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Politik

Dinge, die in Deutschland besser geschützt sind als Frauen

Auch wenn die aktuelle Debatte um die unzulängliche Verschärfung des Sexualstrafrechts etwas anderes vermuten lässt: Es gibt durchaus Bereiche, in denen Nein auch Nein heißt.
Foto: Max Pfandl | Flickr | CC BY 2.0

Das deutsche Sexualstrafrecht soll verschärft werden. Das ist im ersten Moment eine ziemlich gute Sache und seit langem dringend notwendig. Der konkrete Reformvorschlag, der am 28. April im Bundestag diskutiert wurde, war aber vor allem eins: erschreckend unzureichend. Nach wie vor muss ein Vergewaltigungsopfer erst einmal beweisen, dass es sich auch wirklich angemessen gegen den Übergriff gewehrt hat (die Reform bezieht sich vor allem darauf, dass den Opfern in Ausnahmefällen zugestanden wird, dass die Wehrhaftigkeit nicht immer gegeben ist). Ein „Nein" scheint auch auf politischer Ebene immer noch gerne als „Vielleicht, wenn du dich noch ein bisschen mehr anstrengst" interpretiert zu werden.

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Das ist insbesondere deshalb so verwunderlich, weil es durchaus Bereiche der deutschen Rechtssprechung gibt, in denen ein klares „Nein" eben auch das ist: eine Absage. Keine augenzwinkernde Einladung. Hier kommt eine komplett willkürliche Auswahl an Dingen, die in Deutschland sowohl gesetzlich als auch gesellschaftlich klarer geschützt werden als dein Körper und bei denen „Nein heißt Nein" nicht nur ein Hashtag-Appell ist.

Der Bund der Ehe

Es gibt bei jeder Trauung diesen Moment, wo die Frage aller Fragen gestellt wird: Der danach, ob man nun wirklich den temporär ewigen Bund der Ehe eingehen möchte. Meistens beantworten die beiden Anwesenden diese Frage mit einem „Ja", es soll aber auch schon vorgekommen sein, dass einem im letzten Moment auffällt, dass man es doch nicht bis zum Ende seines Lebens ertragen möchte, wie laut der Bräutigam in spe morgens sein Mundwasser gurgelt oder die Herzensdame einem im Borderlands-Koop regelmäßig die besten Waffen vor der Nase wegschnappt. In diesem Fall ist es absolut legitim, sich kurzfristig gegen die Eheschließung zu entscheiden. Durch ein klar formuliertes „Nein" beispielsweise. „Die Ehe wird nur dadurch geschlossen, dass die Eheschließenden vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen." heißt es dazu im §1310 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Gesetzlich wie gesellschaftlich ist es nämlich nicht akzeptiert, den unwilligen Partner zur Ehe zu zwingen.

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„Wenn du doch nicht heiraten möchtest, warum trägst du dann dieses Kleid und befindest dich in einer Kirche? Pech gehabt!" ist in aller Regel nicht Teil der Trauung und macht sich auch nicht so wahnsinnig gut im Best-of-Hochzeit-Video, das der junggebliebene Bruder der Brautmutter im Nachhinein für alle Anwesenden auf DVD brennt.

Dieser Schuppen

Foto: Thomas Kohler | Flickr | CC BY 2.0

Auch Hausfriedensbruch wird hierzulande sehr ernst genommen und kann mit bis zu einem Jahr Freiheitsentzug geahndet werden. Konkret verstehen lässt sich darunter bewusstes „widerrechtliches Eindringen" oder die Weigerung, das Besitztum eines anderen zu verlassen, wenn dieser einen dazu auffordert. Wenn ihr euch also Zugang zu einem Gebäude oder Gelände verschafft, ohne dazu die Einwilligung des Besitzers zu haben, begeht ihr eine Straftat—und das übrigens ganz unabhängig davon, ob der Grundstückseigentümer scharfe Wachhunde, dressierte Bären oder einen Krokodilgraben installiert hat, um sich „angemessen" gegen unerwünschte Eindringlinge zu wehren.

Der alte Kombi deines Onkels

In ihrer Spiegel-Kolumne „Wäre die Vagina doch ein Auto" greift Margarete Stokowski ein ziemlich gutes Beispiel dafür auf, wie absurd die Weigerung ist, ein Nein dann als Nein zu akzeptieren, wenn es um sexuelle Interaktion geht: Dass man sich strafbar macht, wenn man gegen den Willen des jeweiligen Inhabers ein Kraftfahrzeug fährt. Grundlegend ist die so genannte „Gebrauchsanmaßung" eigentlich straffrei, beim „unbefugten Gebrauch eines Fahrzeugs" drohen einem allerdings bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Dabei ist übrigens alleine schon der Versuch strafbar. Während man also durchaus damit davonkommen kann, Frauen in der Bahn zu betatschen, kann einem als übergriffiger Fahrzeugbenutzer bereits dann eine saftige Anzeige winken, wenn man „am Vorderrad rüttelt, um nachzusehen, ob die Lenkradsperre eingerastet ist."

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Ein Glas Bier

Man kennt das. Man sitzt in einer Bar, unterhält sich angeregt mit Bekannten und plötzlich sind fünf Stunden vergangen und man merkt beim Weg auf die Toilette, dass man nicht mehr so richtig gut laufen kann. „Ein Bier für den Weg!", denkt man sich trotzdem größenwahnsinnig, während man zur Bar schwankt und schielend versucht, den zuständigen Mitarbeiter zu fokussieren. Doch dann die große Ernüchterung: die Person hinter der Theke weigert sich, einen weiterhin zu bewirten—und das, obwohl sie einem die Stunden zuvor anstandslos ein Glas nach dem anderen vollgemacht hat. Darf sie das, einfach so „Nein" zu sagen?

Ja, darf sie. Das liegt zum einen am Hausrecht, das sich nicht nur auf private Immobilien bezieht und nachdem einem Gastronomen ohne Angaben von Gründen die Bewirtung verweigern dürfen. Zum anderen ist laut deutschem Gaststättengesetz verboten, Alkohol an „erkennbar Betrunkene" auszuschenken—wobei das „erkennbar" dabei natürlich zu großen Teilen vom persönlichen Ermessen des jeweilig Ausschenkenden abhängt. Der wichtigste Punkt ist hierbei: Ihr habt kein Recht auf eine Leistung, Zuwendung oder Interaktion. Auch dann nicht, wenn ihr sie zuvor bereits mehrfach in Anspruch nehmen durftet.

Gebrauchte Damenunterwäsche auf eBay

Zum Abschluss kommen wir zum klassischsten Beispiel eines Handels, der auf beidseitiger Zustimmung beruht: Ein Geschäft, bei dem Ware gegen eine (in diesem Fall finanzielle) Gegenleistung den Besitzer wechselt. Nur weil das Angebot da ist und diesbezügliche Nachfrage besteht, kommt es allerdings nicht automatisch zum Geschäft. Ein Kaufvertrag kommt nach deutschem Recht nur dann zustande, wenn sowohl Angebot als auch Annahme gegeben sind. Sprich: Nur weil jemand willens ist, etwas zu verkaufen, kannst du ihn nicht dazu zwingen, es dir zu geben. Egal, ob es sich dabei um ein Kaninchen, Fachliteratur oder gebrauchte Damenunterwäsche handelt—ganz unabhängig davon, dass es sich grundlegend falsch anfühlen sollte, gebrauchte Damenunterwäsche im Internet zu kaufen.

Wenn ihr euch engagieren wollt: Hier geht's zur Petition für ein moderneres Sexualstrafrecht.