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Selbstbefriedigung

Diese Serien zeigen: Masturbierende Frauen müssen nicht sexy sein

Hauptsache, ihr habt Spaß.
Foto: Pixabay | Pexels | CC0

Wenn du die Protagonistinnen von Broad City wirklich verstehen willst, dann schau dir ihre Masturbationsgewohnheiten an. Ilana zelebriert Selbstbefriedigung mit einem ausgiebigen Ritual –Kerzen, Austern und Lippenstift inklusive – während Abbi in ihren Kalender "Zeit für mich" einträgt und ihren Vibrator mit Erinnerungs-Post-Its versieht. Beide Verhaltensweisen spiegeln die charakterlichen Eigenheiten beider Figuren wieder: Ilana mag es pompös, ist unerbittlich loyal und sexuell offen, wohingegen Abbi neurotisch und praktisch veranlagt ist und den eigenen Bedürfnissen jederzeit Priorität einräumt. Dazu lernen wir auch, dass wir es hier mit zwei Frauen zu tun haben, die sich selbst befriedigen – und das nicht etwa, um einen Partner anzuturnen, ihren Körper zu erkunden und auch nicht, weil sie eine sexuelle Erkenntnis haben, die sich praktisch in die Handlung einfügt. Nein, sie masturbieren, weil ihnen gerade danach ist.

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Es sind fast zwei Jahrzehnte vergangen, seit Charlotte in Sex and the City ihr "Wunder der Technik" etwas zu sehr ans Herz gewachsen ist. Aber obwohl wir in Game of Thrones ungerührt eine Orgie nach der anderen sehen, haftet weiblicher Selbstbefriedigung noch immer ein Tabu an. Gleichzeitig wird es als eine Art Naturgesetz akzeptiert, dass Männer nicht die Finger von sich lassen können – ein Thema, das in Serien wie The Inbetweeners und Peep Show gerne in Gags à la American Pie abgehandelt wird. Selbst bei Friends gab es einen Handlungsstrang, der sich darum drehte, dass Chandler angeblich auf Haipornos steht.

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Bei Frauen stellt Selbstbefriedigung noch immer etwas Ungewöhnliches dar (wie Sally Draper, die in Mad Men zum Psychotherapeuten gebracht wird). Inzwischen gibt es aber mehrere erfolgreiche Serien von Fernsehmacherinnen, die dieses Vorurteil hinterfragen.

Trotz der vielen provokativen Sexszenen in der zweiten Staffel von Insecure – Blowjobs, Poly-Beziehungen und ein Dreier, der von versaut zu rassistisch wird – sehen wir die wahrscheinlich progressivste Szene in Folge drei, als Issa nach ihrem Vibrator greift. Natürlich sind die Batterien fast sofort tot und sie rennt auf der Suche nach neuen durch die Wohnung. Jedes Mal, wenn sie irgendwo nachschaut und keine findet, ruft sie "Fuck!".

Genau wie für die Frauen von Broad City gehört Selbstbefriedigung auch zu Issas Alltag. Sie besitzt Sexspielzug. Sie benutzt es in ihrem Bett unter der Decke. Und sie trägt dabei bequeme Klamotten. Es ist eine Sexszene, die nicht besonders sexy ist, wenn überhaupt. Anstelle vielsagender Einstellungen, die Zuschauern etwas zum Glotzen geben, dreht sich diese Szene nur um Issas Beziehung zu sich selbst.

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Ganz im Gegensatz zu Game of Thrones, wo Sex fast immer auch als Provokation stattfindet, haben Broad City und Insecure auf echte Figurenentwicklung gesetzt und nicht auf nackte Brüste. Eine Frau, die ihre sexuelle Lust selbst in die Hand nimmt, ist hier nicht länger ein Statement oder ein Aufbegehren. Nein, diese Figuren sind sich ihrer Sexualität, ihrer Körper und ihrer Bedürfnisse schon längst bewusst.

Im echten Leben ist Selbstbefriedigung aber immer noch für viele mit Scham behaftet. Leila Frodsham, eine Fachärztin für Geburtshilfe und Gynäkologin am Institute of Psychosexual Medicine und Expertin für Frauengesundheit bei der Website The Femedic, sagt zu Broadly, dass die meisten ihrer Patientinnen nicht über das Thema sprechen wollen würden.

