Vielen Männern ist es unangenehm, über Vaginen zu sprechen
Foto: Pexels

FYI.

This story is over 5 years old.

Gesundheit

Vielen Männern ist es unangenehm, über Vaginen zu sprechen

Laut einer neuen Studie spricht mehr als die Hälfte der Männer nur ungern mit ihrer Partnerin über deren gynäkologische Gesundheit – weil es ihnen unangenehm ist.

Wann hast du das letzte Mal mit deinem Freund über sexuelle Gesundheit gesprochen? Kann er das Wort "Vagina" sagen, ohne dabei zu kichern? Und traust du ihm zu, dass es ihm auffallen würden, wenn dort bei dir etwas nicht in Ordnung wäre? Wenn du nicht durch sehr viel Yoga extrem biegsam bist, ist es wahrscheinlich, dass du wie der Großteil der Frauen nicht selbst deine Vulva begutachten kannst. Bleibt wohl nur die Hoffnung, dass unsere Sexualpartner zumindest gelegentlich einen Blick darauf werfen.

Anzeige

Doch trotz ihrer eindeutig vorteilhaften Perspektive fühlen sich nur rund ein Fünftel der Männer selbstsicher genug, um eine Veränderung der Vagina ihrer Partnerin anzusprechen, wie zum Beispiel Ausfluss oder Knoten. Mehr als die Hälfte will lieber gar nicht über die gynäkologische Gesundheit sprechen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von 2.000 Personen, die von der britischen Organisation The Eve Appeal durchgeführt wurde.

Mehr lesen: Wie eine einzige Frau unser Denken über Sex revolutionierte

Vor ein paar Jahren hat mein Freund mich mal gefragt, was eigentlich der Unterschied zwischen der Gebärmutter und dem Uterus sei (beide Begriffe bezeichnen das Gleiche). Dieser Freund von damals ist heute mein Ehemann. Natürlich war er die erste Person, an die ich mich gewendet habe, als ich für diesen Artikel recherchiert habe.

"Was ist der Unterschied zwischen der Vagina und der Vulva?", fragte ich ihn also per Text-Nachricht. "Die Vagina ist das Gesamte, die Vulva ist nur ein Teil davon", antwortete er. "Andersrum, Schatz", schrieb ich zurück. Vorhang auf für einige beschämte Emojis und einem kurzen Bildungsdialog als er von der Arbeit nach Hause kam.

Tatsächlich hat mein Mann noch relativ viel Ahnung von sexueller Gesundheit, dennoch ist er mit Abstand nicht alleine damit, wichtige Teile der weiblichen Geschlechtsorgane miteinander zu verwechseln. Nur knapp die Hälfte der von The Eve Appeal befragten Männer konnten die Vagina auf einem Diagramm korrekt erkennen, während fast zwei Drittel nicht wussten, wo oder was die Vulva überhaupt ist.

Anzeige

Klar, wir haben alle schon mal die Männer belächelt, die die Klitoris nicht vom Gebärmutterhals unterscheiden können oder sich winden, wenn wir von unserer Periode oder von Abstrichen sprechen – aber ist es eigentlich nicht ziemlich alarmierend, dass die Personen, die unsere Vagina öfters als jeder andere sehen, nicht genug Ahnung haben, um zu merken, wenn sich was ändert?


Mehr von Broadly: Wer hat Angst vor Vagina-Kunst?


"Es ist wirklich beunruhigend. Frauen müssen mit den Männern, mit denen sie Sex haben, darüber reden", sagt Dr. Tracie Miles, Spezialistin für gynäkologische Krebserkrankungen von The Eve Appeal. "Es ist zwar ein uraltes Tabuthema, aber Freunde und Ehemänner können uns sehr gut dabei helfen, Anzeichen von gynäkologischen Krebsarten und Geschlechtskrankheiten frühzeitig zu erkennen", fügt sie hinzu.

Natürlich ist es glasklar, warum diese Gespräche meistens nicht stattfinden: Einundzwanzig Prozent der Männer im Alter zwischen 18 und 44 Jahren sagten, dass es ihnen "zu peinlich" sei, während nur 17 Prozent das Gefühl hatten, gut über die Funktionsweise der Vagina ihrer Partnerin Bescheid zu wissen.

"Ich muss zugeben, dass ich nur wenig Ahnung habe, aber ich meine, dass ich schon merken würde, wenn sich etwas offensichtliches verändern würde – oder auch der Geruch oder Geschmack", sagt mir der 27-jährige Harri. Er ist schon seit über fünf Jahren mit seiner Freundin zusammen und sagt: "Ich würde es auf jeden Fall ansprechen, auch wenn es wahrscheinlich ein wenig merkwürdig sein würde – es ist immer unangenehm, jemanden auf ein gesundheitliches Problem anzusprechen, erst recht, wenn es um Genitalien geht."

Anzeige

Außerdem, fügt er hinzu, "bin ich kein Experte was die gynäkologische Gesundheit angeht, es wäre mir also unangenehm, einen intimen Moment durch einen Fehlalarm kaputt zu machen" – eine Sorge, die verständlicherweise von allen Männern, mit denen ich gesprochen habe, geteilt wird.

