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Popkultur

Als Schwarzer Cop in einem rassistischen System: Der Mann, der den KKK infiltrierte

Der Spike-Lee-Film 'BlacKkKlansman' erzählt die Geschichte von Ron Stallworth, der als Schwarzer Undercover-Cop gegen den Ku-Klux-Klan kämpfte. Wir haben mit ihm über das Dilemma von Schwarzen Polizisten gesprochen.
Ron Stallworth bei der Premiere von 'BlacKkKlansman' am 8. August 2018 im Samuel Goldwyn Theater in Beverly Hills, Kalifornien | Foto: Axelle | Bauer-Griffin | FilmMagic 

Obwohl sie Polizistin war, hat mir meine Mutter früher klipp und klar gesagt: "Wenn einer das N-Wort zu dir sagt, hau ihm auf's Maul." Sie hatte in den 60er Jahren als Kind Polizeigewalt gegen Schwarze miterlebt, die zu Ausschreitungen mit mehreren Toten führte. In ihrem späteren Job wollte sie gegen rassistische Gruppen wie den KKK vorgehen, statt sie zu schützen. Deshalb war die Ku-Klux-Klan-Demo auch der schlimmste Tag ihres Berufslebens: Zusammen mit 300 anderen Beamten und Beamtinnen bewachte sie im Sommer 1999 in Cleveland, Ohio, eine Horde Weißer Männer mit weißen Kapuzen-Outfits, die Menschen wie mich und meine Mutter als Untermenschen behandeln.

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Ich erinnerte mich wieder an diesen Tag, als ich BlacKkKlansman, den neuen Film von Spike Lee sah. Er erzählt die wahre, wenn auch fiktiv ausgeschmückte Geschichte von Ron Stallworth: einem Undercover-Cop, der in den 1970ern in den Kampf gegen den Ku-Klux-Klan zog und zum ersten Schwarzen Mitglied der rassistischen Organisation avancierte.

In dem Film gibt es aber neben der wahren Geschichte von Stallworth noch eine zweite Ebene, die weniger sensationell klingen mag, aber genauso wichtig ist: Es geht um die Rolle Schwarzer Polizisten und Polizistinnen in einem rassistischen System, mit Weißen Cops, die Racial Profiling und Polizeigewalt gegen Schwarze Bürgerinnen und Bürger einsetzen. Für Schwarze Cops wie Ron Stallworth und meine Mutter bedeutet das ein gespaltenes Bewusstsein, ein ständiges inneres Dilemma zwischen Pflichtbewusstsein und persönlicher Überzeugung.

Es ist wichtig, dass Spike Lee diesen Konflikt in seinem Film aufgreift, aber seit Kurzem steht er auch in der Kritik: Lee hat knapp 220.000 Dollar von einer Stiftung erhalten, die Initiativen der New Yorker Polizei finanziert. Der Regisseur Boots Riley wirft ihm deshalb vor, BlacKkKlansman sei ein einziger Werbefilm für die US-Polizei. Außerdem kehre Lee unter den Teppich, dass Stallworth nicht nur rechte, sondern auch linke Organisationen infiltrierte – und dass Polizeigewalt über die Hautfarbe hinausgehe. "Nicht nur Weiße Cops terrorisieren uns People of Color mit Rassismus – das tun auch Schwarze Cops", schreibt Riley auf Twitter.

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Ich habe mit Ron Stallworth darüber gesprochen, was es heißt, als Schwarzer Polizist in einem rassistisch geprägten System zu arbeiten.

VICE: Welches Bild hattest du in deiner Jugend von Polizisten?
Ron Stallworth: Ich kannte damals einen Schwarzen Polizeibeamten, einer der ersten in El Paso. Er wohnte direkt gegenüber, seine Tochter ging mit mir zur Grundschule. Wir waren gute Freunde. Als Erstklässler sah ich ihn abends nach Hause kommen und war total ehrfürchtig. Die Pistole an seiner Hüfte, die glänzende Marke, die ordentliche blaue Uniform. Das war meine erste Begegnung mit der Polizei. Schlechte Erfahrungen machte ich damals keine. Ich war ein guter Junge, meine Mutter passte immer auf, dass ich nicht kriminell wurde. Aber ich hatte Verwandte, die Polizisten als "Bullenschweine" bezeichneten. Manche nannten mich dann auch so, als ich zur Polizei ging. Meine Mutter dagegen freute sich. Aber sie machte sich immer Sorgen um mich.

