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Sportmarken

Adidas vs. Puma – Wie eine Familienfehde zwei Sportriesen entstehen ließ

Adolf und Rudolf Dassler arbeiteten Seite an Seite in einer florierenden Schuhfabrik. Doch eine junge Frau, der Zweite Weltkrieg und Nazi-Vorwürfe sollten die beiden Brüder für immer entzweien.
Foto: Imago/HRSchulz

Der Taxifahrer wollte sichergehen, dass ich mich nicht versprochen hatte. "Adidas?", fragte er in einem Tonfall, der sagen sollte: Sind Sie sicher? Und natürlich schwang noch ein weiterer Name mit: Puma, der andere Sportwarenriese mit Hauptsitz in der bayrischen Kleinstadt Herzogenaurach.

Herzo, wie es die Einheimischen nennen, hat nur 23.000 Einwohner und ist dennoch ein legendärer Ort in der Welt des Sports. Hier haben die Dassler-Brüder, Adolf ('Adi') und Rudolf, in den frühen 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts gemeinsam ein Schuhgeschäft gegründet und erfolgreich betrieben – bis sie sich zerstritten und ihre Firma in zwei separate Unternehmen aufspalteten. Sie zogen auf verschiedene Uferseiten des Flusses Mittlere Aurach. Von da an wurde die Familienfehde auf dem Kopfsteinpflaster der kleinen Stadt in der Nähe von Nürnberg ausgetragen, auf Basketball- und Fußballplätzen und bei Olympia.

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Der Legende nach war die Rivalität zwischen beiden Firmen zeitweise so groß, dass Puma und Adidas an rivalisierende Gangs erinnerten. Wenn du bei der einen Firma gearbeitet hast, sollst du dich angeblich nicht auf die andere Uferseite getraut haben. Jede Seite hatte ihre eigene Bäckerei, eigene Bars, eigene Sportvereine. Der Familienstreit spaltete eine ganze Stadt.

Bevor die Familienfehde so richtig begann, arbeiteten Adi und Rudolf Seite an Seite, was auch ziemlich reibungsfrei lief. Die Geschichte von Adidas und Puma begann unter den Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs, als die Alliierten Deutschland harte wirtschaftliche Sanktionen auferlegten und das Land in eine Wirtschaftskrise schlitterte. Hohe Arbeitslosenzahlen und eine galoppierende Inflation waren die Folgen. Als die Dassler-Brüder aus dem Krieg zurückkehrten, stand die Wäscherei ihrer Mutter still. In deren Räumen begann Adi Dassler dann, Schuhe herzustellen.

Die Zeiten waren hart und Adi musste bei der Materialienwahl auch schon mal erfinderisch sein. Aber auch wenn die Leute kein Geld hatten und nicht bereit waren, für saubere Klamotten zu zahlen, so brauchten sie doch heile Schuhe. So kam es, dass Adis Firma schon nach drei Jahren so sehr angewachsen war, dass er seinen Bruder Rudolf mit ins Boot holte. Der sollte sich um das Business kümmern, Adi weiter um die Produktion. Ein Firmenname war auch schnell gefunden: Gebrüder Dassler Schuhfabrik.

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Adi, der Tüftler, entwarf in den Anfangsjahren die unterschiedlichsten Schuhe, den Durchbruch brachte die Produktion eines Laufschuhs mit Spikes. Die Schuhe sahen ein bisschen so aus wie Ballettschläppchen, durch deren Vordersohle Nägel gehämmert wurden, doch sie waren innovativ und boten eine gute Bodenhaftung. Binnen kurzer Zeit statteten die Brüder neben anderen Sportlern auch das deutsche Leichtathletik-Team aus. Im Laufe der 30er-Jahre weiteten sie das Geschäft auch über die Landesgrenzen hinaus aus. Bei den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin trug der US-amerikanische Sprintstar Jesse Owens ein Paar Dassler-Schuhe.

Vor Herzos Rathaus | Foto: Brian Blickenstaff

Auch wenn keiner der Brüder ein besonders überzeugter Nazi war, waren beide, so wie viele andere Deutsche, Mitglieder bei der NSDAP. Hitler förderte Körperertüchtigung und Athletik, was auch ihrer Firma zugute kam. Doch während das Geschäft florierte, war die Lage im Hause Dassler angespannt.

Angefangen damit, dass die Brüder nicht nur Kollegen waren, sondern auch noch mit ihren Frauen zusammen unter einem Dach lebten. Selten eine gute Idee.

"Das Verhältnis zu meinem Bruder war zwischen 1924 und 1933 einwandfrei", erinnerte sich Rudolf Dassler als älterer Mann. "Dann wollte sich seine junge Frau in geschäftlichen Fragen einmischen, obwohl sie mit ihren 16 Jahren keinerlei Erfahrung hatte." Nachlesen kann man das in Barbara Smits exzellentem Buch Drei Streifen gegen Puma: Wie aus einem Bruderzwist zwei Weltkonzerne entstanden. "So begann der Krieg", sagte Rudolf Dassler.

