problem hat und Sonneborn hier selbst wenig Engagement zeigt, um das auszuräumen, ist dafür ein schmerzhaftes Beispiel. Mit Sonneborn als ihr Gesicht bleibt Die PARTEI eine Altherren-Partei inklusive der dazugehörigen Witze. 

Nun gibt es böse Zungen, die meinen, dass Sonneborn gezielt Skandale um seine Person schafft, um im Gespräch zu bleiben. Im Mai erscheint immerhin sein neues Buch. Auch wenn der Gedanke nun da draußen ist, teile ich ihn nicht. Es ist offensichtlich, dass Sonneborn durch seine Ego-Aktionen der PARTEI als Ganzes schadet. Sein eigener Kreisverband und dessen Vorsitzender Nico Wehnemann in Frankfurt hat sich jedenfalls schon von ihm distanziert. “Wird heute mal wieder Zeit mich von meiner PARTEIführung zu distanzieren. Es ist so boomer-peinlich”, schrieb er auf Twitter.

Martin Sonneborn reproduziert seit Jahren die gleichen Klischees. Selbst seine größte Errungenschaft, die Mitgliedschaft im Europäischen Parlament, wird davon überschattet. Auch hier macht er sich vor allem über Dicke lustig und über die Namen anderer Politiker. Dann sagt er, Satire dürfe alles. Das stimmt auch, aber trotzdem muss man die Frage stellen dürfen, bis wann Satire gut ist. 

Wenn sich Sonneborn also bei der großen Pressekonferenz zum Übertritt eines SPD-Bundestagsabgeordneten zur PARTEI freut, dass jetzt zwei PARTEI-Mitglieder den Bundestag stürmen würden, dann ist das der alte Gag von der Underdog-Partei, die sich mit Gewalt nimmt, was sie will – mit einem kleinen Seitenhieb auf die Nazi-Zeit. Den kennen wir, er begleitet die PARTEI seit ihrer Gründung. Dass ein paar Wochen vorher aber tatsächlich Rechtsextreme den Bundestag stürmen wollten, zeigt, dass er mit seinen Gags mittlerweile selbst zur Karikatur geworden ist. Nicht nur kommt nichts Neues mehr von ihm, seine Satire zitiert nur noch die Realität.

Sonneborn hat so viel Biss verloren, als wäre ihm das Gebiss aus dem Mund gepurzelt. Und ich will jetzt nicht sagen, dass er sofort abtreten muss. Das täte der PARTEI nicht gut, die ja manchmal durchaus in der Lage ist, politische Verantwortung zu leben, dabei scharfe Satire zu üben und sogar witzig zu sein. Auch Sonneborn schafft das immer wieder. Und als nahbare Identifikationsfigur wirbt er immer noch erfolgreich für die Partei. Ich sage deshalb nur, dass er sein Repertoire erweitern sollte. Vielleicht müsste er sich das ganz unsatirisch erarbeiten. Und wenn er das nicht will, dann soll er Jüngeren den Platz überlassen.

Update 8. Januar 2021, 17:45 Uhr: In einer früheren Version hieß es, der Angriff auf den Reichstag durch Rechtsextreme habe nach der Pressekonferenz von Sonneborn und Bülow stattgefunden. Tatsächlich war er einige Wochen vorher. Wir haben das berichtigt.

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