Kim Netto ist eine Legende in der Maskenfetisch-Szene. Der Niederländer ist mittlerweile 72 und seit Jahrzehnten in der Szene aktiv. Kim trägt Ganzkörperanzüge und Masken, die ihn wie eine stilisierte, künstlich anmutende Frau—eine lebende Puppe—aussehen lassen. Es gibt eine Menge Begriffe, die diesen Fetisch beschreiben: Dolls, Female Maskers, Rubber Dolling und Living Dolls. Die Szene ist global und hauptsächlich männlich.
Wie lange es diese Männer schon gibt, ist schwer zu sagen. Außerhalb ihrer Szene waren Maskenfetischisten lange unsichtbar. Man knüpfte Kontakte über Anzeigen in Magazinen, aber erst mit dem Internet wurde die Szene größer. Kims Fetisch datiert auf Zeiten lange vor dem Internet. Er fand sein erstes Fetischmagazin mit 19, also 1962. Mit 20 fing er an, Masken—damals Karnevalsmasken—zu tragen. Er fuhr oft nach Antwerpen, in Belgien, wo in den 1960ern und 70ern eine größere Fetischszene existierte. Allerdings waren es hauptsächlich Cross-Dresser, die er dort traf. Kim hat einen Sohn mit seiner mittlerweile verstorbenen ersten Frau. Beide haben ihn immer, sein Sohn bis heute, unterstützt. In zweiter Ehe war Kim mit einer Domina verheiratet, er trug ein weißes Latexkleid zur Hochzeit.
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Kim zeigte mir seine fantastischen Kostüme und Masken und beantwortete alle meine Fragen. Er kann sich noch an ein paar ganz frühe Erfahrungen erinnern, als seine Geschwister ihn als Mädchen verkleideten und er merkte, dass es ihm gefiel. Für ihn der Beginn seiner Entwicklung. Seine Faszination für unterschiedliche Materialien—vor allem Latex, Silikon und Leder—spielt eine große Rolle in seinem Fetisch. Er erinnert sich gern daran, wie sich die verschiedenen Stoffe für ihn damals als Kind anfühlten. „Als kleiner Junge hatte ich oft einen Regenmantel und Stiefel aus Gummi an. Ich liebte das Geräusch und das Gefühl. Ich hätte es am liebsten immer getragen.”
Der Fetisch für ein bestimmtes Material spielt nicht für alle Maskenträger die gleiche Rolle. Einige wollen einfach nur ihre persönliche Fantasiefrau sein, die sie von ihrer alltäglichen Identität befreit. Ein Ideal, das sie im Spiegel bewundern können. Einige, so wie Kim, sind über das Cross-Dressing zur Szene gekommen. Aber sich wie eine Frau zu kleiden hat Kim nicht gereicht. Er trägt immer noch ein- bis zweimal pro Woche Maske.
Er zeigte mir, was alles dazugehört: vom schweren Silikon-Bodysuit, über Corsagen und Brustattrappen bis hin zu Hosen, die durch Aufblasen die Illusion einer runden Hüfte erzeugen. Kim bereitet bereits der Prozess des Anziehens Lust. Maskenträger konzentrieren sich oft auf die kleinen Dinge, wie zum Beispiel das Make-up aufzutragen oder das richtige Outfit für ihr weibliches Alter Ego auszuwählen. So ein Ritual kann sich über Stunden hinziehen. Die Kleidung wird über den Anzügen getragen, am Ende sind das bis zu sechs Schichten übereinander.
Die Doll-Szene ist eine verschworene Gemeinschaft, und Kim spielt in ihr eine wichtige Rolle. Er wird Show-Doll genannt. „Das liegt daran, dass ich jedes Mal mit einem komplett neuen Look auftauche. Wenn ich Kim bin, strebe ich nach Perfektion.”
Websites für Maskenzubehör werden immer populärer. Vor 50 Jahren noch war das eine ganz andere Geschichte, viele Produkte gab es schlicht und ergreifend noch nicht. Deswegen sind viele von Kims Masken und Outfits aus dieser Zeit selbstgemacht. Jeder, der im Umkreis von Amsterdam damals einen Fetischladen hatte, kennt Kim. Kim ist fasziniert von der Vielfalt der Stoffe—einen Tag siehst du ihn im Latexkleid, am nächsten in einem schweren Lederkorsett oder einem Hochzeitskleid. Er besitzt außerdem eine große Sammlung von Masken, mit offenen und geschlossenen Augen, handgemachte und solche, wo das Make-up noch selbst aufgetragen werden muss. Auf den folgenden Seiten präsentieren wir einen Einblick in Kims umfangreiches Archiv.