Miles sagt, dass der richtige Augenblick sehr wichtig ist. "Natürlich will man die Stimmung nicht während des Sex zerstören. Aber die kuschelige Zeit danach, wenn man sich wohlig fühlt und gerade Spaß zusammen hatte, kann ein idealer Moment sein", findet sie.

Ein bisschen Wissen zu haben macht Männer offensichtlich auch selbstbewusster. Joe, ein 26-jähriger Transmann, sagt: "Ich weiß viel mehr als die meisten Männer – teilweise deswegen, weil ich früher mal Hebamme werden wollte, und ich einfach mehr Interesse für die sexuelle Gesundheit habe. Ach und vielleicht auch noch, weil ich früher mal selbst eine Vagina hatte!"

Joe ist seit vier Jahren mit seiner Frau zusammen und sagt, dass er in der Vergangenheit bereits Dinge angesprochen habe, beispielsweise als es danach aussah, dass sie eine Pilzinfektion haben könnte. "Ich weiß einfach, wie die Anzeichen von Infektionen, Zysten oder Entzündungen aussehen. Und als sie beim Sex Unterleibsschmerzen hatte, sagte ich ihr, dass das ein Symptom einer Unterleibsentzündung sein könnte", erzählt er.

Auch der 27-jährige Alex sagt: "Meine Partnerin arbeitet beim staatlichen Gesundheitsdienst, Anatomie ist also bei uns kein Tabuthema, auch nicht, wenn es um die sexuelle Gesundheit geht. Drei unserer vier Elternteile hatten außerdem Krebs, ich denke also, dass wir besonders vorsichtig wären, wenn wir das Gefühl hätten, dass etwas nicht in Ordnung wäre."

Anzeige

Caroline Presho, 43, hat sich für eine beidseitige Mastektomie und eine Oophorektomie (die Entfernung der Eierstöcke) entschieden, nachdem sie erfahren hatte, dass sie Trägerin des Hochrisikogens BRCA ist. Durch die Genmutation erhöht sich die Gefahr, an Brust- und Eierstockkrebs zu erkranken. Die Oophorektomie hat bei ihr eine chirurgische Menopause ausgelöst, und so hat sie sich in Folge an die einst schwierigen Gespräche mit ihrem Ehemann Conal gewöhnt.

"Am Anfang unserer Beziehung haben wir nie über sowas gesprochen, selbst nicht über Dinge wie Pilzinfektionen. Ich das Gespräch immer gemieden und dann gesagt 'Ich muss etwas Creme benutzen', ohne genauer zu erklären, wo oder warum." Mittlerweile sagt sie sogar Wörter wie "Scheidentrockenheit" im Frühstücksfernsehen. Bei Good Morning Britain sprach sie darüber, dass sie den gleichen Gesundheitszustand wie Angelina Jolie hat, die sich ebenfalls für eine doppelte Mastektomie entschieden hatte.

"Wir hatten bereits vier Kinder, was Dingen auf jeden Fall das Tabu nimmt, aber jetzt fühlen wir uns viel wohler dabei, über Vaginen und sexuelle Gesundheit zu sprechen", sagt ihr Mann Conal. "Das Problem ist, dass viele Männer einfach nicht darüber reden. Wir sprechen ja nicht mal gerne über unsere eigene Gesundheit – es gibt diese typische Haltung von: 'Wenn ich es ignoriere, wird es schon von alleine weggehen'."

Mehr lesen: Wie sexistische Medizin Frauenleben gefährdet

Anzeige

Für ihn ist Offenheit und eine Enttabuisierung der Gespräche der Schlüssel zur Normalität, sowohl für Paare untereinander als auch bei den eigenen Kindern. "Wenn man offen und ganz normal über diese Themen spricht, weiß der Mann zumindest besser, wie er damit umgehen soll, wenn ihm etwas auffällt", sagt er. "Frauen können auf jeden Fall helfen, indem sie die Themen zuerst ansprechen und zeigen, dass es okay ist, gemeinsam darüber zu reden."

Beruhigenderweise waren sich alle Paare, mit denen ich mich unterhalten habe, einig, dass die Gesundheit der Partnerin ein gemeinsames Anliegen sein sollte – wenn auch mit unterschiedlich großem Unbehagen. "Offensichtlich ist es ihr Körper, und jede Handlung diesbezüglich ist daher ihre Entscheidung. Es ist aber eine gemeinsame Verantwortung, nach negativen Veränderungen Ausschau zu halten", findet der 35-jährige Rich.

Ob es nun um ungewöhnliche vaginale Blutungen oder Ausfluss, Knoten oder Veränderungen der Vulva, des Geschmacks oder Geruchs geht – Miles sagt, dass alles, was einem da unten ungewöhnlich erscheint, untersucht lassen werden sollte. "In 99,9 Prozent der Fälle hat es nichts mit Krebs zu tun, aber es ist immer besser, einen Arzt zu konsultieren und sich behandeln zu lassen, falls notwendig", rät sie.

Und wenn euer Partner nicht ohne zu zucken über gynäkologische Angelegenheiten reden kann, ist es höchste Zeit, das Wort "Vagina" in euren romantischen Wortschatz aufzunehmen. Er wird schon darüber hinwegkommen.

Folgt Broadly bei Facebook, Twitter und Instagram.