Vier Zeilen auf einer PowerPoint-Folie. Mehr scheint der Mathematiker Michael Atiyah nicht zu brauchen, um eines der größten Rätsel der Mathematik zu lösen: Die Riemannsche Vermutung. Seit 160 Jahren versuchen Forschende vergeblich, die Hypothese zu beweisen, auf deren Lösung sogar ein Preisgeld von einer Million US-Dollar ausgesetzt ist. Atiyah behauptet nun, dass ihm das mathematische Kunststück gelungen ist.
Seinen Beweis für die Riemannsche Vermutung stellte Atiyah am 24. September in Deutschland beim Heidelberg Laureate Forum vor.
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Benannt ist die Riemannsche Vermutung nach dem Mathematiker Bernhard Riemann. 1859 stellte der Deutsche mit 33 Jahren seine Hypothese über den Realteil von Nullstellen in der Zetafunktion auf. Die Hypothese ist für viele mathematischen Funktionen wichtig und wird beispielsweise für die Arbeit mit Primzahlen genutzt. Einen Beweis für seine Hypothese lieferte Riemann vor knapp 160 Jahren leider nicht mit. Diese Lücke versuchen Mathematikerinnen und Mathematiker seitdem zu füllen – bislang ohne Erfolg.
Wer die Riemannsche Vermutung beweist, erhält eine Million Dollar
Im Jahr 2000 nahm das Clay Mathematics Institut die Riemannsche Vermutung in seine Liste der sogenannten Millennium-Probleme auf. Auf dieser Liste stehen die sieben bedeutendsten ungelösten Probleme der Mathematik – für ihre Lösung lockt ein Preisgeld von je einer Million US-Dollar. Damit der 89-jährige Atiyah den attraktiven Preis einstreichen kann, muss die Lösung in einem Fachjournal mit Peer-Review publiziert werden und zwei Jahre lang bestehen, ohne von anderen Mathematikerinnen begründet angezweifelt zu werden. Atiyah hat seinen Beweis zwar am Montag vorgestellt, bisher wurde er jedoch noch nicht für die Veröffentlichung in einem Journal akzeptiert.
Bereits 2015 machte ein Mathematiker Schlagzeilen, der behauptete die Riemannsche Vermutung bewiesen zu haben. Der bis dahin unbekannte nigerianische Professor Opeyemi Enoch forderte das Preisgeld ein – seine Beweisführung wurde später jedoch als Betrugsversuch entlarvt. Allerdings ist Atiyah kein Nobody in der Mathematik, sondern ein renommierter Professor, der die Fields Medal und den Abel Preis gewonnen hat, die einem Nobelpreis für Mathematiker gleich kommen.
Trotzdem wurden bereits Zweifel laut, ob Atiyahs Beweis legitim ist. Denn es ist nicht das erste Mal, dass der 89-Jährige ankündigt, ein großes mathematisches Problem gelöst zu haben. Damals hielten seine Beweise jedoch näherer Untersuchung nicht stand und wurden nie in einem Journal publiziert.
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Eine fragwürdige Funktion lässt Kritiker an Atiyahs Beweis zweifeln
Der Astronom Markus Pössel, der bei Atiyahs Vortrag in Heidelberg anwesend war, sagte gegenüber Motherboard, dass es noch zu früh sei, um zu beurteilen, ob der Beweis wasserdicht ist.
“Die Spezialisten auf diesem Feld haben bisher noch nicht ausreichend Informationen, um seine Behauptung gründlich zu überprüfen”, sagte Pössel. Für einige Zweifel sorgt außerdem der Umstand, dass Atiyah seinen Beweis auf eine ungewöhnliche Funktion stützt, die er als “Todd Function” bezeichnete, benannt nach seinem ehemaligen Lehrer J.A. Todd. “Ich bin nicht sicher, ob diese Funktion in der Form existiert, wie Atiyah behauptet. Daher ist es vernünftig, seinen Beweis mit Vorsicht zu genießen.”
Wenn Atiyah das Preisgeld in Höhe von einer Million US-Dollar einheimsen will, wird seine Todd-Funktion in den nächsten zwei Jahren der unerbittlichen Überprüfung anderer Mathematikerinnen standhalten müssen. Von den sieben Millennium-Problemen gilt bislang nur eines als gelöst, obwohl Dutzende Lösungsansätze vorgeschlagen wurden. Das unterstreicht, wie wichtig die Peer-Review auch in der Mathematik ist.
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Dieser Artikel ist zuerst auf der englischsprachigen Seite von Motherboard erschienen.