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Relegations-Unsinn

Die Ausreden des DFB gegen einen faireren Regionalliga-Aufstiegsmodus

Waldhof-Fans randalierten gestern aus Frust. Zum dritten Mal in Folge stieg ein Meister der RL Südwest nicht auf. Alternativen zum jetzigen Modus gibt es – doch der DFB sträubt sich, eine faire Lösung zu finden.
Foto: imago/osnapix

Der SV Meppen steigt in die Dritte Liga auf. Oder wie DFB-Präsident Reinhard Grindel sagen würde: Sie haben eines der drei Finalspiele in der "Champions League des Amateurfußballs" gewonnen. Nach 210 torlosen Spielminuten in Hin- und Rückspiel gewann der ehemalige Zweitligist gegen Waldhof Mannheim mit 4:3 im Elfmeterschießen. Danach überkam die 2.000 mitgereisten Waldhof-Fans der Frust: Sie rissen den Zaun des Gästeblocks ein und die Polizei fuhr mit einem Wasserwerfer vor. Szenen, die an die Relegationsspiele in München oder Braunschweig erinnern. Schlimmeres passierte jedoch nicht. Die Beamten verhinderten einen Platzsturm. Die Bilanz des größten Polizeieinsatz in der Geschichte des Emslandes: Fünf Mannheimer wurden verletzt, vier davon durch Hundebisse. Der tiefe Frust der Waldhof-Fans sammelte sich nicht erst in den Aufstiegsspielen an.

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Waldhof scheiterte schon zum zweiten Mal in Folge in den Aufstiegsspielen. Nachdem sie in der letzten Saison als Meister der Regionalliga Südwest gegen Lotte verloren, mussten sie sich diesmal als Vizemeister dem Meister der Regionalliga Nord geschlagen geben. Weil der Südwest-Meister – der SV Elversberg – gegen Unterhaching verlor, gibt es auch im dritten Jahr in Folge keinen Aufsteiger in der Regionalliga Südwest. Tristesse ist da vorprogrammiert. Vandalismus und Krawalle sind selten zu rechtfertigen oder zu verteidigen: Aber warum wird ein Team in zwei Spielen um den Lohn einer ganzen Saison gebracht?

Seit Einführung von Aufstiegsspielen in der Regionalliga in der Saison 2012/2013 jährt sich die Kritik an dem Modus. Die Lausitzer Rundschau hatte im Februar eine Befragung unter den 91 Klubs in den fünf Regionalliga-Staffeln durchgeführt: Von den 40 beteiligten Vereinen waren 85 Prozent mit der Aufstiegsregelung unzufrieden. Energie-Cottbus-Trainer Claus-Dieter Wollitz rief sogar zum Streik auf. Der DFB wehrt sich seit Jahren gegen die Kritik. DFB-Präsident Reinhard Grindel bezeichnete den Modus im März in einer Fragerunde über Facebook-Live als die beste "von allen schwierigen Lösungen". Alternativen gab er eine Abfuhr: "Wenn uns etwas Besseres einfällt, dann würden wir das umsetzen." Die perfekte Lösung scheint es nicht zu geben. Fairere Alternativen gibt es jedoch viele, aber den Verbänden fiel bisher immer eine Ausrede ein.

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Alle Meister steigen auf

Die einfachste aller Ideen wäre die Abschaffung der Aufstiegsspiele. Heißt: Die fünf Meister der Regionalligen wären die fünf direkten Aufsteiger. Dem erteilte DFB-Vizepräsident Peter Frymuth jedoch schon Ende 2014 eine Absage: "Im Rahmen der Diskussion muss man ganz nüchtern betrachten, dass das absolut unrealistisch ist. Die 3. Liga hätte dann ja fünf Absteiger, da bestell ich ihnen einen schönen Gruß von den Drittligisten."

Vier Regionalligen und vier Aufsteiger

Eine Kompromisslösung wäre die Reduzierung auf vier Regionalligen und somit vier Aufsteiger. Diese Umstrukturierung hätte jedoch eine Kettenreaktion nach unten zur Folge: Auf einen Schlag würden dann mindestens 18 Vereine absteigen. Das scheint jedoch unrealistisch. "Gerade die kleinen Vereine werden solche Änderungen nicht begrüßen. Es wird schwer sein, für solche Pläne eine Mehrheit zu finden", erklärte Wilfried Riemer, Spielbetriebsleiter beim Nordostdeutschen Fußballlandesverband dem RBB.