"Aus meiner Erfahrung heraus geben Frauen sehr selten zu, zu masturbieren. Männer haben keine Hemmungen, darüber zu sprechen, aber Frauen tun sich schwer oder verneinen es komplett. Die sehen mich richtig schockiert an, wenn ich ihnen vorschlage, dass das die beste Art sei, um Lust zu erfahren", erklärt sie. "Als Gynäkologin mit über 20 Jahren Berufserfahrung höre ich täglich bei der Untersuchung meiner Patientinnen: 'Sie Arme, haben einen so schlimmen Job. Den ganzen Tag müssen sie sich so was anschauen.' Verglichen mit Männern gibt es sehr wenige positive Worte für die weiblichen Genitalien. Es ist kein Wunder, dass Frauen sich von einem Teil ihres Körpers abgestoßen fühlen."

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Gina Rodriguez, Hauptdarstellerin der Serie Jane the Virgin, drückte in einem Interview mit Bust ähnliche Gefühle aus. "Um ehrlich zu sein, hatte ich früher eine schlechtes Gewissen, weil ich masturbiet habe", sagte sie. "Oh mein Gott, diese extreme Schuld! Und das ging viel zu lange so. Oder vielleicht habe ich auch einfach zu viel masturbiert! Es ist OK, zurückzuschauen und sich zu denken: 'Es war nicht gut, dass ich mich schlecht gefühlt habe, weil ich mich angefasst habe.'"

Aber wie bei anderen Tabuthemen wohnt der Darstellung masturbierender Frauen in der Popkultur die Macht inne, den Akt zu normalisieren – wenn er denn realistisch dargestellt wird. Oft genug allerdings werden masturbierende Frauen weiterhin als sexueller Reiz für Männer präsentiert – wenn nicht im übertragenen Sinne (wie Riley Keough in The Girlfriend Experience), dann sogar direkt (wie Lizzy Caplan in Masters of Sex).

Die Wissenschaftlerin Dr. Sybil Lockhart, die unter anderem auch für die Aufklärungsseite OMGYes arbeitet, hat festgestellt, dass Frauen oft denken, ihre eigene Selbstbefriedigung sollte ihre Partner erregen. "Manche Frauen beschreiben, dass sie auf eine performative Art für einen Partner masturbieren. Sie liegen auf dem Rücken und bäumen sich auf, wie sie es in Pornos gesehen haben. In vielen Fällen hat diese Vorführung nichts mit der authentischen und persönlichen Masturbationstechnik dieser Frauen zu tun. Oft glauben sie, dass Männer diese komplett unattraktiv finden", erklärt sie.

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"Masturbierende Frauen müssen nicht so sexy sein, wie Männer es vielleicht gerne hätten. Wir haben festgestellt, dass eine der weitverbreitetsten Arten der Selbstbefriedigung ist, sich einfach an einem Objekt zu reiben oder zu drücken", so Dr. Lockhart. "Man muss dafür nicht nackt sein und oft wird es außerdem mit dem Gesicht nach unten getan, was nicht unbedingt was für Pornofans ist."

In anderen Worten: Es sieht auf der Leinwand vielleicht ganz sexy aus, wenn sich Natalie Portman in Black Swan windet, während sie an ein Techtelmechtel mit einer Frau denkt, aber wahrscheinlich legen nur die Allerwenigsten auch im echten Leben so Hand an sich. Phoebe Waller-Bridges Hauptfigur der Serie Fleabag dürfte eine wesentlich realistischere Masturbationsdarbietung hinlegen, wenn sie sich auf ihrem Laptop eine Obama-Rede anschaut, Snacks isst und unter die Decke greift, um an sich herumzuspielen. Dabei ist es total egal, dass ihr Freund direkt neben ihr schläft oder ihr T-Shirt vollgekrümelt ist. Der Akt ist banal, unspektakulär und für niemand anderen als sie selbst.

Wenn wir Darstellerinnen in Serien dabei zusehen, wie sie sich die Zeit nehmen, um ohne Schuldgefühle oder Scham ihren sexuellen Bedürfnissen nachzugehen, dann heißt das nichts anderes als: Weibliche Masturbation ist wie ausreichend Schlaf oder genügend Wasser trinken – es gibt keine richtige oder falsche Art, sie zu tun. Und wie sexy das Alles für irgendjemand anderen aussieht oder nicht, tut überhaupt nichts zur Sache.

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