Hattest du jemals einen inneren Konflikt, weil du als Schwarzer Mann für die Polizei arbeitest?
Eigentlich war ich immer sehr zuversichtlich, dass ich das hinbekomme. Aber einmal habe ich während meiner Undercover-Arbeit den Bürgerrechtler Stokely Carmichael getroffen. Er war ein mitreißender Redner und hatte einfach Recht, also fing ich an, Sachen wie "So ist es!" und "Black Power!" zu rufen. Er erklärte, dass Weiße nichts respektierten als Waffengewalt, dass Schwarze wirtschaftlich benachteiligt würden, dass Weiße uns töten wollten, um ihre Vormacht zu sichern. All das ergab für mich Sinn. Beim Zuhören fing ich an, meine Faust zu recken, aber dann merkte ich, was ich da tat und dachte: "Das solltest du sein lassen. Du sollst doch der anderen Seite gegenüber loyal sein." Wir Schwarzen Polizisten sitzen da zwischen den Stühlen fest.

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Welche Gefahr stellt der Klan heute für Durchschnittsbürger und -bürgerinnen dar?
Der Klan war eine der gewalttätigsten terroristischen Vereinigungen in der Geschichte der USA. Als People of Color wäre es dumm von uns, wenn wir den KKK aus den Augen ließen. Heute sagt Donald Trump "America First" – das war Anfang des 20. Jahrhunderts ein Slogan des Ku-Klux-Klans. Trump hat ihn einfach nur aufgewärmt. Das ist ein deutliches Beispiel für seine rassistische Haltung.

Manche sehen eine Verbindung zwischen den historischen Lynchmorden an Schwarzen und der heutigen Polizeigewalt gegen Afroamerikaner. Wie siehst du das?
Das ist ein angemessener Vergleich, der einzige Unterschied ist die Ära, in der es passiert. Hätte es damals Kamerahandys gegeben, dann hätten wir sicher auch Aufnahmen von Polizisten, die sich damals an den Lynchmorden beteiligten. Viele Beamte hatten damals Verbindungen zum Klan.

Hast du je im Umgang mit Zivilisten deine Autorität missbraucht?
Das kann einem Polizisten sehr schnell passieren. Ich habe zum Beispiel schon mal ein Gang-Mitglied geohrfeigt, als der Mann mich tätlich angriff. Man kann sagen, dass ich seine Bürgerrechte missachtet habe, und ich würde das auch nicht abstreiten. Aber in dem Moment versuchte er, Autorität über mich auszuüben. Als Straßencops können wir uns nicht erlauben, in so eine Position gebracht zu werden. Ich habe das nicht oft getan, aber häufig genug um zu sagen: Ich kann mich glücklich schätzen, dass es nicht gefilmt wurde. Sonst hätte ich wohl meinen Job verloren.

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Solche Interaktionen kommen also häufig vor?
Wenn ein Beamter sagt, er habe im Dienst noch nie seine Waffe ziehen müssen, dann sage ich: Du lügst. In meinen 32 Jahren bei der Polizei musste ich oft meine Waffe ziehen. Gefeuert habe ich nur einmal, und zum Glück bin ich ein schlechter Schütze und habe den Verdächtigen nicht getroffen. Aber die Waffe aus dem Holster holen musste ich oft, um die Kontrolle über eine Situation zu behalten. Ich hatte oft mit sehr gefährlichen Menschen zu tun.