Aufstiegsrunde

Ein weiterer Kompromiss wäre eine Aufstiegsrunde. Heißt: Die Aufsteiger in die Dritte Liga werden nicht in zwei Entscheidungsspielen, sondern in zwei Gruppen mit jeweils drei Mannschaften ausgespielt. Der Vorteil: Es setzen sich eher die stärksten Mannschaften durch und das Losglück ist weniger wichtig. Lotte hatte etwa im Jahr 2013 den finanziell übermächtigen Gegner RB Leipzig zugelost bekommen, die obendrein noch acht Spiele weniger in der Liga absolvieren hatten. Dieser Modus sei laut DFB-Präsident Grindel zwar denkbar, jedoch gebe es bei dieser Konstellation immer einen Verein, der am letzten Spieltag zuschauen müsse. Zudem würde der Meister wie im jetzigen System auch nicht sicher aufsteigen. "Das könnte ebenfalls zu einer Ungerechtigkeit führen", so Grindel.

Rückkehr zu drei Regionalligen

Nach Protesten von Fans und Klubs im Jahr 2014 räumte der damalige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig ein, dass "es wünschenswert wäre, aufgrund der gemachten Erfahrungen zum alten Modell mit drei Regionalligen zurückzukehren." Den Modus, der zwischen 2008 und 2012 die Meister zu direkten Aufsteigern machte ­– schloss Grindel aber erst im März aus: "Wenn wir die Regionalligen in drei Staffeln aufteilen, könnten sich viele Vereine aus der Oberliga einen Aufstieg nicht mehr leisten. Und das wollen wir nicht." Dadurch wird kleinen Klubs zwar ein bezahlbarer Spielbetrieb auf ihrem maximalen Niveau garantiert, doch für die zahlreichen Traditionsvereine in den Regionalligen ist die Lage existenzbedrohend.

Die Regionalliga – die irgendwo zwischen Profi- und Amateurfußball liegt – ist ein gefährliches Auffangbecken für ehemalige Erst- und Zweitligisten, wie der Fall von Alemannia Aachen zeigt. Der Ex-Bundesligist steckt in der Regionalliga West fest und stellte Anfang des Jahres den zweiten Insolvenzantrag in vier Jahren. Aachen, Essen, Saarbrücken, Offenbach oder Mannheim – die Liste der klammen Traditionsvereine ist lang. Lange ist der Spielbetrieb in der vierten Liga zwischen Dorf- und gescheiterten Traditionsklubs nicht zu bezahlen: Fans und Sponsoren müssen bei Laune gehalten werden – bei hohen Kosten durch Spielergehälter sowie Lizenzauflagen auf der einen Seite und geringer Hoffnung auf einen Aufstieg auf der anderen.

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Wie wichtig ein neuer Aufstiegsmodus wäre, zeigt etwa die Insolvenz der Alemannia. Insolvenzverwalter Christoph Niering gab einen Ausblick, der wohl für viele Klubs in Zukunft gilt: "Die Regionalliga ist eine Liga, aus der man mit eigener Kraft und mit der Kraft von nur regionalen Sponsoren kaum rauskommt. Darum muss der Verein irgendwann mal fragen, was kann er anders gestalten, und wenn es um eine Investorenlösung geht, dann eine, die auch belastbar ist." Der stetigen Professionalisierung, den steigenden Spielergehältern und den hohen Lizenzauflagen des DFB wurde noch keine Antwort der Finanzierung gegeben – außer durch Mäzene und zahlungskräftige Sponsoren. Wie eine solche Entwicklung ausgehen kann, zeigte der TSV 1860 München, der in der totalen Abhängigkeit eines Investors im Chaos versank und trotz frischen Geldern abstieg. DFB-Präsident Reinhard Grindel sieht sich selbst als Vertreter der Amateure, hat es aber noch immer nicht geschafft, eine faire und einfache Brücke zwischen Amateur- und Profibereich zu bauen. Diese Brücke ist jedoch unabdingbar und wahrscheinlich eine der wichtigsten Fragen des deutschen Fußballs. Auch für das sowieso schon angeknackste Vertrauensverhältnis von Fans und Vereinen zum DFB. Während nämlich die Bundesliga ihren neuen TV-Vertrag feiert und über eine Milliarde Euro einnimmt, kämpfen die Klubs von der dritten Liga abwärts jährlich um ihre Existenz.

"Wer die Leistung seiner Meister anerkennen will, lässt diese aufsteigen", hieß es in einem offenen Brief der Sportfreunde Lotte zur Aufstiegsregelung im letzten Jahr. Alternativen gibt es viele, doch noch ist der DFB nicht bereit, einen anderen Weg zu gehen. „Es wird bei der Regionalliga mit fünf Spielklassen bleiben – auch mit der Relegation", wie DFB-Präsident wie Grindel verriet. Für ihn bleibt die Regionalliga mit den Aufstiegsspielen die „Champions League des Amateurfußballs". Waldhof Mannheim und seine Fans können sich also weiterhin auf Flutlichtspiele beim TSV Steinbach freuen.

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