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Mit 'Krieg' meinte Rudolf nicht den Zweiten Weltkrieg, obwohl der auch eine Rolle spielte in der Fehde. Als die Spannungen zu Hause zunahmen, wurde Rudolf zum Militär einberufen, während Adi sich weiter um den Familienbetrieb kümmern durfte. In Rudolf wuchs die Überzeugung, dass ihn sein Bruder während seiner Abwesenheit klammheimlich aus der Firma drängen wollte. Seine Angst war so stark, dass er sich wiederholt von seiner Truppe entfernte und versuchte zurück zur heimischen Fabrik zu kommen.

Nach dem Krieg, in der Zeit der Denazifizierung, herrschte auf beiden Seiten der Familie fast schon Paranoia. Die Brüder und ihre Frauen übertrafen sich darin, die jeweils andere Seite der Familie als Über-Nazis darzustellen. Rudolf landete zwar kurz nach Beginn der US-Besatzung im Gefängnis, aber die Amerikaner entschieden, dass die beiden Brüder nur kleine Fische seien, und sahen von einer Bestrafung ab.

1948 dann gingen die Gebrüder Dassler getrennte Wege. Adi behielt die Produktionsabteilung und gründete "Adidas". Rudolf nahm das operative Geschäft über den Fluss mit und gründete eine Firma, die er "Ruda" nannte, später musste der Name dem eleganteren "Puma" weichen. Die Angestellten wählten selbst, für wen sie weiter arbeiten wollten. Die Mutter der beiden Brüder ergriff Partei für Rudolf.

Adi Dassler (2. v. l.) machte Adidas zum Ausrüster der Weltmeister-Mannschaft 1954 | Foto: Imago

"Die Arbeiter wohnten und tätigten Einkäufe auf der Flussseite, wo sie auch arbeiteten", erklärte mir Manfred Welker, ein Heimatforscher und Verwandter der Dasslers. (Welkers Großmutter war die ältere Schwester der Dassler-Brüder.) Zusammen mit Welker besuchte ich das städtische Museum, wo gerade eine temporäre Ausstellung zu Puma-Erinnerungsstücken gezeigt wurde, die ein ehemaliger Mitarbeiter über Jahrzehnte gesammelt hatte. Darunter fanden sich Puma-Spielzeugautos, Puma-Feuerzeuge und auch ein Foto von Pelé in seinen Puma Kings.

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"Es war kein blutiger Krieg oder sowas", stellt Welker klar. Die beiden Seiten seien sich einfach aus dem Weg gegangen.

Die Brüder haben über Jahre kein Wort miteinander gewechselt. Oft wird geschrieben, dass sie nie wieder miteinander geredet hätten, doch laut Smit trafen sie im hohen Alter ein paar Mal aufeinander, darunter am Frankfurter Flughafen und in einem Hotel in Nürnberg. Wie versöhnlich diese Treffen gewirkt haben, ist schwer zu sagen. Fakt ist: Als Rudolf 1974 auf dem Sterbebett lag, wurde sein Bruder für ein letztes Gespräch eingeladen. Adi lehnte ab.

Eine Puma-Ausstellung im städtischen Museum | Foto: Brian Blickenstaff

Wenn man heute durch die Kleinstadt spaziert, würde man nie auf die Idee kommen, dass Herzogenaurach einmal gespalten war. Man würde außerdem kaum darauf kommen, dass die Stadt überhaupt etwas mit Sport am Hut hat, mal abgesehen von einer Bronzestatue auf dem Marktplatz. Die zeigt zwei kleine Jungs, die neben einem älteren Herrn Schuhe zusammenflicken.

Laut Welker hat sich die Stadt verändert, nachdem die beiden Familien ihre Firmen 1989 verkauften. Seitdem haben sich die Unternehmen globalisiert und einen Großteil der Produktion ins Ausland verlagert. "Wenn du dich heutzutage auf dem Adidas-Parkplatz umschaust, siehst du dort Autos mit französischem oder niederländischem Kennzeichen", erzählt Welker. "Hier in der Stadt gibt es keine Arbeiter mehr." Die meisten würden mittlerweile in Nürnberg leben.

Ortswechsel zurück ins Taxi. Ich antwortete dem Fahrer, dass ich wirklich Adidas und nicht Puma meine. Er zeigte mit dem Finger Richtung Ortsausgang, die Fahrt führt uns an den Stadtrand von Herzogenaurach.

Auch heute sind Adidas und Puma noch Konkurrenten, nur geht es jetzt hauptsächlich um Gewinnmargen. Das spiegelt sich auch im Standort der beiden Hauptgeschäftssitze, die liegen nicht mehr im Zentrum von Herzogenaurach, sondern wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte auf billigerem Land in der Peripherie hochgezogen. Am Ende der Fahrt gelangten wir zu einer großen campusähnlichen Anlage, die Adidas ihre "World of Sports" nennt – aber erst, nachdem wir an Pumas weltweitem Geschäftssitz vorbeigefahren waren. Und Welker hatte Recht. Auf den Parkplätzen sah ich Nummernschilder aus der gesamten Europäischen Union.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf VICE Sports US