Aber mit Fällen wie denen von Mike Brown und Eric Garner hatten diese Situationen nichts gemeinsam?
Genau. Heute ist der Machtmissbrauch der Polizei auf einem anderen Level. Heute schießen sie Menschen in den Rücken. Wir haben heute Videos von ganzen Gruppen von Polizeibeamten, die Verdächtigen auf den Kopf treten, während sie auf dem Boden liegen. Das geht einfach nicht, wir haben einen Eid geschworen, die Bevölkerung zu beschützen. Ich unterstütze Beamte, die gute Cops sind und diese Unterstützung auch verdient haben. Aber ich bin entschieden gegen diese gewalttätigen Beamten und möchte, dass die Justiz sich um sie kümmert. Die guten Polizisten müssen Korruption in ihren Reihen melden. Aufgrund meiner Haltung habe ich schon Freunde verloren.

Manche sind der Meinung, dass es gar keine "guten Cops" geben kann, weil die ersten US-Polizisten die Aufgabe hatten, nach entlaufenen Sklaven zu suchen.
Ich möchte den Leserinnen und Lesern gern klar machen, dass die schlechten Cops vielleicht ein Prozent ausmachen. Das sind wenige – aber natürlich ist jeder von ihnen einer zu viel. Diese Menschen müssen aus dem Amt entfernt werden. Und ja, es ist bekannt, dass die Polizeiarbeit in den USA mit Sklavenpatrouillen zusammenhängt. Die Geschichte ist von Rassismus durchzogen, aber deshalb sind nicht alle Polizisten Rassisten oder schlechte Menschen.

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Was ist heute die größte Gefahr für Schwarze Menschen in den USA – die Masseninhaftierung oder rechtsextreme Terrorgruppen?
Die Masseninhaftierung ist eine große Sorge, aber die rassistischen Gruppen sind auch gefährlich. Dazu kommt, dass Schwarze und andere Minderheiten keinen Gebrauch von ihrem Wahlrecht machen. So viele haben sich in der letzten Präsidentschaftswahl enthalten oder chancenlose Kandidaten gewählt, weil sie weder Hillary Clinton noch Donald Trump mochten. Im Grunde sind sie mitverantwortlich dafür, dass jetzt ein Weißer Rassist an der Macht ist. Schande über die Vertreter von Minderheiten, die ihr Wahlrecht vergeuden.

Du hast zwei erwachsene Kinder. Hast du mit ihnen darüber gesprochen, wie sie mit Polizisten interagieren sollen?
Ja. Ich habe meinen Söhnen mehrmals erklärt: "Wenn du einen Cop triffst, dann gehorche ihm. Zeig ihm sofort deine Hände und gehe sicher, dass er sie deutlich sehen kann. Vergewissere dich, dass du Zeugen hast, wenn die Situation sich in der Öffentlichkeit abspielt. Sprich respektvoll mit ihm. Das ist nicht der Zeitpunkt, Beamte herauszufordern. Sie haben das Gesetz auf ihrer Seite und können dir Schwierigkeiten machen, wenn sie wollen." Früher, als ich im Staat Wyoming arbeitete, war öffentliches Spucken noch verboten. Wer damals ein richtiger Arsch sein wollte, konnte Menschen fürs Spucken verhaften. Die Polizei ist immer im Vorteil, deswegen darf man ihnen keinen Grund liefern, einen zu verfolgen – es gibt immer solche, die das dann auch tun. Wenn die Situation überstanden ist, kann man sich an seine Eltern, an den Staat oder wen auch immer wenden und auf das Verhalten des Beamten reagieren.

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Hattest du trotz dieser Tipps Angst um deine Kinder im Zusammenhang mit Cops?
Ich denke, meine Erfahrung deckt sich in etwa mit der der meisten Schwarzen Eltern. Vor allem als meine Söhne älter wurden, machte ich mir jedes Mal Sorgen, wenn sie ausgingen. Wir wohnten in einer mehrheitlich Weißen Gegend. Du musst deine Kinder, so gut es geht, auf das Leben als Schwarze in dieser Gesellschaft vorbereiten, aber du darfst auch nicht besessen davon werden. Als Vater oder Mutter kannst du nur ein gewisses Maß an Einfluss nehmen, den Rest muss dein Kind selbst hinkriegen. Wenn du sie richtig erziehst, können sie selbst im Weißen Amerika ein gutes Leben führen. Ich habe es bei meinen Kindern geschafft.

