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Kriminalität

Planten Thüringer Linke einen Sprengstoffanschlag?

Rechte jubeln bereits, doch die Beweislage für ihre Theorien ist bislang sehr dünn.
Symbolfoto: imago | Joachen Tack

Der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt im Thüringer Osten ist eine Hochburg für Deutschlands gewaltbereite Neonazi-Szene. Die NPD veranstaltete hier eine Kundgebung vor einer Flüchtlingsunterkunft, die rechtsradikale Kleinpartei Der III.Weg unterhält einen eigenen Stützpunkt. Auch der mutmaßliche NSU-Unterstützer und ehemalige V-Mann Tino Brandt kommt aus Rudolstadt. Für all diese Leute wäre es ein Propagandageschenk, würde sich bewahrheiten, dass einer ihrer Gegner Sprengstoff hergestellt hat.

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Wie die Thüringer Allgemeine berichtet, stellten Beamte der Kripo Saalfeld am Dienstag bei insgesamt vier Hausdurchsuchungen im Landkreis eine geringe Menge Sprengstoff und insgesamt 20 Kilo Materialien sicher, aus denen sich Sprengstoff herstellen ließe. Dabei nahm die Polizei zwei Tatverdächtige im Alter von 25 und 31 Jahren fest. Ihnen wird vorgeworfen, ein Explosions- oder Strahlungsverbrechen vorbereitet zu haben. Laut der Zeitung, die sich dabei auf Ermittlerkreise bezieht, soll einer der Verdächtigen Mitglied des Bündnisses "Zivilcourage und Menschenrechte" sein und sich in der Vergangenheit als dessen Sprecher betätigt haben. Die Gruppe informiert in der Region über Rassismus, setzt sich für Geflüchtete ein und beteiligte sich in der Vergangenheit an Demonstrationen gegen Fremdenhass.


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Ein Sprecher der ermittelnden Staatsanwaltschaft Gera konnte gegenüber VICE weder bestätigen noch ausschließen, dass einer der Tatverdächtigen Mitglied bei "Zivilcourage und Menschenrechte" sei. Der Staatsschutz sei bislang nicht eingeschaltet worden, weil es derzeit "keine Anhaltspunkte für einen politisch motivierten Tatverdacht" gebe. Ein Zeuge habe die Behörden darauf aufmerksam gemacht, dass einer der beiden Tatverdächtigen größere Mengen Düngemittel horten würde. Eine mögliche Tatankündigung im Internet oder anderswo sei den Behörden nicht bekannt, sagte der Sprecher.

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Auch Bernhard Hecker, der Vorsitzende des Bündnisses, sagte gegenüber VICE, er wisse nichts darüber, dass einer seiner Mitstreiter an der Tat beteiligt sei. "Uns verwundert das sehr, was wir da aus der Presse erfahren haben." Die Organisation sei ein offenes Bündnis für Zivilcourage, dass Bürger über Rassismus aufkläre. "Von Gewalt und dergleichen distanzieren wir uns", sagte Hecker. Auch mit der Info, es handele sich um einen der Sprecher von "Zivilcourage und Menschenrechte", könne er wenig anfangen. "Wir sind ein loses Bündnis und haben keinen festen Pressesprecher. Diese Funktion haben bei uns acht verschiedene Leute." Sollte sich doch herausstellen, dass jemand aus dem Umfeld des Bündnisses mit dem Sprengstofffund zu tun habe, würde man diese Person umgehend ausschließen.

Laut Thüringer Allgemeine soll einer der mutmaßlichen Sprengstoffbauer 2016 für das Bündnis einen Anerkennungspreis des Freistaats Thüringen entgegengenommen haben. An der Preisverleihung hatten lediglich zwei Bündnissprecher teilgenommen.

Dennoch: Solange weder mögliche Anschlagsziele bekannt sind, noch die Staatsanwaltschaft ein politisches Motiv sieht, geschweige denn die Ermittlungen abgeschlossen sind, wäre es zu diesem Zeitpunkt noch zu früh, um von einem geplanten Anschlag durch Linksextreme zu sprechen. Die Gegenseite hält das nicht davon ab, wild zu spekulieren. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar schrieb bei Twitter dazu: "Tja, die #Gutmenschen", und Philip Stein von der rechtsextremen Gruppe "Ein Prozent" suggerierte in einem Tweet, Katharina König-Preuss, Landtagsabgeordnete der Linken, hätte etwas mit dem Fall zu tun. Belege dafür nannte er keine.

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