Was hältst du von der Kritik, die Black Lives Matter gegen die Polizei vorbringt?
Ich finde, Black Lives Matter ist eine notwendige Bewegung, die Lob verdient hat. Ich möchte sie alle ermutigen, ihren Kampf weiterzuführen, und wünsche ihnen dabei Erfolg. Gleichzeitig müssen Polizeibeamte aufhören, sich vor ihnen zu fürchten – denn diese Menschen sind nicht unser Feind. Wenn überhaupt sind sie unsere Verbündeten, die unsere Unterstützung verdient haben. Aber ich habe Kollegen, die das völlig anders sehen, unter anderem weil sie Fox News schauen. Fox News verbreitet die Sichtweise, Black Lives Matter bestünde aus extremistischen, militanten Schwarzen Aktivisten. Das stimmt einfach nicht.

Gibt es Situationen, in denen es gerechtfertigt ist, wenn Bürgerinnen und Bürger militant werden und sich mit Gewalt für ihre Freiheit einsetzen?
Da fällt mir sofort der amerikanische Unabhängigkeitskrieg ein. Die Gründerväter der USA begingen Gewalttaten gegen die Briten, um die gewünschte Veränderung herbeizuführen, und heute haben wir deswegen die Vereinigten Staaten von Amerika. Aber die Gründerväter waren allesamt Weiße, und viele von ihnen waren reiche Sklavenhalter. Damals erschien ihr Verhalten angemessen.

Wenn wir uns die 1960er ansehen, kämpfte Martin Luther King für die Bürgerrechte aller Menschen, aber vor allem der Schwarzen Bürger, die von der Regierung missbraucht wurden. King war für Gewaltlosigkeit. Er hat sich nicht gewehrt, und am Ende wurde er ermordet. Auf lange Sicht hat er sein Ziel trotzdem erreicht, denn seine Art des Aktivismus hat vieles verändert. Gleichzeitig gab es aber auch Menschen wie Malcolm X – er kämpfte "mit allen notwendigen Mitteln" für die Rechte Schwarzer Bürgerinnen und Bürger. Ich würde also sagen, dass es sehr von den historischen Umständen abhängt, wie man am besten politische und gesellschaftliche Veränderungen erreicht.

Was tust du, wenn du als Schwarzer Polizist siehst, wie Schwarze Menschen Gewalt einsetzen, um Veränderungen herbeizuführen?
Das ist einfach zu beantworten. Du bist als Polizeibeamter dazu da, die Einhaltung der Gesetze durchzusetzen und den Frieden zu wahren. Vielleicht hast du Interessen, die sich mit denen dieser Menschen decken, aber das hat nichts mit deiner polizeilichen Pflicht zu tun. Du darfst nicht parteiisch sein, sondern musst die Gesetze bei allen gleich anwenden. Du kannst deine Schwarzen Brüder nicht bevorzugen. Hier geht es um erlaubt und verboten, und nicht um Schwarz und Weiß.

Würdest du deine Söhne ermutigen, zur Polizei zu gehen?
Ich würde sie ermutigen, Feuerwehrleute zu werden. Alle lieben Feuerwehrleute. Die Menschen schenken ihnen Donuts. Ich habe zu meiner Zeit nie etwas von jemandem geschenkt bekommen. Ich wurde "Bullenschwein" und "N*****-Cop" genannt. Du brauchst ein starkes Rückgrat, um in den USA Polizist zu sein. Sehr wenige werden dir jemals für deinen Dienst danken, aber das ist OK. Man wird nicht Polizist, um Freunde zu finden. Man tut es, weil man einen guten Sinn für sein Leben gefunden hat und dieser Sache so gut wie möglich dienen möchte.

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